Kiloweise Drogen bei SEK-Einsatz
Polizei und SEK finden in der Wohnung eines 30-Jährigen im Neu-Ulmer Stadtteil Pfuhl kiloweise Rauschgift, darunter Kokain. Die Droge ist im Landkreis im Kommen.
Neu-Ulm Es war gegen 19 Uhr, als die Polizei mitsamt SEK am Freitag vergangener Woche in Pfuhl anrückte. „Das hat jeder mitbekommen“, berichtet eine Anwohnerin. Beamte mit Pistolen und Sturmhaube zogen durchs Treppenhaus bis nach ganz oben. Langwierige Ermittlungen hatten zur Festnahme eines 30-Jährigen geführt. In seiner Wohnung fanden Beamte eine stattliche Menge an Bargeld und Drogen: circa zehn Kilogramm Marihuana sowie 1,5 Kilogramm Kokain. Es war einer der größten Sicherstellungen der vergangenen Jahre im Landkreis. Dabei ist das wohl nur die Spitze des Eisbergs. Der Beschuldigte ist in der Szene kein Unbekannter. Es finden sich Verbindungen zu einschlägig bekannten Brüdern aus dem Rotlichtmilieu in Ulm und Neu-Ulm.
Die Dachgeschosswohnung in dem Mehrfamilienhaus im östlichen Neu-Ulmer Stadtteil wird der 30-Jährige vermutlich so schnell nicht mehr benötigen. Nach seiner Festnahme sitzt der Mann in Untersuchungshaft. An diesem Donnerstag, sechs Tage später, sind zwei Männer und eine Frau bereits dabei, die Zimmer zu räumen. Neben Kinderschuhen von Nachbarn türmen sich gefüllte Kisten im Gang. Nach einem geordneten Umzug sieht es nicht aus. Über den Polizeieinsatz sprechen wollen die Personen nicht: „Da gibt’s nichts dazu zu sagen“, sagt einer der Männer.
Doch auch die Ermittler halten sich mit näheren Angaben zurück. Die Polizei verweist an die Staatsanwaltschaft in Memmingen. Doch auch hier ist von Behördensprecher Thorsten Thamm aufgrund des laufenden Verfahrens und noch ausstehender Nachforschungen im Bereich der strukturierten Rauschgiftkriminalität nicht mehr in Erfahrung zu bringen. Seit bereits Mitte vergangenen Jahres schon werde gegen den damals noch 29-Jährigen ermittelt. Er soll seit geraumer Zeit in der Szene aktiv sein und mehrfach unerlaubt Betäubungsmittelgeschäfte abgewickelt haben. Durch gezielte Maßnahmen hätten weitere Erkenntnisse generiert und kriminaltaktische Vorbereitungen getroffen werden können, die nun zur Festnahme führten.
Zwar wird der Beschuldigte als „nett“und „guter Basketballer“beschrieben. Wie er sich aber einen
Mercedes AMG leisten kann, darüber wunderte sich mancher dann doch. Seinen Job habe er angeblich einst gekündigt, um sich selbstständig zu machen. Am Briefkasten seiner Wohnung und unter seinem Namen findet sich im Internet eine Firma, die sich demnach mit dem Import und Vertrieb von Shishakohle befasst.
Aus Ermittlerkreisen ist zu hören, dass seine Person schon vor wenigen Jahren mal im Zusammenhang mit dem Rotlicht- und Rauchgiftmilieu aufgefallen sei. In Fitnessstudios soll er dafür bekannt gewesen sein, Rauschgift zu verkaufen. Doch zu einem Verfahren sei es nicht gekommen. Ganz im Gegensatz zu Personen aus seinem „Dunstkreis“. Geschäftspartner und er selbst hatten, zumindest in früheren Jahren, unter anderem Kontakte zu in der Doppelstadt einschlägig bekannten Brüdern und Betreibern einer Ulmer Shisha-Bar, die auch Mitglieder einer rockerähnlichen Gruppierung sind. Im Zusammenhang mit dem aktuellen Verfahren aber, so der Oberstaatsanwalt, sei deren Name bislang nicht aufgetreten.
Die beschlagnahmten Drogen, das „weiche“Marihuana und das „harte Rauschgift“Kokain, seien im Landkreis Neu-Ulm „im Kommen“,
berichtet Polizeihauptkommissar Oechsle. Gerade Marihuana, eine Droge, die möglicherweise legalisiert werden könnte, werde immer öfter konsumiert. „Was vor zehn Jahren noch eine große Menge war, ist heute nicht mehr viel.“Aber auch Kokain werde „quer durch alle Schichten“immer mehr konsumiert. Dafür spreche nicht nur die Statistik, sondern auch sein subjektives Gefühl.
Die Mengen-Statistik des sichergestellten Kokains sei nur bedingt aussagekräftig, was den Konsum der gefährlichen Droge im Kreis Neu-Ulm angehe. Denn die verkehrsgünstig gelegene Region ist von Autobahnen durchzogen, sodass viele der sichergestellten Betäubungsmittel hier nur auf der Durchreise zu anderen Zwischenhändlern sind. „Kommissar Zufall“spielt hier eine große Rolle. Bei Funden dieser Größenordnung wie in Pfuhl könnte es mögliche „Folgeverfahren“geben.
Im vergangenen Jahr beschlagnahmte die Polizei im Landkreis Neu-Ulm 16,4 Kilogramm Kokain. Und erstmals auch Crack. Zwar nur 1,5 Gramm. Die Polizei ist sich bewusst, dass sie nur einen Bruchteil der kursierenden Drogen findet. Als Hinweis auf eine grundsätzliche Verbreitung können aber auch wenige Gramm dienen. Entwarnung gibt Polizeihauptkommissar Oechsle, was eine noch gefährlichere Droge angeht: Crystal Meth. Diese synthetisch hergestellte Substanz mit einem der höchsten Abhängigkeitspotenziale sei im Kreis Neu-Ulm kaum verbreitet. „Da gibt es bei uns nur Sicherstellungen im Einzelfall.“Im ostbayerischen Grenzgebiet zu Tschechien sei das anders.
Das kokainreichste Jahr für die Drogenfahnder im Kreis Neu-Ulm war 2020: 37 Kilo wurden beschlagnahmt. Die Mengen im Kilogrammbereich stellen herausragende Einzelfälle dar. In anderen Jahren sind die Funde geringer: Nur zwölf Gramm waren es 2018, knapp 500 Gramm 2019 und 74 Gramm 2021. Wobei diese Sicherstellungsmengen nur „größere“Aufgriffe beinhalten. Kleinere Sicherstellungen, wenn etwa eine Person ein „Briefchen“mit 0,1 Gramm Kokain mit sich führt, bleiben unberücksichtigt. Zudem seien die Zahlen als Näherungswerte zu betrachten. Denn sie enthalten auch keine Angaben zum Reinheitsgrad, es geht also aus der Statistik nicht hervor, ob die Betäubungsmittel bereits zum „Endverkauf“vorbereitet waren oder noch „gestreckt“werden sollten.