Erste Bilanz zur Testpflicht an Schulen
Bildung Dass sich Schüler selbst auf eine Corona-infektion testen müssen, hat für Wirbel gesorgt. Nun ist eine Woche vorbei – und manche Angst stellt sich als unbegründet heraus. So geht es jetzt weiter
Augsburg Abertausende Wattestäbchen wurden in der vergangenen Woche in den bayerischen Schulen ausgepackt, in der Nase herumgedreht und dann in eine Lösung getaucht. Denn wer derzeit am Präsenzunterricht teilnehmen will, der braucht einen negativen Coronatest – zwei Mal pro Woche und unabhängig davon, wie hoch die Inzidenz ist.
Die Ankündigung dieser Testpflicht hatte für ziemlichen Wirbel gesorgt. In Krumbach demonstrierten 150 Menschen vor dem Schulamt, stellten dort Kinderschuhe ab als Symbol für jedes Kind, das unter der Pflicht leidet. Augsburger Elternbeiräte verfassten einen Brandbrief an die Staatsregierung, fürchten körperliche und seelische Verletzungen durch die Nasenabstriche – vor allem eine Stigmatisierung im Fall eines positiven Tests. Auf Internetplattformen wurde hitzig diskutiert, viele Eltern schrieben dort, dass sie das Vorgehen des Kultusministeriums ablehnen.
Wie viele Eltern sich tatsächlich gegen das Testen wehren und ihre Kinder lieber zu Hause lassen, das wird nicht zentral erfasst. Nach einer Woche mit der neuen Pflicht zeigt jedoch ein Blick in die Schulen: Die große Mehrheit der Eltern akzeptiert Schnelltests in der Schule.
Von geringem Elternprotest berichtet etwa Günter Manhardt, Schulleiter am Schmuttertal-gymnasium in Diedorf im Landkreis Augsburg. „Ich hatte bisher drei eher verhaltene Proteste von Eltern, die keine Tests in der Schule wollten. Sie haben zwar Bedenken angemeldet, niemand hat aber letztlich komplett die Testung verweigert“, sagt Manhardt. Wenn Eltern sagen, dass ihr Kind sich nicht selbst in der Schule testen wird, gibt es zwei Möglichkeiten: „Entweder gehen sie dann regelmäßig in ein Testzentrum oder der Schüler bleibt eben zu Hause“, erklärt der Schulleiter. Ein Recht auf Unterricht per Video gibt es in Bayern aber nicht.
An Manhardts Schule waren bisher zwei Schnelltests positiv. „In beiden Fällen hat sich das aber nicht bestätigt und der anschließend durchgeführte PCR-TEST war negativ – Gott sein Dank.“In Diedorf kamen nach den Osterferien wegen hoher Inzidenzzahlen nur Schüler der 11. und 12. Jahrgangsstufe in den Unterricht. „Und die kriegen das hin. Die Tests sind mittlerweile schon Routine.“Allerdings gehe schon auch Unterrichtszeit verloren. Aber auch das werde sicher besser, wenn man sich an die Abläufe gewöhnt habe, meint Manhardt.
Etwa 20 Autominuten von Diedorf entfernt liegt die Anna-pröllmittelschule Gersthofen. „Wir haben im Moment 218 Schüler im Wechselunterricht. Davon lassen sich 6,4 Prozent nicht testen“, sagt Schulleiterin Sigrid Puschner. Gründe dafür seien etwa die Leugnung des Coronavirus oder die Angst vor dem „Nasenbohren“, erklärt die Rektorin. Diese Angst registriert sie zum Beispiel bei Schülern mit Autismus. „Manchmal verweigern sich auch die Schüler, während die Eltern einverstanden wären.“Das sei aber „eher selten“der Fall.
