AnnenMayKantereit auf Platz 1 eingestiegen
Das Deutschpop-Trio AnnenMayKantereit hat sich mit seinem neuen Werk „Es ist Abend und wir sitzen bei mir“direkt Platz eins der deutschen Album-Charts gesichert. Es ist die zweite Spitzenplatzierung der Kölner nach „Alles nix Konkretes“aus dem Jahr 2016, wie GfK Entertainment am Freitag mitteilte. Weitere Neueinsteiger folgen auf den nächsten Plätzen: Der Berliner Rapper Ufo361 ist mit „Love My Life“Zweiter vor der britischen Band Genesis („BBC Broadcasts“, drei) und Sänger Wolfgang Petry („Stark wie wir“, vier). Ein Wiedereinstieg gelingt Rapper Alligatoh mit „Rotz & Wasser“. In den Single-Charts feiern Udo Lindenberg & Apache 207 ihre sechste Nummer-eins-Woche am Stück. „Komet“ist damit laut GfK Entertainment der am längsten an der Spitze platzierte Song seit dem letztjährigen Sommerhit „Layla“(DJ Robin & Schürze), der insgesamt neun Mal die Top 100 angeführt hatte. Die nächsten Plätze gehen unverändert an Miley Cyrus („Flowers“, zwei) und Ayliva feat. Mero („Sie weiß“, drei). (dpa)
Neuerdings sagen die Leute zu jeder sich bietenden Gelegenheit: „I can buy myself flowers“. Diese Schlüsselzeile aus Miley Cyrus‘ Hit „Flowers“ist innerhalb weniger Wochen zu einem Schlachtruf der weiblichen Selbstermächtigung geworden. Lass mal gut sein, ich kann mir meine Blumen selbst kaufen. Passt immer, wenn sich jemand an einen ranwanzt mit blödem Gelaber, unerwünschten Avancen oder auch nur dem unstillbaren Drang, der anderen, oft weiblichen, Person mal wieder erklären zu wollen, wie der Hase so läuft.
„Flowers“, Anfang Januar veröffentlicht und seitdem in den großen Popländern auf Platz Eins der Charts, ist aber auch ein genialer
Cyrus macht deutlich: Sie bekommt die Sache mit der Selbstliebe und dem Solosein hin
Song. Freundlich und unaufdringlich, um niemanden zu verstören und dann auch eine Hymne. Wenig verklausuliert thematisiert Cyrus darin die Scheidung von dem australischen Schauspieler Liam Hemsworth (man war zehn Jahre zusammen, ein Jahr verheiratet, 2019 war Schluss). Aber das tut sie nicht so bitterböse wie Shakira auf ihrer Gerard-Piqué-Abrechnung „BZRP Music Sessions #53“, sondern mit einem gewissen Rest an Zuneigung. Cyrus macht deutlich, dass sie die Sache mit dem Solosein und der Selbstliebe hinbekommen wird.
Auch als Song ist „Flowers“ein Knaller. Griffig und melodisch, ein phänomenales Video, eine Miley mit herrlich honiggerösteter Stimme, und dann dieser „Wir werfen die Hände in die Luft“-Moment im Refrain, wenn Miley „I can love myself better than you can“singt – ich kann mich besser lieben, als du es je konntest. Das erinnert die Älteren schon sehr an Gloria Gaynors „I Will Survive“, adaptiert für die Generation TikTok und Selfcare. Mit 30 Jahren ist es Cyrus auf „Flowers“wie nie zuvor gelungen, ihr überbordendes Charisma in ein maximal gelungenes Pop-Kunstwerk zu übertragen. Auf dem Weg zur jungen Ikone ist sie einen Riesenschritt vorangekommen.
Mit dem massiven Rückenwind von „Flowers“hat Miley Cyrus mit ihrem achten Album „Endless Summer Vacation“leichtes Spiel. Interessant: Vor Veröffentlichung war so gut wie nichts darüber durchgesickert, wie die Platte klingen würde. Das ist bei Cyrus keineswegs immer klar. Sie ist stilistisch nach allen Seiten offen. Auf „Endless Summer Vacation“ scheint die Tochter des Countrysängers Billy Ray Cyrus („Achy Breaky Heart“) nah bei sich selbst und ihren Wurzeln angekommen zu sein. Vor allem der erste Teil des Albums erfreut mit wunderbar warmen Klangfarben, mit Country und Folk, mit viel Gitarre, Piano und überhaupt Handgemachtem.
Man fühlt sich wohl und gut aufgehoben in den Songs mit ihrem dezenten 70ies-Einschlag. „Jaded“klingt wie eine lauschige Midtempo-Mischung aus „Crazy“von Aerosmith und „Purple Rain“von Prince, „Rose Colored Lenses“erinnert an die ruhigen Nummern von Taylor Swift. Die ungeheuer schöne Akustikpianoballade „Thousand Miles“, eine Kollaboration mit Alternative-Country-Ikone
Brandi Carlile, ist ein Höhepunkt des Albums, „You“ist eine lässige Bar-Blues-Nummer. Inhaltlich setzt sich Cyrus in diesen Songs oft mit ihrer gescheiterten Beziehung auseinander, erneut ist viel Bedauern dabei sowie die Erkenntnis, dass Liebe manchmal eben nicht genug ist – vor allem, wenn sie sich allmählich verflüchtigt wie die Luft aus einem Ballon.
Ein wenig Luft entweicht freilich auch im zweiten Teil von „Endless Summer Vacation“. „Handstand“ist von einer SpokenWord-Passage getragen und lässt mit seinen Electrospielchen fast an Michael Cretus Enigma erinnern. Ohnehin kommen nun mehr Beats und mehr Bearbeitung ins Spiel, was den Liedern eher nicht so guttut. Stark ist noch mal Sias wütender Gastauftritt im kompakten „Muddy Feet“(hier ist es im Text auch mal gut mit der Empathie, „Verpiss dich aus meinem Haus“lautet eine Zeile). Und die neue Single „River“hat eine knackige, fröhlich klingende Synthie-Melodie, kommt indes nicht an das Grandiose von „Flowers“ran.
An dem schnuppert Cyrus ganz am Ende noch mal mit „Wonder Woman“, einer hinreißend gesungenen Stimme-und-Klavier-Ode an die Resilienz und das Kopfüber-Wasser-Halten in den Sturmfluten des Lebens. „She knows what she likes“singt Miley. Sie weiß, was sie mag. Sie weiß, was sie will. Sie weiß, was sie kann. Und das ist sehr viel.