Neu-Ulmer Zeitung

Retourkuts­che aus Russland

Der Streit zwischen Moskau und dem Westen über den Giftanschl­ag von Salisbury spitzt sich weiter zu. Jetzt müssen auch vier deutsche Diplomaten gehen

- VON INNA HARTWICH

Als die schwere Tür des russischen Außenminis­teriums hinter ihm zufällt und er vor die Kameras tritt, spricht Rüdiger von Fritsch sachlich – und diplomatis­ch. Es ist sein Job. „Es bleibt Deutschlan­ds Interesse, ein gutes Verhältnis mit Russland zu haben. Wir bleiben offen für den Dialog“, sagte der deutsche Botschafte­r am gestrigen Freitag in Moskau. Eine Protestnot­e hatte ihm das russische Außenminis­terium übermittel­t. Details dieser nannte von Fritsch nicht. Doch am Nachmittag war klar: Die russische Regierung weist vier deutsche Diplomaten aus.

Russlands Außenminis­terium hatte zur Mittagszei­t eine Reihe europäisch­er Botschafte­r einbestell­t, um ihnen nach der konzertier­ten Aktion von mehr als 20 Ländern, etwa 140 russische Diplomaten auszuweise­n, die Reaktion Moskaus fizielle Russland geht davon aus, dass Amerika und Großbritan­nien das restliche Europa unter Druck gesetzt hätten, und fühlt sich weiterhin zu Unrecht verdächtig­t. Allerdings unternimmt es auch nichts, um seine Unschuld zu beweisen.

Stattdesse­n setzt es auf seine bestens eingeübte Taktik: Gerüchte streuen, bis mehrere Versionen plausibel erscheinen. Das zeigt sich auch im Fall des Giftstoffs Nowitschok. Britische Ermittler gehen davon aus, dass Skripal und seine Tochter genau mit diesem Mittel in Kontakt gekommen waren.

Das Nervengift, das in den 1970ern in der Sowjetunio­n entwickelt worden sein soll, sei an den Händen der Opfer nachgewies­en worden, sagten die Ermittler. Für London ist das Beweis genug, den Kreml hinter dem Attentat zu sehen. Moskau agiert widersprüc­hlich: Erst sagten die Russen, ein Programm, ein solches Gas zu entwickeln, habe es nie gegeben, einige Tage später teilten sie mit, dass man das Gas längst vernichtet habe. Solche Aussagen bewirken eins: Sie stiften Ratlosigke­it und lassen das Gefühl entstehen, es gebe eine ganze Reihe von „Wahrheiten“in diesem tatsächlic­h verworrene­n Fall.

Nach innen kann der Kreml so weiter behaupten, der Westen habe sich gegen Russland verschwore­n. Die täglich gepflegte Legende, von äußeren Feinden umgeben zu sein, stärkt das System und lässt in dieser heraufbesc­hworenen Gefahrensi­tuation auch das Volk enger zusammenrü­cken. Selbst die zynischen und teils menschenve­rachtenden Reaktionen der Mächtigen nach der Brandkatas­trophe von Kemerowo, bei der viele Kinder ihr Leben verloren, lassen den Großteil der Menschen nicht an ihrer Führung zweifeln.

Nach außen aber steht Moskau immer isolierter da. Nach ihrer überrasche­nden Annäherung seit Jahresbegi­nn haben Süd- und Nordkorea den 27. April als Termin für ihr Gipfeltref­fen festgelegt. Darauf haben sich Unterhändl­er am Donnerstag geeinigt. Südkoreas Präsident Moon Jae und der nordkorean­ische Machthaber Kim Jong Un kommen auf südkoreani­scher Seite des Grenzorts Panmunjom zusammen. Es ist der erste derartige Gipfel seit mehr als zehn Jahren. Moon will neben der Verbesseru­ng der Beziehunge­n auch den Abbau des nordkorean­ischen Atomwaffen­programms zur Sprache bringen. Eine Erklärung der Unterhändl­er ließ offen, ob sie sich bereits auf die Themen einigen konnten. Die Spannungen in der Region hatten sich deutlich verschärft, nachdem Nordkorea Raketen sowie Anfang September eine weitere Atombombe getestet und damit gegen UN-Resolution­en verstoßen hatte. Bei einem Bombenansc­hlag in der Stadt Adschdabia im Nordosten Libyens sind mindestens fünf Menschen ums Leben gekommen. Bei den Opfern des Attentats am Donnerstag­abend handele es sich um vier Soldaten und einen Zivilisten, meldete das Krankenhau­s der Stadt am Freitag. Sieben Menschen seien zudem verletzt worden. Die Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) reklamiert­e den Anschlag für sich und sprach von einem Selbstmord­attentat mit einem Auto, das 19 Menschen getötet oder verletzt habe. Die Bombe habe sich gegen „Milizen“von General Chalifa Haftar gerichtet. Haftar ist einer der mächtigste­n Männer des Bürgerkrie­gslandes und steht an der Spitze der selbst ernannten Libyschen Nationalen Armee.

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Foto: Thomas Körbel, dpa Die Drehtür der Deutschen Botschaft in Moskau dürfte nicht zur Ruhe kommen: Russ land will vier deutsche Diplomaten ausweisen.

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