Im Vorfeld besonders umstritten war die Testpflicht bei den Grundschülern. Nicht nur Eltern, sondern auch Verbände wie der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband BLLV warnten vor Handhabungsschwierigkeiten und zu großer psychischer Belastung beim Test im Klassenzimmer – Befürchtungen, die sich offenbar nicht bewahrheitet haben. Theo Doerfler, Schulleiter der Laurentius-grundschule in Bobingen (Kreis Augsburg) bewertet die erste Woche mit Testpflicht als „durchwegs positiv“. Auch Erstund Zweitklässler seien in der Lage, die Tests durchzuführen. Die meisten Eltern sind in Bobingen im Boot. Bei den vierten Klassen, die kurz vor dem Übertritt in eine weiterführende Schule stehen, hätten von 66 Schülern nur zwei zu Hause bleiben müssen, weil ihre Eltern die Testpflicht ablehnen. „Es gab in der vergangenen Woche ein positives Ergebnis“, sagt der Rektor. Im Nachgang mit einem PCR-TEST sei es jedoch negativ gewesen.
Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) sieht die
Testpflicht als Schlüssel, um möglichst viele Schüler zurück in den Präsenzunterricht zu holen. Auch Theo Doerfler befürwortet das – und kann sich sogar noch mehr vorstellen: „Nachdem es die Testmöglichkeiten gibt, wäre es nur konsequent, alle Grundschulkinder – unabhängig von der Inzidenz – mindestens in den Wechselunterricht zu holen.“
So weit jedoch möchte das bayerische Kultusministerium bislang nicht gehen. Ab nächster Woche lernen 70 Prozent der Schüler im Freistaat wieder von zu Hause aus. Wo die Sieben-tage-inzidenz über 100 liegt, dürfen nur die Abschlussklassen aller Schularten, die vierten Klassen der Grundschulen und die Jahrgangsstufen 11 an Gymnasien und Fachoberschulen weiter ins Schulgebäude – entweder im Wechseloder im kompletten Präsenzunterricht mit Mindestabstand. Zum Stichtag am Freitag lagen nurmehr vier der 96 bayerischen Regionen unter der 100er-marke: die Landkreise Lindau, Tirschenreuth und Miltenberg sowie die Stadt Bamberg. Letztere lässt die Schulen aber trotzdem zu.
Insgesamt nehmen nach Angaben des Kultusministeriums gerade rund 0,15 Prozent der Schüler nicht am Unterricht teil, weil sie positiv getestet sind. In absoluten Zahlen sind das etwa 2500 Kinder. Ob ihre Infektion in der Schule oder außerhalb nachgewiesen wurde, müssen die Schulen nicht zentral ans Ministerium melden.
Mit den Schnelltests haben bayerische Schulen auch schon vor den Osterferien Erfahrungen gesammelt. Allerdings war die Teilnahme damals noch freiwillig – was zur Folge hatte, dass in manchen Schulamtsbezirken nur die Hälfte der Kinder teilgenommen hatte.
Walter Baier ist Chef der Bayerischen Direktorenvereinigung und selbst Leiter des Gymnasiums in Bruckmühl (Kreis Rosenheim). „Regelmäßige Schnell- und Selbsttests machen nur dann Sinn, wenn sie für alle Beteiligten verpflichtend sind“, sagt Baier. An seiner Schule wollten rund fünf Prozent der Eltern dieser Pflicht nicht zustimmen. „In der Regel sind hier viele Ängste der Eltern im Spiel, die auf die Kinder übertragen werden.“
Am Albertus-gymnasium in Lauingen im Landkreis Dillingen sind die Selbsttestungen der Schülerinnen und Schüler „gut und ruhig“angelaufen, berichtet Iris Eberl, die Schulleiterin. „Lehrer wie Schüler waren auf das Testen vorbereitet. In vielen Klassen wurde bereits während der 15-minütigen Wartezeit auf das Testergebnis wieder unterrichtet“, erzählt sie. Nur ein geringer Teil der Elternschaft, nämlich zwei Prozent, habe den Test verweigert. Eberl ergänzt aber: „Nicht alle Eltern, die in den Selbsttest an der Schule eingewilligt haben, sind auch Befürworter. Es wird zum Beispiel hinterfragt, weshalb im Unterricht Masken getragen werden müssen, wenn doch alle Selbsttests im Hause negativ waren.“
Das Kultusministerium verteidigt die Maskenpflicht damit, dass jedes Testergebnis nur eine Momentaufnahme darstelle. Auch könne kein Test zu 100 Prozent gewährleisten, dass das Ergebnis korrekt ist, heißt es auf der Homepage der Behörde. Daher sei es „von großer Bedeutung, weiterhin alle vorgesehenen Hygieneregeln einzuhalten“.