Kleines Ensemble, große Oper
Kulturzentrum Die experimentelle Produktion „Comeback im Gegenlicht“begeistert die Besucher in Vöhringen
Vöhringen Es ist zweifellos ein Experiment. Denn was Autor und Musiker Fabian Dobler und Regisseur Oliver Stein mit „Comeback im Gegenlicht“im Wolfgang-Eychmüller-Haus auf die Bühne bringen, ist außergewöhnlich, wenn auch etwas gewöhnungsbedürftig. Die Besucher müssen sich auf Neues einlassen: Dobler dampft Sinfonien und Opern mutig ein, will klassischer Musik offenbar den Nimbus des Unantastbaren nehmen und kreiert ein neues Genre – multimediales Theater mit Video-Einspielungen und passender Geräuschkulisse.
Der Plot der Aufführung basiert auf einer wahren Begebenheit: Der amerikanische Sänger Douglas Yates steht als Bariton vor einer großen Karriere. Aber eines Tages bemerkt er, dass er erblindet. In der perfektionierten Opernwelt der ganz großen Häuser wie der Met in New York, der Wiener Staatsoper oder der Scala in Mailand ist ein über die Bühne stolpernder Sänger undenkbar. Mit dem Aus seiner Karriere muss Yates erst einmal zurechtkommen. Aber er kann das Tief seiner Depression hinter sich lassen. Der Sänger hat entdeckt, wie sehr er mit seiner Stimme Menschen berühren kann. Darin sieht er eine Aufgabe für sein Leben. Sein Können, seine sängerische Technik, seine Interpretationsfähigkeit gibt er an junge Sänger weiter. Dass sein ehemaliger Bühnenkollege Richard Hartner (Thomas Klees) nicht zum Zuge kommt, weil Yates der bessere Sänger ist, lässt Neid aufkeimen. Hartner wendet sich von der Bühne ab, wird Musikkritiker. Er setzt alles daran, um Yates zu zerstören.
Dobler formt aus der Geschichte eine Melange aus Klassik und großer Oper, szenische Darstellungen vermitteln den Besuchern den Inhalt. Was die Musik angeht, werden Puristen ihre Schwierigkeiten haben, wenn sie den dunkel getönten zweiten Satz aus Beethovens siebter Sinfonie und die machtvolle Ouvertüre zu Verdis Oper „Die Macht des Schicksals“im klanglichen Miniformat erleben. Andererseits entfaltet das sechsköpfige Ensemble mit dem ausgefallenen Namen „Operassion“mit dem Satz „Baba Yaba“aus Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“durchaus dramatische Sequenzen.
Die Video-Einspielungen setzen optische Effekte. Es wird sicht- und hörbar, wie der erblindende Sänger sich in seinen Porsche setzt, kaum noch etwas wahrnehmend über die Straßen brettert, bis er Absperrungen überfährt, die das Ende des Weges markieren. Die Szene zeigt das symbolische Ende der verzweifelten Versuche von Yates, sich gegen sein Schicksal aufzulehnen.
Douglas Yates, 55, steht in Vöhringen auf der Bühne und spielt sich selbst, wenn auch die Namen für die Produktion abgeändert wurden. Er vermag die Zuhörer mit seiner kräftigen Baritonstimme in seinen Bann zu ziehen. Sopranistin Birita Adela Davidsen singt unter anderem die Arie der Gilda „Caro nome“aus Verdis „Rigoletto“, erklimmt extreme Höhen, wozu sie aber mit dem Finalton in die Kopfstimme wechselt. Warum aber beide Sänger mit Headset singen, ist nicht ganz verständlich. Denn die Kraft ihrer Stimmen hatte auch so den ohnehin verkleinerten Saal im Kulturzentrum gefüllt. So litten Spitzentöne unter überdosierter Schärfe.
Lässt der erste Teil den einen oder anderen Besucher im Publikum etwas ratlos in die Pause gehen, ändert sich das im zweiten Teil. Die von Yates mit Empathie gesungenen Arien und Gospels verfehlen ihre Wirkung nicht. Da gibt es auch emotionale Momente. So entwickelt sich bei den Besuchern Begeisterung für einen etwas anderen Theaterabend, für den es viel Applaus gibt.