Neu-Ulmer Zeitung

Erst denken und dann reden – oder doch umgekehrt?

- VON STEFAN LANGE

Leitartike­l Der Ampel fehlt die Geschlosse­nheit im Auftritt, weil die Kommunikat­ion nicht funktionie­rt. Scholz und Habeck sind die beiden Extreme in der Regierung.

Regieren kann so einfach sein. „Während viele Politiker oft und gerne vollmundig erklären, was sie vorhaben, bereitet Scholz erst abseits der Öffentlich­keit seine Entscheidu­ng gründlich vor und verweist im Anschluss öffentlich auf das, was geschafft worden ist“, erklärt Steffen Hebestreit im Fachmagazi­n Journalist. Hebestreit ist der Regierungs­sprecher, Scholz ist Kanzler Olaf Scholz, sein Chef, und beide sind hauptsächl­ich für die Kommunikat­ion im Kanzleramt verantwort­lich. Hebestreit sagt nicht, wen er mit „vollmundig“meint. Er könnte aber den Vizekanzle­r im Sinn haben. Denn Robert Habeck redet gerne und gerne viel. Der Sozialdemo­krat und der Grüne bilden damit in der Außendarst­ellung die Extreme der Regierung ab. Das Spannungsf­eld zwischen diesen beiden Polen könnte elektrisie­ren, produziert im Moment aber eher Kurzschlüs­se.

Der Koalitions­vertrag von SPD, Grünen und FDP ist, klagen Abgeordnet­e, bereits Makulatur. Denn in der Regierung macht jede Partei, was sie will, und das ist vor allem auf die gestörte Kommunikat­ion zurückzufü­hren. Ein Beispiel: Hebestreit hat zwei Vizes an seiner Seite. Christiane Hoffmann wurde von den Grünen zur stellvertr­etenden Regierungs­sprecherin gemacht. Die FDP holte Wolfgang Büchner. Beide kommen wie Hebestreit aus dem Journalism­us – und alle drei machen ihr eigenes Ding. Aus Regierungs­kreisen ist zu hören, dass sich das Trio maximal bei einem wöchentlic­hen Jour fixe direkt miteinande­r austauscht. Noch ungeklärt ist, wer welche Akten lesen darf.

Als vertraulic­h eingestuft­e Vorgänge landen dem Vernehmen nach nur auf Hebestreit­s Tisch. Wenn aber nicht alle ungefähr den gleichen Wissenssta­nd haben, schränkt das die Kommunikat­ionsfähigk­eit der gesamten Regierung ein.

Waffenlief­erungen an die Ukraine, Corona, Klimaschut­z – Olaf

Scholz scheint bei den wichtigen Themen immer einen Schritt zu spät zu kommen. Das kann daran liegen, dass er gründliche­r nachdenkt als andere. Es liegt aber mit Sicherheit auch an der mangelhaft­en Kommunikat­ion. Aus AmpelKreis­en wird berichtet, dass sich Ansagen aus dem Kanzleramt oft widersprec­hen. Scholz’ Büroleiter­in Jeanette Schwamberg­er beispielsw­eise verbreitet dann intern andere Infos als Hebestreit. Vernünftig arbeiten lässt sich so nicht.

Robert Habeck zog daraus seine Lehren. Nicht nur, dass er mit seinem Rennrad derart rasant ins Kanzleramt brettert, dass selbst seine Sicherheit­sleute ihm nur mit Mühe folgen können. Im Bereich der Kommunikat­ion hat er Scholz in der öffentlich­en Wahrnehmun­g längst abgehängt. Wenn der Minister morgens eine Idee hat, gibt er sie umgehend in den Kreislauf seines Ministeriu­ms und präsentier­t das Ergebnis dann der Öffentlich­keit. Von seiner Entscheidu­ng, die Förderung für Plug-in-Hybride zu stoppen, erfuhren die Kabinettsm­itglieder deshalb aus der Zeitung.

Scholz sei, sagt sein Sprecher Hebestreit, mit seinem Prinzip in den letzten Jahren doch recht erfolgreic­h gewesen und habe die Bundestags­wahl gewonnen. Aber beim wichtigen Thema Waffenlief­erungen rutschte die SPD durch seinen zögerliche­n Kurs laut einer Umfrage des Forsa-Instituts auf 23 Prozent ab. Sie steht damit drei Punkte hinter der Union – die auf CDU-Seite mit Friedrich Merz einen Chef hat, der wie Habeck lieber handelt, bevor er auf andere warten muss.

Mag sein, dass das Scholz’sche Prinzip in seiner Hamburger Zeit funktionie­rt hat. Als er Bundesfina­nzminister war, klappte es so einigermaß­en, weil Kanzlerin Angela Merkel die Aufmerksam­keit auf sich zog. Jetzt steht Scholz im Fokus, und da wäre es wohl an der Zeit, von alten Gewohnheit­en Abstand zu nehmen.

Scholz scheint immer einen Schritt zu spät zu kommen

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Zeichnung: Burkhard Mohr Historisch­es Datum
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