Dieser Mann ist nicht zu beneiden
Stanislaw Tschertschessow trainiert die russische Fußball-Nationalmannschaft. Die Erwartungen im Land sind groß – aber ist sein Team auch konkurrenzfähig?
Es ist wohl seine Gelassenheit, die Stanislaw Tschertschessow den Druck aushalten lässt. Als Trainer der russischen Fußball-Nationalmannschaft soll er das Unmögliche schaffen: den Triumph bei der Heim-WM. Und das mit einer Mannschaft außer Form und ohne Stars. Schon vor Beginn des heutigen Auftaktspiels gegen Saudi-Arabien prasselt die Kritik auf den 54-Jährigen nur so ein. Tschertschessow lässt sich davon nicht beirren: „Wenn dich niemand kritisiert, bedeutet das, dass es kein Schwein interessiert, was du machst.“
Dass sich einmal sehr viele dafür interessieren, was Tschertschessow macht, war in seiner Jugend nicht abzusehen gewesen, merkte er einmal an: „Wenn du neun Jahre alt bist und in den Bergen von Alagir lebst, wo nicht einmal die Adler hinfliegen – da fragt dich keiner, wo du in Zukunft einmal sein willst.“Nun soll der verheiratete Vater zweier Kinder also die enorme Erwartungshaltung erfüllen.
Tschertschessow gab sich im Vorfeld der Weltmeisterschaft bescheiden. Natürlich gehöre Russland nicht zu den Topfavoriten bei der WM, aber seinen Blutdruck erhöhe das noch lange nicht. „Ich mache den Job ja nicht erst seit gestern“, sagte er kürzlich in einem Interview. Vor zwei Jahren übernahm er die Sbornaja – nach dem blamablen Vorrunden-Aus bei der EM in Frankreich. Ein Tiefpunkt.
Tschertschessow sollte einen Umbruch einleiten, um pünktlich zur WM eine konkurrenzfähige Mannschaft zu haben – bisher mit überschaubarem Erfolg. Beim Confed Cup im vergangenen Jahr schied die Sbornaja erneut in der Vorrunde aus. Tschertschessow stand kurz vor dem Rauswurf, doch der mächtige ehemalige Sportminister Russlands, Witali Mutko, gab ihm eine Job-Garantie bis zur Weltmeisterschaft – auch aus Mangel an Alternativen. Schließlich hat der Mann aus Ossetien als ehemaliger Weltklasse-Torhüter mehrfach bewiesen, was er sportlich kann. Zwischen 1993 und 1995 war Tschertschessow mit dem markanten Oberlippenbart und der Glatze Stammkeeper und Publikumsliebling beim damaligen Bundesligisten Dynamo Dresden. Seine erfolgreichste Zeit hatte er allerdings im Trikot des FC Tirol, mit dem er dreimal österreichischer Meister wurde. Einer seiner Meistertrainer damals: Joachim Löw. Noch heute hat er enge Verbindungen nach Innsbruck, spricht zudem sehr gut Deutsch.
In Russland muss sich Tschertschessow indes neben den sportlichen Problemen auch mit dem russischen Staatsdoping beschäftigen. Nach wie vor steht der gesamte Kader der WM 2014 unter Verdacht, Spieler aus dem aktuellen Kader der Sbornaja wurden vor rund drei Wochen immerhin von der Fifa entlastet. Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack. Wie reagiert Trainer Tschertschessow? „Doping betrifft uns nicht. Wir hatten noch keinen Fall, obwohl die Spieler getestet werden.“Ansonsten wiegelt er unangenehme Fragen zum Skandal ab oder beteuert, dass das Team damit nichts zu tun habe. Fabian Kluge Zu „Die Wut wächst“(Die Dritte Seite) vom 11. Juni: Frau Merkel macht es sich zu leicht, wenn sie – typisch für den Auftritt in einer Talkshow – jovial fordert, dass Menschen, die keinen Aufenthaltsstatus haben, schnell ihr Verwaltungsgerichtsverfahren bekommen. Dann muss sie aber auch schnellstmöglich dafür Sorge tragen, dass dort die benötigten Kapazitäten zur Verfügung stehen und künftig die Beschwerdegründe gegen einen ablehnenden Bescheid konkretisiert werden. Dass die Verwaltungsgerichte durch eine Massenflut von Klagen überlastet sind und manche kurz vor dem Kollaps stehen, ist Fakt. Und aus der BamfAffäre hat sie scheinbar auch noch nichts gelernt. Gerade bei Verwaltungsgerichtsverfahren gilt: Qualität vor Quantität.
Denklingen