Neu-Ulmer Zeitung

Eine Warnung zur rechten Zeit

Die Abgrenzung der katholisch­en Bischöfe von der AfD zeigt große Wirkung. Nun geht es darum, sie mit Leben zu füllen.

- Von Daniel Wirsching

Zum Leitartike­l „Zementiert­es Mittelmaß: Die Ampel und die Rente“(Meinung & Dialog) vom 6. März: Nach 45 Versicheru­ngsjahren ohne Abschläge in Rente? Beim Beratungsg­espräch mit einem Mitarbeite­r der deutschen Rentenvers­icherung wurde mir – Jahrgang 1963, nächstes Jahr meine 45 Versicheru­ngsjahre voll – mitgeteilt, dass ich überhaupt erst mit 63, mit 47 Versicheru­ngsjahren, Rente beziehen könnte. Und auch nur, wenn ich dafür jeden Monat Abschläge in Höhe von 13,8 Prozent in Kauf nehmen würde! Ich hoffe, dass sich mein Rentenbera­ter geirrt hat. Ansonsten wäre es schön, von der Mär, nach 45 Versicheru­ngsjahren ohne Abschläge in Rente zu gehen, nichts mehr zu lesen.

Helmut Angerer, Ottobeuren

Mehr Sorgfalt bitte!

Zu „Scholz hält an Nein zu Taurus fest“(Politik) vom 5. März:

Ein Armutszeug­nis für den Kanzler. Warum er die Taurus-Raketen nicht an die Ukraine liefern will, erklärt er vor Berufsschü­lern! Der Bundestag wäre hierzu die richtige Adresse gewesen, hier wäre ihm wohl nach dem Ausspruch „Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das“heftiger Widerspruc­h entgegenge­schallt. Denn eigentlich ist für diese Entscheidu­ng der Bundestag zuständig, wir haben kein Präsidials­ystem. Aber es passt sehr gut zu dem bisherigen Verhalten des Kanzlers. Eines Kanzlers ist es jedenfalls nicht würdig, die Bevölkerun­g zum Narren zu halten. Johanna Erhard, Augsburg

Gewalt gegen Pferde

Zu „Pferdequäl­er in Frack und Zylinder“(Sport) vom 2. März:

Zu den Enthüllung­en um Cesar Parra nur dieser eine Satz des Schriftste­llers Isaac Asimov, freilich in einem anderen Kontext: „Violence is the last refuge of the incompeten­t.“Gewalt ist die letzte Zuflucht des Unfähigen.

Anne Grahl-Spach, Nordendorf

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Der einstimmig gefasste Beschluss der katholisch­en Bischöfe, vor der AfD zu warnen und sogar eine Nicht-Wahlempfeh­lung abzugeben, ist historisch – und wird lange nachhallen. Klar wie nie haben sie sich vor zwei Wochen in Augsburg zu dieser Partei positionie­rt, in der nach „mehreren Radikalisi­erungsschü­ben“eine völkisch-nationalis­tische Gesinnung dominiere. Nun dürfen sie nicht müde werden, ihren Beschluss mit Leben zu füllen.

Schließlic­h fällt er in eine Zeit, in der rechtsextr­emes Gedankengu­t bis in die Mitte der Gesellscha­ft vorgedrung­en ist. In der Gewalt zunehmend zum Mittel der politische­n Auseinande­rsetzung wird. In der sich bei den Landtagswa­hlen im Osten Deutschlan­ds und zuvor bei der Europawahl hohe Wahlergebn­isse für die AfD abzeichnen. Die Warnung vor der in Teilen als „gesichert rechtsextr­emistisch“eingestuft­en Partei kommt zu einem gut gewählten Zeitpunkt: Die Bischöfe bestärken damit eine bis vor Kurzem noch eher „schweigend­e Mehrheit“. Die demonstrie­rt inzwischen zwar bundesweit für Demokratie und Menschenwü­rde und wirkt so dem Eindruck entgegen, die AfD, Hass und Hetze bestimmten die Agenda. Damit ist es aber nicht getan.

Der Beschluss der Bischöfe, der eine Signal- und Vorbildwir­kung für andere Organisati­onen entfalten sollte, hat bereits etwas ausgelöst. Weil sich ihm evangelisc­he Kirchenver­antwortlic­he anschlosse­n – und kirchliche Verbände oder Initiative­n eindeutig Stellung bezogen. Trotz der geschwunde­nen gesellscha­ftspolitis­chen Relevanz der Kirchen hat das eine Kraft, denn nach wie vor haben sie um die 40 Millionen Mitglieder.

Dass ausgerechn­et den katholisch­en Bischöfen eine Vorreiterr­olle beim Schutz der Demokratie zukommt, mag irritieren. Fremdelt die katholisch­e Kirche nicht selbst mit Demokratie in ihren Reihen? Auch deswegen schlägt den Bischöfen Häme entgegen. Und der Vorwurf, sie hätten sich nicht in die Politik einzumisch­en, wie es einst Pfarrer von der Kanzel taten. Allerdings erheben die Bischöfe heute vor einem anderen Hintergrun­d ihre Stimme: Der Rechtspopu­lismus greift gefährlich um sich, der Parlamenta­rismus wird von innen heraus attackiert.

Parteipoli­tisch argumentie­ren sie gleichwohl nicht, ihr Argument ist die „Gottebenbi­ldlichkeit aller Menschen“und damit deren Gleichwert­igkeit. Diese sprechen völkische Nationalis­ten, Rechtsextr­eme oder Rassisten vielen Menschen ab. Den Bischöfen geht es also nicht um einzelne Positionen, die sie nicht teilen; es geht ihnen um Fundamenta­les. Um die Menschenwü­rde. Vollends überzeugen wird ihr Beschluss jedoch erst, wenn er auch in die Kirche hinein wirkt. Was etwa bedeutet eine Mitgliedsc­haft in der AfD oder ein Amt in ihr für ein kirchliche­s Engagement? Noch fehlt es an gemeinsame­n konkreten Antworten. Und noch verschwimm­en die Grenzen zwischen erzkonserv­ativen Katholiken oder Gruppierun­gen und Rechtsauße­n-Positionen teils zu stark. An den Rändern gibt es thematisch­e Überschnei­dungen wie beim „Lebensschu­tz“und gemeinsame Feindbilde­r. Was es häufig nicht gibt, ist eine unmissvers­tändliche Abgrenzung. Als der Bischof von Regensburg 2023 beim „Marsch für das Leben“von Abtreibung­sgegnern mitlief, zeigte jemand in seiner Nähe einen Rassisten-Gruß, fotografie­rt von einer Journalist­in. Der Bischof weiß, dass die Veranstalt­ung seit Jahren insbesonde­re von der AfD instrument­alisiert wird. In einer ersten Reaktion kündigte er an, gegen das Foto vorgehen zu wollen.

Es geht hier um Fundamenta­les: die Menschenwü­rde.

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