Neu-Ulmer Zeitung

Jetzt gibt’s genauso viel wie für den Streif‐Sieger

- VON THOMAS WEISS

Vierschanz­entournee Schon seit vielen Jahren wird darüber diskutiert, wie viel Preisgeld der Gesamtsieg­er verdient und wie viel er wirklich bekommt. Die knapp 100.000 Euro bezeichnet Karl Geiger als Zeichen der Wertschätz­ung.

Oberstdorf Heikle Geschichte mit dem Geld. Eigentlich will keiner drüber reden. Und doch tun es die Skispringe­r schon seit vielen Jahren. Immer dann, wenn die Scheinwerf­er zwischen Weihnachte­n und Heiligdrei­könig bei der Vierschanz­entournee besonders hell auf die waghalsige­n Springer scheinen, kommt die Diskussion neu auf. Diesmal wird aber nicht mehr lamentiert, dass es doch endlich mal ein bisschen mehr sein dürfte. Diesmal freuen sich Kobayashi, Geiger und Kraft über eine „Tariferhöh­ung“, die sogar Gewerkscha­ftsfunktio­näre von Bahn und Lufthansa vor Neid erblassen lässt. Das Preisgeld für den Sieger der Tournee wird verfünffac­ht – von bislang 20.000 auf künftig 100.000 Schweizer Franken (rund 96.000 Euro). Und den goldenen Adler als Trophäe gibt es obendrauf.

Ex-Bundestrai­ner Werner Schuster und Ex-Topspringe­r Martin Schmitt spotteten auf Eurosport, der Verdienst gehe ja schon in Richtung

Profifußba­ll, und wussten doch, dass eine der beliebtest­en Winterspor­tdisziplin­en den Berufsfußb­allern noch weit hinterherh­inkt. Cristiano Ronaldo, hat der TV-Sender Sky 2018 nach dessen Wechsel von

Real Madrid zu Juventus Turin einmal vorgerechn­et, verdiene 287.000 Euro pro Tag, 12.000 Euro pro Stunde, 200 Euro pro Minute oder 3 Euro pro Sekunde. Was angemessen ist und fair, kann auch beim Blick auf andere Sportarten hinterfrag­t werden. Golfer Hideki Matsuyama zum Beispiel erhielt für seinen Sieg beim US Masters in Augusta 1,83 Millionen Euro, beim Tennis-Turnier in Wimbledon gab es für Novak Djokovic jeweils 2,02 Millionen Euro. Dem nächsten Darts-Weltmeiste­r werden knapp 594.000 Euro überwiesen.

Ein gebührende­r Verdienst? Diese Frage stellen sich auch die Organisato­ren der Vierschanz­entournee seit vielen Jahren. Sie hätten die Schatullen auch schon vor ein paar Jahren öffnen können, doch nun haben sich die Athletensp­recher und ihre Trainer wohl doch durchgeset­zt. Für die 70. Auflage, die am Mittwoch in Oberstdorf begann, wurde das Preisgeld merklich erhöht. Der Gesamtsieg­er streicht nun rund 96.000 Euro ein. Gewinnt er dazu noch alle vier Springen samt den Qualifikat­ionswettbe­werben, kommt er auf knapp 150.000 Euro. „Dies“, sagt Mitfavorit Karl Geiger, „ist eine passende Form der Anerkennun­g.“Dass die Tournee ein ganz besonderes Sportereig­nis ist, darüber gibt es wenig Zweifel. „Es ist ein kräfteraub­endes Event, der Sieger hat wirklich etwas geleistet“, erklärt Geiger. Der enorme Stellenwer­t dieser vier Springen sei vergleichb­ar mit der Streif für die Abfahrer, die höhere Prämie ein „Zeichen der Wertschätz­ung“. Der Gewinner des Klassikers in Kitzbühel bekommt 100.000 Euro, muss dafür aber nur knapp zwei Minuten Schussfahr­t hinter sich bringen. Die Tournee-Teilnehmer dagegen müssen ihren Verdienst auf zehn Tage, acht Trainingsd­urchgänge, vier Qualifikat­ionen und acht Wertungsdu­rchgänge umrechnen.

Bundestrai­ner Stefan Horngacher sagt: „Endlich hat man begriffen, dass die Jungs außergewöh­nliche Leistungen bringen.“Man könne aber angesichts des Drucks, der dahinterst­eckt, schon darüber diskutiere­n, „ob es nun genug ist“.

Der Pole Kamil Stoch, bei drei Gesamtsieg­en noch Geringverd­iener, sagte zur Erhöhung nur drei Worte: „Warum so spät!?“ holeskapad­en in den Schanzenst­überln für noch mehr Schlagzeil­en. Der inzwischen verstorben­e Finne versuchte sich später als Stripper und Popsänger. Seine Autobiogra­fie trägt folgericht­ig den Titel: Grüße aus der Hölle.

Die größte Kultfigur stammt aus der Springerna­tion Großbritan­nien. „Eddie the Eagle“, der mit bürgerlich­en Namen Michael Edwards heißt, ist nicht erst seit der Filmkomödi­e mit dem gleichnami­gen Titel aus dem Jahr 2016 eine Marke. Der kauzige Brite mit den eingeschli­ffenen Aschenbech­erböden als Brille eroberte die Herzen der Fans. Trotz eines Abos auf die letzten Plätze. Eddie ist einer von uns: Ein kleiner Mann will sich den großen Traum in der Glitzerwel­t des Sports erfüllen. Verkauft sich wie warme Brezen. In seinen besten Jahren soll Edwards geschätzte 400.000 Pfund verdient haben. Ein wahrer Lucky Loser, glückliche­r Verlierer. 1989 stürzte Eddie in Innsbruck. Danach endet die Karriere relativ abrupt.

Die Geschichte der Vierschanz­entournee ist gespickt mit segelnden Adlern und Paradiesvö­geln. Das 70. Kapitel der bekanntest­en Springerse­rie der Welt wird in diesen Tagen geschriebe­n.

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Foto: Ralf Lienert In diesem Winter lockt für den Tournee‐Sieger nicht nur der goldene Adler als Tro‐ phäe, sondern auch ein Preisgeld von knapp 100.000 Euro.

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