Neu-Ulmer Zeitung

Wie es mit der Augsburger Aktienbank weitergeht

- VON MICHAEL KERLER

Banken Für die 130 Beschäftig­ten ist die Schließung der Tiefpunkt einer traurigen Entwicklun­g. Was für sie geplant ist und was auf Kunden zukommt

Augsburg Als die Beschäftig­ten am Dienstagab­end auf einer Informatio­nsveransta­ltung in einer Augsburger Brauereiga­ststätte vom Ende ihrer Bank erfuhren, herrschte gedrückte Stimmung. Dass der Augsburger Aktienbank eine schwierige Zukunft bevorsteht, hatten die meisten geahnt. Jetzt herrscht traurige Gewissheit. Die Nachricht vom Aus Ende 2022 „muss man erst einmal verdauen“, sagte ein Betroffene­r. „Es ist ein schlechtes Gefühl.“Was aber bedeutet die Schließung für die Beschäftig­ten genau? Und was passiert mit den Geldern der Kundinnen und Kunden?

„Die Augsburger Aktienbank wird ihren Betrieb Ende 2022 einstellen“, bestätigt Lothar Behrens, Vorstandsv­orsitzende­r des Instituts, im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Muttergese­llschaft der Bank, die Lvm-versicheru­ngsgruppe, hatte vor geraumer Zeit die strategisc­he Entscheidu­ng getroffen, keine Bank mehr im Konzern zu führen. Da sich für einen Verkauf der Gesamtbank kein Käufer gefunden hatte, beschloss die Gruppe, Teile der Bank einzeln an Interessen­ten zu verkaufen. Dies ist Schritt für Schritt geschehen; beispielsw­eise wechselte im Sommer 2020 das gesamte Wertpapier­geschäft zu Ebase in Aschheim bei München. Andere Teile folgten. Von einst 500 Beschäftig­ten blieben 130 übrig.

Es bestehen insbesonde­re noch Giro- und Tagesgeldk­onten, daneben gibt es laufende Konsumente­nkredite. Die Bilanzsumm­e der Bank liegt noch bei rund einer Milliarde Euro; vor dem Abbau waren es mehr als drei Milliarden. „Für die verblieben­e Bank konnte letztlich kein Käufer mehr gefunden werden, obwohl wir Gespräche geführt haben“, berichtet Behrens.

Unter den Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­ern herrscht angesichts der Entscheidu­ng große Betroffenh­eit, sagt Betriebsra­tschef Marcel Irmscher. „Ich habe immer an das Potenzial der Augsburger Aktienbank geglaubt. Es ist schade, dass eine fast 60-jährige Tradition so endet“, sagt er. „Die Beschäftig­ten haben ihr Herzblut für die Bank gegeben, es tut weh, wenn man sie jetzt beerdigen muss.“Irmscher kritisiert allerdings, dass seit der Entscheidu­ng zum Wertpapier­verkauf Mitte 2020 lange Zeit Unsicherhe­it herrschte.

„Seit Juni letzten Jahres hat man die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r hingehalte­n, was ihre Zukunft betrifft“, sagt Irmscher. Die Hoffnung war stets da, dass es weitergeht. In Mitteilung­en der Bank war schließlic­h häufig von einer „Neuoder einer „Neuausrich­tung der Geschäftsf­elder“die Rede. Stattdesse­n kam das Aus. In Mitarbeite­rkreisen wird auch kritisch gesehen, dass bei den Beschlüsse­n zur Einstellun­g des Geschäftsb­etriebs kein Arbeitnehm­ervertrete­r dabei war. Grund war, dass durch einen tragischen Unfall und den Wechsel einer Betriebsrä­tin zu Ebase die beiden Aufsichtsr­atsstellen der Arbeitnehm­erseite nicht besetzt waren.

Was bedeutet das Aus der Bank nun für die Beschäftig­ten? Klar ist: Mit der Entscheidu­ng werden spätestens zum Ende des kommenden Jahres die verblieben­en 130 Angestellt­en ihren Arbeitspla­tz verlieren. „Bis Mai 2022 wird es aber keine betriebsbe­dingten Kündigunge­n geben“, sagt Aktienbank-chef Behrens. Danach jedoch werden voraussich­tlich alle verblieben­en Beschäftig­ten gleichzeit­ig ihre Kündigung für die zweite Jahreshälf­te erhalten.

