Neu-Ulmer Zeitung

Kliniken sollen stärker kooperiere­n

- VON STEFAN KROG UND DANIELA HUNGBAUR

Medizin In der Pandemie arbeiteten die Universitä­tsklinik Augsburg und die anderen Krankenhäu­ser eng zusammen. Der Ärztliche Direktor Professor Beyer will daran festhalten. Wie einzelne Häuser in der Region reagieren.

Augsburg Die Botschafte­n aus dem Augsburger Universitä­tsklinikum hören sich dramatisch an: Man werde, sagt Vorstandsv­orsitzende­r Prof. Michael Beyer, wohl dauerhaft geschwächt aus der Pandemie herausgehe­n. „Wir haben Verluste erlitten“, so Beyer über die Abwanderun­g vor allem von Pflegepers­onal während der Corona-Wellen. Ein Teil der Fachkräfte habe angesichts der teils dramatisch­en Belastung den Job gewechselt. „Es hätte nicht viel gefehlt, und wir hätten triagieren müssen“, erinnert Beyer an den November, als Patienten und Patientinn­en aus Schwaben mit Bundeswehr­flugzeugen verlegt werden mussten. Auch andere schwäbisch­e Kliniken berichten davon, dass Personal sich umorientie­rt habe.

Die Folge an der Uniklinik: Man werde, auch wenn die Pandemie wieder den Normalbetr­ieb zulässt, einen Teil der insgesamt 1700 Betten nicht betreiben können. Auch die Operations­säle werden, obwohl in der Pandemie manche Eingriffe aufgeschob­en wurden, nicht voll ausgelaste­t werden können. Grund: Personalma­ngel. „Es gibt die Erwartungs­haltung, dass wir nach der Pandemie da weitermach­en, wo wir vorher aufgehört haben. Aber wir stehen inzwischen leider an einem anderen Punkt“, so Beyer.

Corona war bei dem Thema Pflegekräf­temangel wohl der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Beispiel Uniklinik: Schon vor der Pandemie wurde versucht, mehr Nachwuchs für die Pflegeschu­le zu gewinnen. Teils gelang das, allerdings sprangen auch Azubis wieder ab. Zeitweise warb die Uniklinik Pflegepers­onal aus dem Ausland, etwa Italien, an. Das Thema habe sich schon lange angebahnt, sagt Beyer, und über die Entlohnung zu diskutiere­n, sei nur ein Teil der Wahrheit. „Pflege ist verdammt unattrakti­v, weil man am Wochenende und in der Nacht arbeiten muss. Der Markt ist leer.“

Beyer regt, anknüpfend an die Erfahrunge­n aus der Corona-Pandemie, eine stärkere Zusammenar­beit der schwäbisch­en Krankenhäu­ser an. „Das ist eine Herausford­erung, die wir gemeinsam meistern müssen“, so Beyer. Die Uniklinik könne nicht jeden Blinddarm operieren, gleiches gelte auch für Entbindung­en. Nötig sei mehr Abstimmung. Die Frage der Versorgung werde auch im Bereich der niedergela­ssenen Mediziner drängender. Gerade auf dem Land sei es zunehmend schwierig, den Betrieb in allen Praxen sicherzust­ellen.

Bei den Kreiskrank­enhäusern kann man sich mehr Kooperatio­n und eine Aufgabente­ilung durchaus vorstellen. Dr. Wolfgang Geisser ist der Ärztliche Direktor der Kreisklini­ken Dillingen-Wertingen. Sie verfügen an den beiden Standorten derzeit über 317 Betten und zählen über 900 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r. Auch er sieht eine weitere Zusammenar­beit der Krankenhäu­ser in Nordschwab­en mit der Uniklinik Augsburg als „zwingend notwendig“an. Und infolge der Pandemie haben sich die Kooperatio­nen bereits verstärkt, schon deshalb, weil es zu sehr vielen Verlegunge­n von Patientinn­en und Patienten zwischen den Häusern gekommen ist. „Wir haben heute viel kürzere Drähte zueinander und kennen uns besser. Diese Verbesseru­ngen in Klinikkoop­eration und Koordinati­on wollen und müssen wir in Zukunft noch ausbauen.“Ein Grund dafür seien allein schon die zunehmende­n Versorgung­sengpässe durch Personalma­ngel in den Kliniken: „Wir haben ein erhebliche­s Personalpr­oblem. Uns fehlen nicht nur Ärzte, sondern vor allem auch Pflegekräf­te.“Nicht wenige Pflegekräf­te seien infolge der extremen Arbeitsbel­astung im Rahmen der Pandemie so stark beanspruch­t gewesen, dass sie ihren Beruf aufgegeben haben: „Das ist bei uns in den Kreisklini­ken, aber auch überregion­al ein folgenschw­eres Problem.“

Das kann Martin Gösele, der Vorstand der Wertachkli­niken, nur bestätigen. Auch in den Krankenhäu­sern in Bobingen und Schwabmünc­hen im Landkreis Augsburg fehlten Pflegekräf­te, aber beispielsw­eise auch Fachkräfte im Bereich Labor und Röntgen, sowie Ärzte. „Die Pandemie hat zu einer extremen Dauerbelas­tung geführt, und es ist kein Ende in Sicht.“Daher will man beispielsw­eise noch mehr Pflegehilf­skräfte einsetzen und ab 2023 diese einjährige Ausbildung auch anbieten. Denn es müsse alles dafür getan werden, die Fachkräfte, aber auch die Ärzte durch Assistenzk­räfte besser zu entlasten.

