Sind Oberleitungsbusse die Lösung?
Nahverkehr Bis 1963 fuhren O-busse durch Ulm und Neu-ulm. Kommt die Technik
hier zurück? In den Rathäusern sieht man Probleme / Serie (4 und Ende)
Ulm/neuulm Am 24. April 1947 fuhren die ersten Oberleitungsbusse über die Gänstorbrücke von Ulm nach Neu-ulm, eine weitere Linie folgte, und über zusätzliche wurde nachgedacht. Eingeführt wurden sie nicht, stattdessen war im Oktober 1963 wieder Schluss mit dieser Technologie. Das Konzept gilt heute wieder als modern. Die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) beispielsweise plant, künftig wieder O-busse einzusetzen. Wie ist es in Ulm und Neu-ulm?
„In anderen Städte sind O-busse relativ erfolgreich eingeführt worden“, sagt Ulms Baubürgermeister Tim von Winning. Für die Doppelstadt eigne sich dieses spezielle Verkehrssystem aber nicht. Denn es wären wieder neue Oberleitungen und eine eigene Werkstatt nötig. Mit den Straßenbahnen und den Stadtbussen hätte man dann drei unterschiedliche Systeme, das sei für die Größe von Ulm und Neu-ulm zu viel und zu kompliziert.
Die Oberleitungsbusse, auch Trolleybusse genannt, hätten zwar
Vorteile gegenüber Straßenbahnen, etwa weil sie ein Hindernis umfahren können und weil dank zusätzlichem Antrieb inzwischen keine durchgehende Oberleitung mehr nötig ist. Aber sie seien auch weniger komfortabel und weniger beliebt als Trambahnen und nicht so flexibel wie herkömmliche Busse.
„Das hat wahrscheinlich keinen Mehrwert“, sagt auch Jörg Oberle, Stadtplaner bei der Stadt Neu-ulm. Man habe das Konzept in der Nachkriegszeit als Straßenbahnersatz genutzt.
Aber der Mehrwert gegenüber normalen Bussen halte sich in Grenzen, zudem sei die nötige Infrastruktur äußerst aufwendig. „Das Thema wird bei uns keine Rolle spielen“, sagt Oberle. Es habe zwar vage Überlegungen gegeben, aber die seien wieder verworfen worden, ergänzt der Neu-ulmer Verkehrsplaner Andreas Borgmann.
In anderen Städten wird das offenbar anders gesehen. Beispielsweise in Berlin, wo ein neues O-bus-netz kommen soll. Ein Sprecher der BVG berichtet, man sei für den Einsatz von Oberleitungsbussen im Bereich Spandau noch in einer frühen Planungsphase. Aktuell werde ein entsprechendes Konzept entwickelt, das anschließend mit der zuständigen Senatsverwaltung abgestimmt werde. „Der genaue Start des Betriebs lässt sich erst nach der erfolgten Vorplanung realistisch abschätzen“, so der Sprecher weiter.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung lobte vor etwas mehr als zwei Jahren, dass die Städte Solingen, Eberswalde und Esslingen stets an ihren O-bussen festgehalten hätten: Im Kampf gegen CO2 und andere Emissionen entpuppe sich die Jahrzehnte bewährten Technik als Chance für einen klimaneutralen Nahverkehr.
Nicht nur in diesen drei deutschen Städten sind die Oberleitungsbusse seit vielen Jahren etabliert, sondern zum Beispiel auch in Salzburg und vielen Städten Osteuropas. „Der O-bus gehört zu Salzburg wie die Mozartkugel“, sagte Martin Laimböck, Bereichsleiter O-bus bei der Salzburg AG, im Mai 2020 in einem Interview mit den Salzburger Nachrichten. Doch dort dürfte eine Rolle spielen, was Ulms Baubürgermeister Tim von Winning für die Ulmer Straßenbahn geltend macht: Wenn Verkehrssysteme etabliert und in der Bürgerschaft beliebt sind, werden sie viel genutzt. Dann stellen sie einen Mehrwert für die innerstädtische Mobilität dar und lohnen sich auch wirtschaftlich eher. „Laufende Störungen an den Kreuzungsstellen der Oberleitungen von O-bus und Straßenbahn gaben den Ausschlag dafür, mittelfristig von O-bus- auf Omnibusbetrieb umzustellen“, berichtet Daniel Riechers in seinem 1997 erschienen Buch „100 Jahre Straßenbahn Ulm /Neu-ulm, das im Ulmer Stadtarchiv aufbewahrt wird.
Und es klingt bedauernd, wenn Riechers schließt: „Von Umweltschutz sprach damals noch niemand.“Der Neu-ulmer Zeitung war die Abschiedsrunde nach 15 Jahren am 23. Oktober 1963 eine 15-zeilige Meldung wert: Der O-bus müsse einer verkehrstechnisch bedingten Entwicklung weichen und werde wie in anderen Städten aufs Altenteil versetzt, heißt es darin.