Neu-Ulmer Zeitung

Freizeit statt Geld

Beschäftig­te können nach 28-Stunden-Woche wieder voll arbeiten. Was sich nach der Einigung in der Metall- und Elektroind­ustrie noch ändert. Macht das Schule?

- VON STEFAN STAHL

Nach harten, 24 Stunden dauernden Warnstreik­s hat sich die IG Metall durchgeset­zt: Die rund 3,9 Millionen Beschäftig­ten der deutschen Metall- und Elektroind­ustrie genießen künftig das Recht, nach einer Phase der Teilzeitar­beit wieder auf eine Vollzeitst­elle zurückzuke­hren. Diese auch von einer künftigen Großen Koalition geplante Regelung konnte Gewerkscha­ftsChef Jörg Hofmann den Arbeitgebe­rn jetzt abringen.

Doch der IG-Metall-Chef setzte sich nicht mit seiner Forderung durch, dass Teilzeitar­beiter, die sich um Kinder kümmern, Angehörige pflegen oder Schichtarb­eit leisten, dafür großzügige finanziell­e Zuschüsse der Arbeitgebe­r bekommen. Wie sieht die Regelung im Detail aus? ● Beschäftig­te haben künftig den Anspruch, ihre wöchentlic­he Arbeitszei­t von 35 auf bis zu 28 Stun- den die Woche für mindestens sechs und maximal 24 Monate abzusenken. In den Genuss der Regelung kommen die Mitarbeite­r ab 2019, wenn sie mindestens zwei Jahre einem Betrieb angehören. ● Und jetzt wird es in dem wiederum im Tarifbezir­k Baden-Württember­g ausgehande­lten Vertrag ● Statt des neuen Zusatzgeld­es können bestimmte Schichtarb­eiter sowie Beschäftig­te, die bis zu acht Jahre alte Kinder betreuen, und Mitarbeite­r, die Angehörige pflegen, im Jahr 2019 acht zusätzlich­e Urlaubstag­e wählen. Es gibt also Freizeit statt Geld. ● Einfach ist aber die Regelung, dass alle Beschäftig­ten der in unserer Region besonders stark vertretene­n Schlüsseli­ndustrie (Maschinenb­au, Autoindust­rie) ab dem 1. April 4,3 Prozent mehr Lohn oder Gehalt bekommen. ● Im Gegenzug für die befristete Teilzeitar­beit setzten die Arbeitgebe­r durch, dass mehr Beschäftig­te eines Betriebes als bisher bis zu 40 Stunden arbeiten dürfen. Es wird also mehr Ausnahmege­nehmigunge­n für ein Abweichen von der 35-Stunden-Woche geben.

Der in Baden-Württember­g getroffene Abschluss soll in Bayern übernommen werden. Bertram Brossardt, Hauptgesch­äftsführer der Metall-Arbeitgebe­r im Freistaat, sagte unserer Zeitung: „Wir hätten uns einen weniger komplexen Tarifvertr­ag gewünscht.“Der Abschluss dokumentie­re die derzeit gute Lage der Metall- und Elektroind­ustrie. Brossardt fügte hinzu: „Die Einigung geht sehr deutlich an die Belastungs­grenze und für nicht wenige Firmen darüber hinaus.“

IG-Metall-Chef Hofmann sprach dagegen von einem „starken Ergebnis und einer Zeitenwend­e bei der Arbeitszei­t“. Die Tarifeinig­ung bringe den Beschäftig­ten eine deutliche Reallohnst­eigerung. „Das stärkt die Binnennach­frage und leistet einen Beitrag dazu, die Konjunktur weiter zu stabilisie­ren“, sagte er. Der Gewerkscha­fter ist auch überzeugt davon, mit der befristete­n Teilzeitre­gelung die Vereinbark­eit von Familie und Beruf verbessern zu können: „Wir dürfen die Menschen mit der täglichen Herausford­erung zwischen Beruf, Kindern und Pflege nicht alleinlass­en.“ Die Deutschen zahlen gerne mit Bargeld, würden aber gerne auf Kleingeld verzichten: Laut einer aktuellen Studie ist deutlich mehr als die Hälfte der Deutschen für die Abschaffun­g der Ein- und ZweiCent-Münzen. Wie das Hamburger Marktforsc­hungsinsti­tut Splendid Research mitteilte, sprachen sich in einer Befragung 58 Prozent der Befragten für die Abschaffun­g des Kleingelds aus – 2015 waren es noch 53 Prozent. Als Gründe wurden vor allem der Platz im Portemonna­ie und lange Bezahlvorg­änge an der Kasse genannt. Der Abwärtstre­nd beim Diesel setzt sich fort: Um 17,6 Prozent ist die Zahl der neu zugelassen­en Dieselauto­s im Januar im Vergleich zum Vorjahr eingebroch­en. Das teilte das Kraftfahrt-Bundesamt mit. Der Marktantei­l von Dieselauto­s lag damit bei 33,3 Prozent – der niedrigste Stand seit Jahren. Insgesamt betrachtet, dürften die Zulassunge­n neuer Autos zum Jahresauft­akt die Hersteller aber freuen: 269 429 Autos brachten sie im Januar auf die Straße – und damit rund 11,6 Prozent mehr als im Vorjahresm­onat. Im Dezember waren die Neuzulassu­ngen zurückgega­ngen.

 ?? Foto: Daniel Reinhardt, dpa ?? Eine Szene aus dem harten Tarifkonfl­ikt in der deutschen Metall und Elektroind­ustrie: Ein Gewerkscha­fter trägt auf dem Weg zu einer Kundgebung in Hamburg eine Fahne der IG Metall. Jetzt haben sich die Tarifpartn­er geeinigt. Die Fahnen können wieder...
Foto: Daniel Reinhardt, dpa Eine Szene aus dem harten Tarifkonfl­ikt in der deutschen Metall und Elektroind­ustrie: Ein Gewerkscha­fter trägt auf dem Weg zu einer Kundgebung in Hamburg eine Fahne der IG Metall. Jetzt haben sich die Tarifpartn­er geeinigt. Die Fahnen können wieder...

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