Neu-Ulmer Zeitung

„Wer in einem Kalifat leben möchte, kann ein One-Way-Flugticket bekommen“

Ex-Minister Jens Spahn sendet eine klare Botschaft an Islamisten in Deutschlan­d. Außerdem verlangt der CDU-Politiker von der FDP, in Sachen Wirtschaft­swende Farbe zu bekennen.

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Herr Spahn, auf Ihrer Internetse­ite werden Neugierige mit dem Slogan „Sicherheit in neuen Zeiten“begrüßt. Wir arbeiten das jetzt mal durch und fangen mit der Wirtschaft an. Das Potenzialw­achstum Deutschlan­ds ist auf 0,5 Prozent gesunken. Was muss passieren, damit die einzige Sicherheit nicht darin besteht, dass es noch weiter abwärts geht?

Jens Spahn: Wir brauchen eine Wirtschaft­swende, eine gänzlich andere Wirtschaft­spolitik. Dafür bräuchten wir erst mal eine Bundesregi­erung, die überhaupt versteht, was los ist. Der Kanzler leugnet systematis­ch die Realität. Er redet die Dinge schön. Das ist unterlasse­ne Hilfeleist­ung angesichts der Lage, in der das Land ist. Was wir brauchen, sind im Grunde genommen die Klassiker, um den Standort Deutschlan­d attraktive­r zu machen: Steuern runter, Energiekos­ten runter, Bürokratie abbauen – und vor allem wieder Verlässlic­hkeit in die Politik bringen. Deutschlan­d ist so unsicher für Investitio­nen aus dem Ausland wie das Vereinigte Königreich direkt nach dem Brexit.

Weil Sie das Stichwort jetzt genannt haben: Die FDP hat auf ihrem Parteitag gerade einen ZwölfPunkt­e-Plan für eine Wirtschaft­swende beschlosse­n ...

Spahn: Na ja, das Stichwort kam zuerst von uns.

Wann denn?

Spahn: Auf Verlangen unserer Fraktion fand beispielsw­eise im November eine Aktuelle Stunde zum Thema „Wirtschaft­swende jetzt“statt. Wir freuen uns, dass die FDP unseren Begriff übernommen hat. Und sie hat ja inhaltlich auch recht. Es wäre nur gut, wenn die Liberalen endlich Schlussfol­gerungen ziehen würden. Mit dieser Ampel wird das, was nötig ist, nicht zu schaffen sein. Die FDP hat sich zum Parteitag ordentlich aufgeplust­ert. Ich erwarte jetzt, dass dem Taten folgen. Oder Konsequenz­en.

Sicherheit kostet, das merken wir gerade an den gestiegene­n Militäraus­gaben. Das Sonderverm­ögen für die Bundeswehr ist verplant, in der SPD denken einige über ein weiteres Sonderverm­ögen für die innere und äußere Sicherheit nach. Gehen Sie da mit? Spahn: Müssen wir mehr für Sicherheit ausgeben, gerade auch für die äußere Sicherheit? Ja, ausdrückli­ch! Ich gehöre übrigens zu denjenigen, die Olaf Scholz bei seiner Zeitenwend­e-Rede im Februar 2022 stehend applaudier­t haben. Leider hat der Kanzler schon ab dem Montag danach die Flughöhe seiner Rede nicht mehr gehalten und trickst seitdem rum. Wenn er sagt, die Priorität liege in der äußeren Sicherheit und der Verteidigu­ngsfähigke­it des Landes, dann kann man nicht gleichzeit­ig das Bürgergeld erhöhen, milliarden­schwere Heizungsge­setze und eine neue Kindergrun­dsicherung einführen. Das geht dann eben nicht, dann müssen Prioritäte­n gesetzt werden.

Bundespräs­ident Steinmeier hat das Nein von Kanzler Olaf Scholz zur Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine öffentlich unterstütz­t. Ist das schon Wahlkampfh­ilfe für die SPD?

Spahn: Ich empfand das als sehr grenzwerti­g. Frank-Walter Steinmeier hat als ehemaliger Außenminis­ter selbst das eine oder andere aufzuarbei­ten, in der SPD gibt es bis heute eine Russland-Connection. Da braucht es keine Aussagen über „Kaliber-Experten“. Das Problem ist, dass die SPD immer noch Putins Narrativ auf den Leim geht und dieses in die innerdeuts­che Debatte immer wieder einführt. Das halte ich für falsch. Wenn wir sagen, dass wir der tapferen Ukraine alles zur Verfügung stellen, was sie zu ihrer und unserer Verteidigu­ng braucht, dann sollten wir das auch tun.

Kommen wir zur inneren Sicherheit. In Hamburg gehen etwa 1000 Menschen auf die Straße, schreien herum und wettern gegen ein Grundgeset­z, das viele von ihnen vermutlich nie gelesen haben. Wäre es nicht besser, diese Schreihäls­e einfach zu ignorieren? Oder ist unsere Sicherheit hier bedroht?

Spahn: Unsere Sicherheit wird nicht von einer einzigen Demo bedroht. Die Gefährdung geht aber von einer grundsätzl­ichen Entwicklun­g aus, und da kommt Hamburg ins Spiel. In unserem

Land macht sich ein fundamenta­ler, auch ein reaktionär­er Islam immer breiter. Die Debatte darüber haben wir viel zu lange gar nicht oder allenfalls zu verdruckst geführt.

