Japan war noch nicht besiegt
Washington Mit der Geschichte hat es der Präsident der Vereinigten Staaten nicht so. Als Donald Trump neulich für ein Fernsehinterview am Fuße der eindrucksvollen Marmorskulptur von Abraham Lincoln auf der Washingtoner Mall saß, behauptete er ernsthaft, seine Feinde würden ihm übler mitspielen als dem bedeutenden Vorgänger, der einem Attentat zum Opfer fiel. Auch für Gedenktage fehlt dem Narzissten der rechte Sinn. So beleidigte er vor einem Jahr beim Gedenken an den Kriegseintritt der Alliierten 1944 die demokratische Parlamentssprecherin Nancy Pelosi als „Nervöse Nancy“.
Am ehesten war es wohl die Militärparade, die Trump an dem ursprünglich für den 9. Mai geplanten
Weltkriegsgedenken in Moskau reizte. Doch nach einigem Zögern sagte der US-Präsident seine heikle Teilnahme im März dann doch noch ab – angeblich auf Druck seiner Berater. Einen Monat später verschob der russische Präsident Wladimir Putin die Feier wegen der CoronaPandemie.
Auch in den amerikanischen Medien spielt der Jahrestag der Kapitulation von Nazi-Deutschland derzeit keine große Rolle. Das liegt natürlich an der derzeit alles dominierenden Corona-Krise. Doch aus USSicht gab es auch andere Wendepunkte in der jüngeren Geschichte: Die Landung der Alliierten in der Normandie, die sich bereits vor einem Jahr zum 75. Mal jährte, wurde in den USA groß gewürdigt. Die
Anne Applebaum nutzte den Gedenktag zu einer Abrechnung mit der isolationistischen Politik des amtierenden Präsidenten: Wenn Trump 1944 im Amt gewesen wäre, hätte es den D-Day nie gegeben, schrieb sie.
Zudem war für die USA am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg noch nicht zu Ende. Die zähen Kämpfe im Pazifik mit dem Kaiserreich Japan dauerten noch bis zum 2. September. Entsprechend begehen die US-Amerikaner diesen Tag als den eigentlichen Siegestag – den V-Day. Karl Doemens
USA Die Amerikaner setzen andere Akzente