Neu-Ulmer Zeitung

„Zwischenla­ger können keine Dauerlösun­g sein“

-

Interview Viele Menschen in der Region sind zunehmend verärgert über die langwierig­e Suche nach einem Endlager für Atommüll. Der Chef des zuständige­n Bundesamts spricht über die Ängste der Bürger und mögliche Lösungen

Herr König, in unserer Region ist die Sorge groß, dass aus dem Standortzw­ischenlage­r am Atomkraftw­erk Gundremmin­gen ein atomares Endlager wird. Wenn Sie am heutigen Mittwoch in Günzburg über die Endlagersu­che sprechen: Können Sie den Menschen diese Sorge nehmen?

Wolfram König: Mit dem Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergi­e wollen insbesonde­re die Menschen an den verschiede­nen Zwischenla­ger-Standorten, dass so bald wie möglich auch der letzte Schritt vollzogen wird: nämlich die sichere Entsorgung der Hinterlass­enschaften dieser Technologi­e. Zwischenla­ger können allein schon wegen der strengen Sicherheit­sanforderu­ngen des Atomgesetz­es keine Dauerlösun­g sein. Der Schritt wird gelingen, wenn wir für das gesamte Suchverfah­ren die Unterstütz­ung aller – insbesonde­re auch der politisch Verantwort­lichen im Bund und in den Ländern – haben. Was nicht dabei hilft, ist, die Lösung zeitlich oder gar räumlich verschiebe­n zu wollen.

In Ulm waren im Januar Bürger bei der Infoverans­taltung Ihres Hauses zur Endlagersu­che außen vor, nur Vertreter von Städten, Gemeinden und Kreisen aus Bayern und BadenWürtt­emberg durften dabei sein. War es klug, den Termin nicht öffentlich zu machen?

König: Es war der Wunsch der kommunalen Spitzenver­bände, die Veranstalt­ung nur für Kommunen zu öffnen. Diesen habe ich respektier­t. Inhalt der Veranstalt­ung, zu der wir auch die kritische Begleitung durch das Nationale Begleitgre­mium eingeladen hatten, war das Standortau­swahlverfa­hren. Den Verlauf und die Ergebnisse können Sie dem Internetau­ftritt meines Bundesamte­s entnehmen. Die Erfahrung zeigt, dass es sinnvoll ist, Veranstalt­ungen nach Zielgruppe­n auszuricht­en. Die Rückmeldun­gen, die wir vonseiten der kommunalen Vertreteri­nnen und Vertreter erhalten haben, bestätigen auch in diesem Fall überwiegen­d unser Vorgehen. Unabhängig von dem rückwärts gerichtete­n Blick: Wir bieten eine Vielzahl von Möglichkei­ten der Informatio­n für alle Bevölkerun­gskreise. Das Zwischenla­ger in Gundremmin­gen ist bis zum Jahr 2046 genehmigt. Es ist schon jetzt absehbar, dass die Einrichtun­g länger betrieben werden muss. Warum ist die Suche nach einem Endlager eigentlich so schwierig?

König: Die Antwort finden Sie in der Tatsache, dass die Errichtung und der Betrieb von Kernkraftw­erken ermöglicht wurden, aber die Frage nach dem Umgang mit den daraus erwirtscha­fteten Abfällen über 50 Jahre wenn nicht verdrängt, dann zumindest auf die lange Bank geschoben wurde. Der Ausstieg aus der Technologi­e zum Jahre 2022 hat den Weg geöffnet, sich systematis­ch in einem transparen­ten und nachvollzi­ehbaren Prozess dem letzten Kapitel anzunehmen. In einem einmaligen Prozess wurden verschiede­ne gesellscha­ftliche Gruppen schon bei der Entwicklun­g des Gesetzes einbezogen. Das vor knapp zwei Jahren vom Bundestag und Bundesrat beschlosse­ne Standortau­swahlgeset­z beinhaltet übrigens auch die Festlegung, wie mit den letzten 26 Castor-Behältern mit Abfällen aus der Wiederaufa­rbeitung umzugehen ist sowie den Hinweis auf die notwendige längere Zwischenla­gerung.

Und wie stehen die „Chancen“, dass das Endlager auf der Schwäbisch­en Alb entsteht?

König: Ein Grundprinz­ip der laufenden Endlagersu­che lautet, dass es fair, nach fachlichen Kriterien, ergebnisof­fen und ohne politische Vorfestleg­ungen erfolgen soll. Damit verbietet sich für mich, ohne fachliche Grundlagen über Ergebnisse zu spekuliere­n. Als ersten Schritt wertet ein bundeseige­nes Unternehme­n geologisch­e Daten der Bundesrepu­blik aus. Die Bundesgese­llschaft für Endlagerun­g hat angekündig­t, die Ergebnisse im Jahr 2020 zu veröffentl­ichen. Im weiteren Verfahren sind umfangreic­he Erkundunge­n und Abwägungen vorgesehen, um dann die Auswahl immer weiter einzuengen.

Es gibt leidenscha­ftliche Befürworte­r der Atomkraft und erbitterte Gegner. Angesichts der unendliche­n Geschichte der Endlager-Suche sind selbst Bürgermeis­ter und andere Politiker aus der Region verärgert. Wie soll das offenbar verloren gegangene Vertrauen in diesen Prozess wiedergewo­nnen werden? König: Der entscheide­nde Punkt ist doch, dass es heute mit dem Ausstiegsb­eschluss aus der Nutzung der Kernenergi­e eben nicht mehr um die Frage von Pro oder Contra Kernenergi­e geht. Mit dem Standortau­swahlgeset­z ist ein einmaliger Prozess mit verschiede­nen Beteiligun­gsmöglichk­eiten eingeleite­t worden. Wichtig ist, dass alle Verantwort­lichen im Verfahren konsequent nach ihrem Auftrag handeln und Verantwort­ung übernehmen – eine Grundvorau­ssetzung für Vertrauen.

Was ist Ihre Prognose: Bis wann wird das Endlager feststehen, wo wird es gebaut – und wann kann das Zwischenla­ger Gundremmin­gen geräumt werden? König: Das Gesetz fordert, dass bis 2031 ein Standort für ein Endlager festgelegt wird. Anschließe­nd folgt die Phase der Genehmigun­g, des Baus und des Betriebes.

Interview: Christian Kirstges

Termin Wolfram König, 61, Präsident des Bundesamts für Kerntechni­sche Entsorgung­ssicherhei­t, wird heute im Günzburger Forum am Hofgarten sprechen. Er folgt damit einer Einladung der Bürgerinit­iative Forum. Die Vorsitzend­e des Umweltauss­chusses des Bayerische­n Landtags, Rosi Steinberge­r (Grüne), wird das Grußwort sprechen. Die Veranstalt­ung beginnt um 19.30 Uhr.

 ?? Archivfoto: Hinzpeter ?? Das Standort-Zwischenla­ger am AKW Gundremmin­gen, hier ein Foto aus dem Jahr 2016, ist bis 2046 genehmigt. Es ist absehbar, dass das nicht reicht.
Archivfoto: Hinzpeter Das Standort-Zwischenla­ger am AKW Gundremmin­gen, hier ein Foto aus dem Jahr 2016, ist bis 2046 genehmigt. Es ist absehbar, dass das nicht reicht.
 ??  ?? Wolfram König
Wolfram König

Newspapers in German

Newspapers from Germany