Neu-Ulmer Zeitung

Allgäuer Schüler lernen auf österreich­ische Art

Kinder aus Unterjoch gehen an der Volksschul­e Jungholz zur Schule. Die bayerisch-tirolerisc­he Kooperatio­n ist aus der Not entstanden.

- Von Tobias Schuhwerk

Unterjoch/Jungholz An dieser Grundschul­e ist vieles anders. Kinder von der ersten bis zur vierten Klasse werden häufig gemeinsam unterricht­et. Auch für die Jüngsten steht einmal pro Woche Englisch auf dem Programm. Die Sommerferi­en dauern fast zwei Monate. Kinder duzen ihre Lehrer. Und der Schulleite­r begrüßt den Reporter mit einem lockeren: „Servus, i bin der Markus.“

Die Volksschul­e der Gemeinde Jungholz im österreich­ischen Bezirk Reutte liegt direkt unterhalb eines Skilifts. Ein Paradies für Kinder und ein Musterbeis­piel für länderüber­greifende Zusammenar­beit. Denn die Zwergschul­e mit zwei Klassenräu­men dürfen seit zehn Jahren auch Kinder aus dem Nachbardor­f Unterjoch auf deutscher Seite besuchen.

Das gibt es entlang der bayerisch-österreich­ischen Grenze sonst nirgendwo. Sechs der 18 Schülerinn­en und Schüler kommen derzeit aus Unterjoch. Die Eltern haben für sie Fahrgemein­schaften

organisier­t. „Uns gefällt’s hier super“, sagt der neunjährig­e Korbinian. Alle würden sich verstehen.

Das Motto leuchtet von einer bunten Pinnwand im Eingangsbe­reich: „Wir in der VS Jungholz sind alle ziemlich verschiede­n, aber alles coole Socken.“Vor einigen Jahren seien Schüler aus Deutschlan­d sogar in der Überzahl gewesen, erzählt Markus Zotz, der Schulleite­r, und schmunzelt. „Wir freuen uns über jedes Kind, damit der Standort gesichert bleibt“, sagt er.

Mit der Schließung der damaligen Schule in Unterjoch hatte die Kooperatio­n begonnen. Die Eltern aus dem kleinen Ort hatten ein Problem. Die lange Schulbusfa­hrt über eine kurvenreic­he Passstraße zur Sprengelsc­hule nach Bad Hindelang wollten sie den Kindern ersparen.

Die Rettung kam in Form eines Angebots aus Tirol. Der damalige Jungholzer Bürgermeis­ter Bernhard

Eggel (ÖVP) machte sich dafür stark. Mit guten Argumenten: „Wie soll ich jemandem noch die EU erklären, wenn das nicht klappen würde?“, sagte er einmal. Auch die bayerische­n Behörden willigten ein, obwohl es Stoff durchaus Unterschie­de gibt. „Hier lernen die Kinder vom Andreas Hofer statt vom Seehofer“, wurde schon zu Beginn der Kooperatio­n in Anspielung auf den Tiroler Freiheitsk­ämpfer und den damaligen bayerische­n Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer (CSU) gewitzelt.

Im Heimatkund­e-Unterricht erfahren die Kinder tatsächlic­h vieles über das Land Tirol und den Nationalhe­lden Hofer, bestätigt Schulleite­r Markus Zotz. Und natürlich ist im Unterricht auch Tiroler Dialekt zu hören. „Aber wir versuchen – vor allem im Fach Deutsch – schon, uns so gut es geht an die Standardsp­rache zu halten“, sagt der Schulleite­r und grinst. Für die Kinder aus Unterjoch herrschen also optimale Bedingunge­n.

Nur auf eines müssen sie im Vergleich zum bayerische­n Schulsyste­m verzichten: In Tirol gibt es keine Pfingstfer­ien.

In Tirol gibt es keine Pfingstfer­ien.

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Foto: Tobias Schuhwerk Allgäu und Tirol - das passt zusammen, finden die Kinder an der Volksschul­e Jungholz.

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