Gleich zwei Großbäckereien sind insolvent
Mit den Bäckereien Mäschle und Kirsamer leiden zwei Traditionsbetriebe unter den Spätfolgen der Corona-Auflagen. Ihr Berater ist dennoch zuversichtlich.
Senden/Ulm Müssen im Norden von Senden und in Ay bald zwei Bäckereifilialen schließen? Die Frage stellt sich, da mit der Bäckerei Mäschle und der Bäckerei Kirsamer gleich zwei Großbäckereien, die auch im Landkreis Neu-Ulm Backwaren verkaufen, Insolvenz angemeldet haben. Der Fachanwalt Michael Winterhoff, der die beiden Unternehmen als Generalbevollmächtigter vertritt und berät, ist zwar zuversichtlich, dass die Familienunternehmen in den nächsten Monaten wieder auf die Beine kommen. Aber er kündigt im Gespräch mit unserer Redaktion auch an, dass man möglicherweise unrentable Filialen schließen müsse, um sich als Bäckerei mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten „gesundschrumpfen“zu können.
Beide Betriebe blicken auf eine fast 100-jährige Firmengeschichte zurück: Die Bäckerei Kirsamer mit Hauptsitz in Laichingen im AlbDonau-Kreis wurde 1927 gegründet, die Bäckerei Mäschle mit Sitz in Laupheim ein Jahr später. Beide Unternehmen sind ähnlich groß: Bei Mäschle sind nach Angaben von Winterhoff 120 Personen beschäftigt, bei Kirsamer rund 130. Mäschle betreibt insgesamt 14 Filialen, unter anderem in Ay, im Neu-Ulmer Stadtteil Schwaighofen und in Langenau. Kirsamer hat 17 Filialen, mehrere davon befinden sich in Ulm und eine neben dem Finkbeiner-Getränkemarkt an der Berliner Straße in Senden.
Winterhoff betont in seiner Rolle als Generalbevollmächtigter beider Unternehmen: „Wir sind nicht in der Abwicklung, sondern in der Restrukturierung.“Die Eigentümer seien hoch motiviert, die Insolvenzverfahren – in beiden Fällen in Eigenverwaltung – liefen recht gut. Zum Team des Fachanwalts aus Ulm gehören Betriebswirte, Rechtsanwälte, aber auch Verkaufsberater und Bäckereifachspezialisten. Mit deren Hilfe sollen die Produktionen der Bäckereien, der Maschinenpark und die Verkaufsstellen auf Vordermann gebracht und das Personal geschult werden, um die Umsätze wieder zu steigern.
Dabei werden auch die einzelnen Filialen in wirtschaftlicher Hinsicht unter die Lupe genommen: Unrentable Filialen werde man aussortieren und zumachen, sagt Winterhoff. Betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden dann auf andere Filialen verteilt.
„Ganz persönlich halte ich es für ganz wichtig, dass das ursprüngliche Bäckerhandwerk erhalten bleibt und wir nicht von Ketten mit Brotfabriken in Zukunft dominiert werden“, sagt Winterhoff. „Daher setzen wir uns intensiv für das Bäckerhandwerk ein und hoffen, dass unsere Kunden sowohl bei Kirsamer, als auch bei Mäschle uns mit ihren Einkäufen in den Filialen unterstützen.“
Der Unternehmensberater kennt sich inzwischen aus in der Backbranche. Nach eigenen Angaben ist Mäschle nun die vierte Großbäckerei, die er betreut. Die Gründe für die Insolvenzen seien bei allen vier Unternehmen dieselben, berichtet er: Nachwirkungen der Corona-Auflagen, stark gestiegene Personal-, Rohstoff- und Energiekosten sowie ein sehr großer Konkurrenzkampf. In der Hochphase der Pandemie mussten auch Bäckereien ihre Café-Bereiche schließen. Deshalb entgingen ihnen auch Einnahmen beim Verkauf von Snacks, Kuchen und Heißgetränken. Bei den Personalausgaben
spielt Winterhoff zufolge der höhere Mindestlohn eine große Rolle. Wenn ungelernte Kräfte mehr Geld bekämen, dann forderten auch Fachkräfte zu Recht eine bessere Bezahlung, sagt der Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht.
Beim Personal gibt es aus Sicht der Unternehmen aber noch ein anderes Problem: Gerade Bäckereien haben derzeit häufig nicht genügend Beschäftigte, um alle Filialen den ganzen Tag öffnen zu können. Da auch die großen Supermarktketten Backwaren anbieten, seien die Großbäckereien dazu gezwungen, länger zu öffnen, sagt Winterhoff. Ein Geschäft, das zu hat, macht auch keinen Umsatz – deshalb suche man auch neues Personal, was derzeit aber schwierig sei, ergänzt der Berater. Zudem stelle sich bei Traditionsbäckereien immer auch die Frage, wie sie langfristig weitergeführt werden.
Der Rechtsanwalt verweist in dem Zusammenhang auf Christian Mäschle, der neben seinem Bruder Harald geschäftsführender Gesellschafter der Laupheimer Bäckerei ist: „Er hat als Bäcker die ganze Nachtschicht – da finden sie wenig Leute, die bereit sind, so etwas zu machen.“Auch Arbeitszeitmodelle wie eine Drei- oder VierTage-Woche seien in der Position undenkbar.
Sowohl bei Mäschle, als auch bei Kirsamer läuft der Geschäftsbetrieb derzeit regulär weiter. Winterhoffs Ziel ist es, bei Mäschle bis
September einen Insolvenzplan zu erstellen und den Gläubigern ein Vergleichsangebot zu machen. Bei Kirsamer geht er davon aus, dass das Unternehmen am Ende des Jahres wieder nachhaltig ertragreich ist, sodass den Gläubigern auch in dem Fall in einem Insolvenzplan ein Vergleich angeboten werden kann.