Was den Zusammenhalt in der Stadt ausmacht
Oberbürgermeister Gunter Czisch spricht über Gemeinschaft – und über die schönste Straßenbahnlinie
Ulm Helga Malischewski ist in Ulm für ihre Hüte so berühmt wie sonst vielleicht nur die englische Königin. Doch an diesem Schwörmontag ist die FWG-Stadträtin nur eine von vielen: Männer und Frauen auf dem Weinhof schützen ihre Köpfe vor der Sommersonne. Vom Regen des Vortags und vom trüben Himmel des Vormittags ist keine Spur mehr, als Gunter Czisch auf den Balkon des Schwörhauses tritt.
In seiner Schwörrede spricht der Oberbürgermeister über vieles. Vor allem aber betont er, warum es auf das Zusammenleben und den Zusammenhalt der Bürger ankommt und wie dieser erreicht werden kann. Ulm brauche ein unverwechselbares Zentrum genauso wie Viertel und Ortschaften, die Geborgenheit vermitteln. So könnten Identität und Zusammenhalt entstehen. „Es geht darum, dass alle Menschen dort ihren Platz finden, den sie brauchen, um heimisch zu werden“, sagt Czisch. Die Stadt lebe auch von den vielen Ehrenamtlichen, die Berührungsängste abzubauen helfen. „Elle oibinde, sagt der Schwabe gerne und genau so funktioniert Integration“, betont der Rathauschef.
Erst recht in einer Zeit internationaler Veränderungen: Czisch beschwört das Miteinander der Menschen ausfast ganz Europa beim Donaufest und wirbt für die EU. Später greift der Oberbürgermeister das Weltgeschehen noch einmal auf: „Abschottung, Strafzölle, unberechenbare Staatenlenker und Nationalismus sind Gift auch für die Arbeitsplätze in Stadt und Region“, warnt Czisch. 46 mal unterbrechen die Ulmer ihren Oberbürgermeister während seiner gut einstündigen Rede mit Applaus. Bei diesem Satz hält der Beifall besonders lang an.
Länger ist er nur am Ende, nach dem Schwur, den Czisch in der Tradition des Schwörmontags leistet. Und einmal zu Beginn seiner Rede. Zum Zusammenleben und zum Zusammenhalt gehört auch die Frage, was einer tun muss, um dazuzugehören. „Wer dauerhaft in Ulm lebt, muss bereit sein, Ulmer zu werden, und er muss bereit sein, auch etwas dafür zu tun“, sagt der Oberbürgermeister. Seine Forderung an die Bürger, die schon länger oder schon immer da sind, geht beinahe im Beifall unter: „Genauso, wie es eine Gesellschaft braucht, die bereit ist, dem Neuen einen Platz zu geben und ihn aufzunehmen.“Der Applaus geht nahtlos weiter. Die Ulmer erkennen an, was sie selbst für die Neuen leisten müssen.
Was die Stadt leisten muss, ist aus Sicht des Oberbürgermeisters zum einen die Instandhaltung der Infrastruktur – er verweist auf die maroden Brücken. Auch die Einbindung der Schwächeren hebt Czisch hervor: Sozialer Friede sei die Voraussetzung für Zusammenhalt. Trotz der erfolgreichen Wirtschaft ist die Zahl der Ulmer, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind, auf inzwischen fast zehn Prozent gestiegen.
Bei allen mahnenden Worten steckt auch viel Zuversicht in der Schwörrede. Der Oberbürgermeister lobt die Vorreiterrolle der Stadt in wirtschaftlichen und ökologischen Fragen. Er zählt erfolgreiche Projekte auf wie das geplante Wohngebiet Am Weinberg und den Zuschlag für die Landesgartenschau 2030. Und dann ist da noch etwas: „Ab dem 9. Dezember werden wir in Deutschlands schönster Straßenbahnlinie vom Kuhberg über den Hauptbahnhof bis in die Wissenschaftsstadt fahren können“, verspricht Czisch. »Kommentar