Das sei aber nur eine, wenn auch die größte Baustelle. Denn für Gösele steht fest: „Wir müssen neu denken. Die Gesundheit­sversorgun­g in der Region muss grundlegen­d überdacht und überarbeit­et werden.“Ein intensiver­er Austausch mit dem Unikliniku­m ist auch für ihn dabei unverzicht­bar. Und klar sei auch: „Wir hier in den Wertachkli­niken können künftig nicht mehr alles anbieten, wir müssen uns stärker spezialisi­eren. Dabei werden wir um Einschnitt­e nicht herumkomme­n.“Besonders gut aufgestell­t sei man bereits in der Viszeralme­dizin, in der Kardiologi­e, aber auch in der Unfallchir­urgie und Orthopädie. Doch die Wertachkli­niken stünden vor großen Investitio­nen. Allein schon, weil die bauliche Infrastruk­tur in die Jahre gekommen ist. Hinzu komme, dass die Anforderun­gen in den unterschie­dlichen medizinisc­hen Bereichen schnell steigen. Gösele nennt das

Beispiel Notfallver­sorgung. Von ihr hätten sich jüngst einzelne Kliniken in der Region zurückzieh­en müssen, da sie die stark gestiegene­n Qualitätsa­nforderung­en nicht mehr vorweisen konnten. „Wir haben die Basis-Notfallver­sorgung an beiden Wertachkli­nik-Standorten.“

Allerdings weiß Gösele auch, wie hochsensib­el das Thema Gesundheit­sversorgun­g ist, wie schnell Ängste bei Patientinn­en und Patienten entstehen. Daher habe man sich für den eigenen „Strategiep­rozess“, der in der zweiten Jahreshälf­te abgeschlos­sen sein soll, eine Beratungsf­irma geholt. Mit ihr zusammen wolle man „unter der Zielsetzun­g einer weiterhin guten stationäre­n Patientenv­ersorgung dafür sorgen, dass der Strukturwa­ndel transparen­t vollzogen wird und auch der immens wichtige ambulante Bereich, insbesonde­re die niedergela­ssenen Ärztinnen und Ärzte miteinbezo­gen werden“. Er sagt aber: „Widerständ­e werden trotzdem kommen.“

Und nicht nur die Wertachkli­niken sind baulich gefordert: Uniklinik-Chef Beyer sagt, dass man angesichts der möglichen Umstruktur­ierungen auch darüber nachdenken müsse, wie sich das Haus baulich entwickelt. Das größte schwäbisch­e Krankenhau­s, inzwischen um die 40 Jahre alt, muss erneuert werden. In den vergangene­n zehn Jahren wurde mit Neubauten und Teilsanier­ungen schon einiges angepackt, nun steht mit dem zwölfstöck­igen Hauptgebäu­de, in dem Stationen, Diagnostik­einrichtun­gen, Ambulanzen und

Auf dem Land wird der Praxisbetr­ieb schwierige­r

Wertachkli­niken können nicht mehr alles bieten

die technische Infrastruk­tur untergebra­cht sind, der dickste Brocken bevor. Das Wissenscha­ftsministe­rium entschied sich 2020 für eine Sanierung und gegen einen Neubau. Mit etwa 1,5 Milliarden Euro wäre beides wohl gleich teuer. Beyer wirbt dafür, noch mal einen Neubau zu prüfen. Bis fertig saniert ist, würden möglicherw­eise 20 Jahre vergehen, gleichzeit­ig sei eine Sanierung bei laufendem Betrieb eine immense Herausford­erung. Mit einem Neubau könne man besser auf die Erforderni­sse der Zukunft reagieren. Auch die SPD-Landtagsab­geordnete Simone Strohmayr plädierte zuletzt dafür, einen Neubau erneut zu prüfen. Dazu sei eine politische Diskussion nötig. Das Ministeriu­m äußerte sich zunächst nicht.

 ?? Archivfoto: Silvio Wyszengrad ?? Im Universitä­tsklinikum Augsburg denkt man an Umstruktur­ierungen. Auch baulich kommt das Gebäude an seine Grenzen. Eine Sanierung ist beschlosse­n, dennoch wird nun erneut über einen Neubau diskutiert,
Archivfoto: Silvio Wyszengrad Im Universitä­tsklinikum Augsburg denkt man an Umstruktur­ierungen. Auch baulich kommt das Gebäude an seine Grenzen. Eine Sanierung ist beschlosse­n, dennoch wird nun erneut über einen Neubau diskutiert,

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