ANC lächelt Verluste weg
Südafrika Die kriselnde Regierungspartei verliert weniger Stimmen als erwartet. Das könnte dem Land eine Wirtschaftskrise ersparen
Kapstadt Die bisherigen Hochrechnungen klingen eigentlich nach einer schweren Schlappe. Bei den Parlamentswahlen in Südafrika zeichnet sich das schlechteste Ergebnis in der Geschichte des „African National Congress“(ANC) ab. Am Freitagnachmittag, als die Stimmzettel von 83 Prozent der Wahllokale ausgezählt waren, kam die kriselnde Regierungspartei auf 57 Prozent der Stimmen, ein Minus von fünf Prozentpunkten im Vergleich zu 2014.
Kleinere Verschiebungen sind bis zur Bekanntgabe des Endergebnisses in den kommenden Tagen noch möglich. Doch Analysten sehen es als gesichert an, dass der ANC erstmals unter die psychologisch wichtige Marke von 60 Prozent fallen wird. Für die Partei ist es ein Dämpfer, mit Blick auf ihre Skandale aber ein überraschend kleiner.
Der ANC verdankt seine Popularität ungleich mehr seiner Geschichte als älteste Befreiungsorganisation Afrikas (seit 1912) als seiner Leistung in Regierungsverantwortung (seit 1994). Nach der systematischen Plünderung der Staatskassen unter Jacob Zuma, den die Partei neun Jahre ungestört gewähren ließ, kann der seit 15 Monaten amtierende Präsident Cyril Ramaphosa das Ergebnis wohl als größtmögliche Schadensbegrenzung verbuchen. Denn die größte Oppositionspartei, die liberale „Democratic Alliance“(DA), verzeichnete mit knapp 22 Prozent minimale Verluste, während die Zugewinne der linkspopulistischen „Economic Freedom Fighters“(EFF) von sechs auf zehn Prozent geringer ausfallen als von mancher Umfrage prognostiziert.
„Der ANC lächelt, leise und diskret, aber er lächelt eindeutig“, kommentierte die Online-Nachrichtenseite Daily Maverick. Ramaphosa, der im ANC den tendenziell marktfreundlichen Flügel anführt, dürfte seine wacklige Position an der Parteispitze damit zumindest vorerst etwas gefestigt haben.
Das sich abzeichnende Ergebnis könnte das Land vor einer wirtschaftlichen Katastrophe bewahren. Spätestens im November wird die Ratingagentur „Moody’s“die Kreditwürdigkeit Südafrikas neu bewerten. Ohne die von Ramaphosa angestrebten investorenfreundlichen Reformen und Kostensenkungen für den aufgeblähten Staatsapparat droht die Abstufung. Sie würde die ohnehin schwache Wirtschaft auf lange Zeit strukturell weit zurückwerfen. Das vor kurzem erklärte Ziel von Ramaphosa, Investitionen in Höhe von 100 Milliarden Dollar nach Südafrika zu locken, würde endgültig zur Utopie verkommen.
Aktuell belegt Südafrika auf der Weltbank-Rangliste zur Wirtschaftsfreundlichkeit nur den 82. Platz, innerhalb eines Jahrzehnts stürzte das Land um 50 Positionen ab. Während viele andere afrikanische Länder Bürokratie abbauten, verkomplizierte Südafrika Firmengründungen und den Markteinstieg.
Die Details der verbleibenden Stimmenauszählung könnten derweil große Bedeutung für eines der zentralen Themen des Wahlkampfs haben. ANC und EFF trieben zuletzt eine Verfassungsänderung voran, die eine entschädigungslose Enteignung weißer Farmer ermöglichen würde. Angesichts der ANCVerluste könnten beide Parteien die für Änderungen der Verfassung nötige Zweidrittelmehrheit im Parlament noch knapp verfehlen.