Jetzt gibt’s genauso viel wie für den Streif‐Sieger
Vierschanzentournee Schon seit vielen Jahren wird darüber diskutiert, wie viel Preisgeld der Gesamtsieger verdient und wie viel er wirklich bekommt. Die knapp 100.000 Euro bezeichnet Karl Geiger als Zeichen der Wertschätzung.
Oberstdorf Heikle Geschichte mit dem Geld. Eigentlich will keiner drüber reden. Und doch tun es die Skispringer schon seit vielen Jahren. Immer dann, wenn die Scheinwerfer zwischen Weihnachten und Heiligdreikönig bei der Vierschanzentournee besonders hell auf die waghalsigen Springer scheinen, kommt die Diskussion neu auf. Diesmal wird aber nicht mehr lamentiert, dass es doch endlich mal ein bisschen mehr sein dürfte. Diesmal freuen sich Kobayashi, Geiger und Kraft über eine „Tariferhöhung“, die sogar Gewerkschaftsfunktionäre von Bahn und Lufthansa vor Neid erblassen lässt. Das Preisgeld für den Sieger der Tournee wird verfünffacht – von bislang 20.000 auf künftig 100.000 Schweizer Franken (rund 96.000 Euro). Und den goldenen Adler als Trophäe gibt es obendrauf.
Ex-Bundestrainer Werner Schuster und Ex-Topspringer Martin Schmitt spotteten auf Eurosport, der Verdienst gehe ja schon in Richtung
Profifußball, und wussten doch, dass eine der beliebtesten Wintersportdisziplinen den Berufsfußballern noch weit hinterherhinkt. Cristiano Ronaldo, hat der TV-Sender Sky 2018 nach dessen Wechsel von
Real Madrid zu Juventus Turin einmal vorgerechnet, verdiene 287.000 Euro pro Tag, 12.000 Euro pro Stunde, 200 Euro pro Minute oder 3 Euro pro Sekunde. Was angemessen ist und fair, kann auch beim Blick auf andere Sportarten hinterfragt werden. Golfer Hideki Matsuyama zum Beispiel erhielt für seinen Sieg beim US Masters in Augusta 1,83 Millionen Euro, beim Tennis-Turnier in Wimbledon gab es für Novak Djokovic jeweils 2,02 Millionen Euro. Dem nächsten Darts-Weltmeister werden knapp 594.000 Euro überwiesen.
Ein gebührender Verdienst? Diese Frage stellen sich auch die Organisatoren der Vierschanzentournee seit vielen Jahren. Sie hätten die Schatullen auch schon vor ein paar Jahren öffnen können, doch nun haben sich die Athletensprecher und ihre Trainer wohl doch durchgesetzt. Für die 70. Auflage, die am Mittwoch in Oberstdorf begann, wurde das Preisgeld merklich erhöht. Der Gesamtsieger streicht nun rund 96.000 Euro ein. Gewinnt er dazu noch alle vier Springen samt den Qualifikationswettbewerben, kommt er auf knapp 150.000 Euro. „Dies“, sagt Mitfavorit Karl Geiger, „ist eine passende Form der Anerkennung.“Dass die Tournee ein ganz besonderes Sportereignis ist, darüber gibt es wenig Zweifel. „Es ist ein kräfteraubendes Event, der Sieger hat wirklich etwas geleistet“, erklärt Geiger. Der enorme Stellenwert dieser vier Springen sei vergleichbar mit der Streif für die Abfahrer, die höhere Prämie ein „Zeichen der Wertschätzung“. Der Gewinner des Klassikers in Kitzbühel bekommt 100.000 Euro, muss dafür aber nur knapp zwei Minuten Schussfahrt hinter sich bringen. Die Tournee-Teilnehmer dagegen müssen ihren Verdienst auf zehn Tage, acht Trainingsdurchgänge, vier Qualifikationen und acht Wertungsdurchgänge umrechnen.
Bundestrainer Stefan Horngacher sagt: „Endlich hat man begriffen, dass die Jungs außergewöhnliche Leistungen bringen.“Man könne aber angesichts des Drucks, der dahintersteckt, schon darüber diskutieren, „ob es nun genug ist“.
Der Pole Kamil Stoch, bei drei Gesamtsiegen noch Geringverdiener, sagte zur Erhöhung nur drei Worte: „Warum so spät!?“ holeskapaden in den Schanzenstüberln für noch mehr Schlagzeilen. Der inzwischen verstorbene Finne versuchte sich später als Stripper und Popsänger. Seine Autobiografie trägt folgerichtig den Titel: Grüße aus der Hölle.
Die größte Kultfigur stammt aus der Springernation Großbritannien. „Eddie the Eagle“, der mit bürgerlichen Namen Michael Edwards heißt, ist nicht erst seit der Filmkomödie mit dem gleichnamigen Titel aus dem Jahr 2016 eine Marke. Der kauzige Brite mit den eingeschliffenen Aschenbecherböden als Brille eroberte die Herzen der Fans. Trotz eines Abos auf die letzten Plätze. Eddie ist einer von uns: Ein kleiner Mann will sich den großen Traum in der Glitzerwelt des Sports erfüllen. Verkauft sich wie warme Brezen. In seinen besten Jahren soll Edwards geschätzte 400.000 Pfund verdient haben. Ein wahrer Lucky Loser, glücklicher Verlierer. 1989 stürzte Eddie in Innsbruck. Danach endet die Karriere relativ abrupt.
Die Geschichte der Vierschanzentournee ist gespickt mit segelnden Adlern und Paradiesvögeln. Das 70. Kapitel der bekanntesten Springerserie der Welt wird in diesen Tagen geschrieben.