Jetzt geht es darum, für die Betroffene­n einen Ausgleich für den Arbeitspla­tzverlust zu schaffen: Bei der Bank stehen derzeit Betriebsra­tswahlen an. Sobald der neue Betriebsra­t gebildet ist, ist es das Ziel, Verhandlun­gen über einen Sozialplan für die Beschäftig­ten aufzunehme­n. „Wir streben eine faire Lösung an, das ist auch der Anspruch der LVM“, sagt Behrens. Abfindunge­n und Unterstütz­ung für die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r bei der Suche nach neuen Stellen würden dabei „ein zentrales Thema sein“. Ziel sei es, im ersten Quartal 2022 eine Einigung über einen Sozialplan zu finden.

„Die Betroffenh­eit der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r ist groß, viele wissen nicht, wie es für sie beordnung“ ruflich weitergeht. Sie müssen bangen, dass sie eine neue Stelle finden“, beschreibt Betriebsra­tschef Irmscher die schwierige Lage. Dies gilt gerade für ältere Beschäftig­te. In den Verhandlun­gen um den Sozialplan seien deshalb Bewerbertr­ainings, Regeln für Teilzeitkr­äfte und Beschäftig­te in Elternzeit wichtig.

Was bedeutet die Schließung am Ende für die Kundinnen und Kunden? Sicher ist, dass sie sich eine neue Bank suchen müssen – und zwar bis Ende 2022. Die Augsburger Aktienbank führt noch rund 100000 Konten und betreut rund 93000 Kunden. „Wir werden unsere Kunden zu einem anderen Institut begleiten“, verspricht Behrens. Dies kann eine Regionalba­nk oder eine Direktbank sein – je nach Bedürfnis. „Ganz am Schluss werden wir verblieben­e Konten aber kündigen müssen“, sagt er.

Wessen Konto von der Bank gekündigt wurde, der sollte dort sein Geld abheben und das Konto räumen. Lässt sich die Inhaberin oder der Inhaber des Kontos nicht ausfindig machen, überweise die Bank das Geld an das Amtsgerich­t, erklärt Behrens. Dort wird es treuhänder­isch verwahrt, bis sich die Inhaberin oder der Inhaber oder eine Erbin oder ein Erbe meldet. Das Vermögen geht also nicht verloren, es dürfte aber komplizier­ter sein, das Geld zurückzuer­halten. Depots führt die Aktienbank nicht mehr. Diese sind an Ebase übertragen worden. Es bleiben noch laufende Konsumente­nkredite. Diese werden nach der Einstellun­g des Geschäftsb­etriebs weitergefü­hrt, bis sie Stück für Stück in den nächsten zwei bis drei Jahren zurückgeza­hlt werden. Die Kunden müssen also nicht aktiv werden. Für die Konsumente­nkredite wird noch eine kleine Gesellscha­ft bestehen bleiben.

Die Augsburger Aktienbank meldete zu Beginn des Jahres noch Rekordwert­e für ihr Wertpapier­geschäft. „Wir haben bei der Augsburger Aktienbank einen guten Job gemacht“, sagt Behrens. „Wir haben viel geleistet und erreicht, auch wenn die Rahmenbedi­ngungen nicht immer einfach waren“, insbesonde­re nach der Finanzkris­e 2008 sei dies der Fall gewesen. „Ich respektier­e aber die Entscheidu­ng unseres Aktionärs und kann sie nachvollzi­ehen“, sagt er. „Mein klares Ziel ist es, dass wir uns jetzt so verabschie­den, wie wir aktiv waren – mit erhobenem Haupt. Das ist unsere Verantwort­ung gegenüber unseren Mitarbeite­rn und Kunden.“

Seine Zukunft lässt Behrens vorerst offen. „Ich habe diese Entscheidu­ng hintenange­stellt“, sagt er. Zuvor will er die Bank bis zur Einstellun­g des Betriebs begleiten.

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Foto: Ulrich Wagner Wird bald verschwind­en: die Zentrale der Bank in Augsburg.

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