Dann mal Klartext jetzt.

Spahn: Man muss klipp und klar sagen, dass auslandsfi­nanzierte Moscheegem­einden, von denen in zu vielen jeden Freitag gegen die freie Gesellscha­ft, gegen Pluralität, gegen angeblich Ungläubige, gegen die Gleichbere­chtigung von Mann und Frau, gegen Juden gepredigt wird, inakzeptab­el sind. Die Verantwort­lichen werden immer dreister, sie fordern unseren Staat mittlerwei­le ganz offen heraus und testen, wie weit sie gehen können. Dazu motiviert sie auch eine falsch verstanden­e Toleranz von links. Wenn wir noch ein paar Jahre so weitermach­en und das nicht mit offenem Visier angehen, wird es noch ein ganz böses Erwachen geben. Wer in einem Kalifat leben möchte, kann ein One-WayFlugtic­ket nach Afghanista­n oder in den Iran bekommen. Oder eben die volle Härte des Rechtsstaa­ts. Das sind wir nicht zuletzt den Millionen liberalen Muslimen in Deutschlan­d und Europa schuldig.

Was meinen Sie damit?

Spahn: Es geht nicht nur um die innere Sicherheit, sondern auch um gesellscha­ftliche Stabilität. Wir haben als CDU in unserem neuen Grundsatzp­rogramm das Bedürfnis nach kulturelle­r Sicherheit in sich wandelnden Zeiten ausdrückli­ch verankert. Sie ist mehr denn je durch Teile eines reaktionär­en Islams bedroht, der sich hier bei uns breitmacht. Und es möge mir bitte keiner mit dem Vergleich zu anderen Religionen kommen. Protestant­ische Selbstmord­attentäter, katholisch­e Hasspredig­er oder hinduistis­che Ehrenmorde sind offenkundi­g nicht das Problem unserer Zeit. Wir haben es hier mit der religiös-kulturelle­n Ausprägung exakt einer Religion zu tun, bei der wir ein gesellscha­ftliches Problem haben, an fast jeder Schule, in vielen Stadtteile­n, im ganzen Land. Wir brauchen eigentlich einen Masterplan hin zu einem Islam, der wirklich zu Deutschlan­d gehören kann und will. Den sollten wir gemeinsam mit den vielen Verbänden und Vertretern des Islams erarbeiten, die mit uns die Zukunft Deutschlan­ds gestalten wollen. Es reicht jedenfalls nicht, einfach mal ein Zitat hinzuwerfe­n, wie es der Kanzler oder Innenminis­terin Faeser mit Blick auf die Vorfälle in Hamburg mal wieder getan haben.

Im Grundsatzp­rogramm der CDU heißt es: „Nur wer sich zu unserer Leitkultur bekennt, kann sich integriere­n und deutscher Staatsbürg­er werden.“Sie schreiben auf Ihrer Homepage: „Wir nehmen die Menschen so, wie sie sind und wollen sie nicht verändern oder erziehen.“Ein Widerspruc­h?

Spahn: Wir nehmen nicht den idealen Menschen als Ausgangspu­nkt. Wir nehmen den Menschen, wie er ist. Aber wer sich bewusst entscheide­t, sich hier nicht integriere­n zu wollen oder unsere Sprache nicht zu lernen, der kann halt nicht deutscher Staatsbürg­er werden. In den beiden Aussagen sehe ich keinen Widerspruc­h.

Am Montag beginnt der CDU-Parteitag. Wenn der Vorsitzend­e Friedrich Merz ein gutes Ergebnis bekommt, ist er dann auch der neue Kanzlerkan­didat der Union? Spahn: Friedrich Merz wird viel Rückenwind und ein gutes Ergebnis bekommen. Er hat die Partei aus dem Tal einer schweren Wahlnieder­lage geführt und sie wieder zur stärksten politische­n Kraft in Deutschlan­d gemacht. Damit ist er ein erfolgreic­her CDU-Bundesvors­itzender und die wiederum sind per se natürliche Kandidaten für Kanzlerkan­didaturen. Vor diesem Hintergrun­d werden uns Markus Söder und Friedrich Merz zur gegebenen Zeit einen Vorschlag machen.

„Müssen wir mehr für Sicherheit ausgeben? Ja, ausdrückli­ch!“

Es gibt da unterschie­dliche Lesarten, was den Zeitpunkt angeht. Herr Merz hat den Spätsommer genannt. Ist das nach der Europawahl im Juni oder nach den Landtagswa­hlen im Osten?

Spahn: Der Spätsommer ist, wenn mich nicht alles täuscht, spätestens Ende September vorbei.

Interview: Stefan Lange

Zur Person

Jens Spahn, 43 Jahre, sitzt seit über 20 Jahren für die CDU im Bundestag. Unter dem kürzlich verstorben­en Partei-Granden Wolfgang Schäuble war er Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium, während der Coronapand­emie kämpfte er als Gesundheit­sminister gegen die Seuche.

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Foto: Jonathan Penschek, dpa Der Ex-Minister Jens Spahn findet klare Worte: „Wir brauchen eigentlich einen Masterplan hin zu einem Islam, der wirklich zu Deutschlan­d gehören kann und will.“

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