Scholz braucht mindestens vier Frauen
Koalition Die neue Regierung soll paritätisch besetzt sein. Das bringt die SPD in Zugzwang.
Berlin/Augsburg Die Woche des Wechsels beginnt mit wilden Personalspekulationen. Nachdem Grüne und Liberale längst geklärt haben, wen sie als Minister und Staatssekretäre in die neue Bundesregierung entsenden, will die SPD ihre Kabinettsliste erst an diesem Montag bekannt geben. Ein Name wird darauf nach Informationen der Zeitung Bild am Sonntag allerdings fehlen: Der SPD-Experte Karl Lauterbach wird danach nicht Gesundheitsminister, was er liebend gerne wäre, sondern Leiter eines Corona-Expertenstabes im Kanzleramt. Und, noch überraschender: Die frühere Sozialministerin und Parteivorsitzende Andrea Nahles soll zwar nicht noch einmal Ministerin werden, könnte nach Informationen aus Parteikreisen Anfang April aber als Nachfolgerin des ausscheidenden Detlef Scheele an die Spitze der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg rücken. Im Moment leitet die 51-Jährige die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation.
Der künftige Bundeskanzler Olaf Scholz und die SPD-Spitze stehen bei der Besetzung ihrer Ministerämter unter Paritätsdruck: Sie haben versprochen, die neue Bundesregierung mit einem Kanzler, einem Kanzleramtschef im Range eines Ministers und den 15 Einzelressorts je zur Hälfte aus Männern und Frauen zu besetzen. FDP und Grüne haben bisher fünf Minister und vier Ministerinnen nominiert, dazu kommt der Scholz-Vertraute Wolfgang Schmidt als neuer Kanzleramtschef, sodass von den sechs durch die SPD zu besetzenden Ministerien mindestens vier an Frauen gehen müssten. Rechnet man Scholz mit, müssten sogar fünf SPD-Frauen Ministerinnen werden. Mit der bisherigen Justizministerin Christine Lambrecht, die neue Innenministerin werden könnte, und der amtierenden Umweltministerin Svenja Schulze scheinen zwei Genossinnen bereits gesetzt. Der Rest ist pure Spekulation: Im Gespräch sind unter anderem die Abgeordnete Siemtje Möller, die Verteidigungsministerin werden könnte, und die ehemalige brandenburgische Landtagsabgeordnete Klara Geywitz. Sie hatte sich vor zwei Jahren gemeinsam mit Scholz um den Parteivorsitz beworben. Sein Amt behalten dürfte Arbeitsminister Hubertus Heil. Neben dem Arbeits-, dem Innen- und dem Verteidigungsministerium übernimmt die SPD noch die Ressorts Gesundheit, Bauen und wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Letzte Gespräche wollte Scholz noch am Sonntag führen, bis Redaktionsschluss wurden allerdings noch keine Namen bekannt. Am Mittwoch sollen Scholz und sein Kabinett dann vereidigt werden.
Zuvor hatten zwei Parteitage von Sozialdemokraten und Liberalen am Wochenende bereits ihre formelle Zustimmung zur Ampel-Koalition und dem Koalitionsvertrag erteilt, das Ergebnis des Mitgliedervotums der Grünen soll an diesem Montag vorliegen. Bei der SPD stimmten gut 98 Prozent der Delegierten für die Ampel-Koalition. „Wir haben
Lindner verspricht eine Politik der Mitte
jetzt die Chance: Ein Aufbruch kann für Deutschland stattfinden“, betonte Scholz und kündigte eine Regierung an, „die den Fortschritt anpackt in einem Moment, wo es gefährlich wäre, das nicht zu tun“. Bei der FDP stimmten mehr als 92 Prozent der Delegierten für das Bündnis mit der SPD und den Grünen. „Es ist ein Koalitionsvertrag für eine Politik der Mitte, der unser Land nicht nach links rückt, sondern nach vorne führen will“, betonte Parteichef Christian Lindner. Er stehe für einen gesellschaftspolitischen Aufbruch, sehe solide Finanzen vor und beinhalte die Digitalisierung von Staat und Gesellschaft. » Politik