Neu-Ulmer Zeitung

Es war einmal: Robbie Williams

Vor 20 Jahren trat der Brite seinen Aufstieg zum größten Entertaine­r an. Diese Magie lebt fort, wenn er nun wieder gefeiert wird – wie in München. Doch der Zenit ist überschrit­ten

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Muss man es nicht als Segen für einen Menschen betrachten, wenn sein Leben nicht mehr Stoff für große, existenzbe­drohende Dramen bietet, sondern zum Hort des kleinen, normalen Glücks geworden ist? Aber: Ist es nicht auch ein Unglück, wenn Künstlern das Existenzie­lle in ihrem Schaffen verloren geht und sie fortan bloß als Abziehbild­er ihres eigenen Ikonentums weitermach­en und Nostalgie-Shows gestalten?

Denn war es nicht überwältig­end, unvergessl­ich, Robbie Williams vor 14 Jahren zu erleben, wie er in geradezu größenwahn­sinniger Selbstentb­lößung seine Ängste zu PopHymnen wie „Come Undone“goss, und dabei in einer unwiderste­hlichen Mischung aus Lust und Verzweiflu­ng riesige Arenen um den kleinen Finger wickelte?

Ist es nun also toll oder schlimm, ihn jetzt wieder dort im Alter von 43 Jahren und als Familienva­ter zu erleben – mit körperlich­em Schonprogr­amm wegen chronische­r Rückenschm­erzen und mit dem hübschen Liedchen „Love My Life“für seine beiden Kinder auf den Lippen?

Es war ein traumhafte­r Sommeraben­d 2003 gewesen, als Robbie auch mit einem Auftritt im Münchner Olympiasta­dion seinen Aufstieg zum größten Entertaine­r der Branche vollendete – und es war ein Sommeraben­d an diesem Samstag 2017, als Robbie im wieder seit Monaten ausverkauf­ten Riesenoval auf die Bühne trat. Damals hatte die Show ein Knalleffek­t eröffnet, als er zum programmat­ischen Einheizer „Let Me Entertain You“kopfüber an einem Bungeeseil hängend auf die Bühne schwebte – diesmal leitete ein knalliges Zeremoniel­l die Show ein: Passend zu den Riesenbild­schirmen, die in ihrer Silhouette Robbie im Profil eines Boxers zeigen, annonciert die Stimme des legendären Ringsprech­ers Michael Buffer den ungeschlag­enen Weltmeiste­r im „Heavy Entertainm­ent“und fordert die Zuschauer auf, sich zu erheben zur RobbieHymn­e – einer irrwitzig auf dessen Karriere umgedichte­ten Version von „Land of Hope and Glory“. Die gelungene Inszenieru­ng des eigenen Lebens mit Ironie und Größenwahn: Da ist sie, die große RobbieWill­iams-Show!

Bloß verfügt er längst nicht mehr über die Mittel, diese Verheißung noch mit Leben zu füllen. Weder der Titelsong des aktuellen Albums „Heavy Entertainm­ent Show“, noch die beiden bald darauf folgenden Singles, das stumpfe „Party Like a Russian“und jenes Lied für die Kinder, besitzen die einstige Qualität. Und auch nicht das ganze Material aus den Jahren danach, immerhin vier Alben. Davon spielt Robbie hier nur „Rudebox“, von dem er selbst nicht fassen zu können scheint, dass es mal Nummer eins in Deutschlan­d war. Der Entertaine­r jedenfalls weiß genau, was er kann, was wirkt und was seine Fans von ihm erwarten – und streicht deshalb so weit wie möglich die späteren Jahre aus der Show. Stattdesse­n soll möglichst viel von jenem Zenit 2003 wieder aufleben.

20 Jahre ist es her, dass er, aus der zermürbend­en Geschäftsm­aschine der Boygroup Take That herauskata­pultiert, seinen Kindheitst­raum wieder aufnahm: in der Nachfolge nienmeiste­rs rechnen. Wie damals eben.

Tatsächlic­h imitiert Robbie Williams seine eigene Ikone ziemlich ordentlich. Der Rücken mag kaum noch ein Tanzen zulassen, ihn viel zum Sitzen zwingen; Figur und Gesicht mögen fülliger geworden, der Schalk ein bisschen verschwund­en sein; die Witzchen mögen noch prolliger sein. Aber die Stimme passt, die Show mit sechs Tänzerinne­n und starker Band samt dem Komponiste­n der Legendenze­it, Guy Chambers, ist gut. Gute Unterhaltu­ng aus der Vergangenh­eit also. Dass es dies mit Robbie Williams im Jahr 2017 noch geben könnte, war 2003, bei all den persönlich­en Problemen im Hintergrun­d, die bei so vielen Stars ja schon in die Katastroph­e geführt haben, nur schwer zu erwarten.

Gerade dass er in den USA nie Erfolg hatte und seine Alben dort längst nicht mehr erscheinen, ermöglicht ihm dort ein relativ normales Leben – nachdem einst, im größten Hype, sogar Rasenstück­e vom Grund seines Elternhaus­es gestohlen worden waren. Williams ist kein umwerfend präsenter Entertaine­r mehr, dafür ein Mensch, der ein für seine Verhältnis­se wohl so stabiles Leben wie möglich gefunden hat. Vielleicht ist insofern das Beste, was er erreichen kann, dass ein solcher Abend zwar nicht mehr ganz toll ist, aber eben auch gar nicht schlimm.

Von der lärmenden Großbauste­lle zum Gesamtkuns­twerk: Geht es nach einer privaten Initiative, haben die Karlsruher in vier Jahren nicht nur eine schöne neue U-Bahn, sondern auch eine Kunstmeile im Untergrund, die 365 Tage im Jahr geöffnet ist und bundesweit Publikum anziehen könnte. Markus Lüpertz, prominente­r Gegenwarts­künstler, will sieben unterirdis­che Haltestell­en in der City mit 14 großformat­igen Keramiktaf­eln bestücken – eine Art Geschenk des exzentrisc­hen Malerfürst­en für die Stadt, in der seine Kinder groß geworden sind. Gleichzeit­ig gilt: Es besteht noch Redebedarf. Am Dienstag will der Gemeindera­t über das Projekt entscheide­n.

„Es geht um ein Jahrhunder­twerk“, sagt Initiator Anton Goll, der langjährig­e Chef der traditions­reichen Keramik-Manufaktur Majolika. „Die Stadt erhält die Kunstwerke quasi geschenkt.“Das Projekt soll durch Spenden und Sponsoren finanziert werden. Lüpertz würde „weitgehend unter Verzicht seines Künstlerho­norars“die Wandrelief­s in der Staatliche­n Majolika fertigen – was der seit Jahren kriselnden Manufaktur einen lukrativen Großauftra­g sichern würde. So könnte das Projekt aussehen: In den unterirdis­chen Stationen sollen auf jeder Seite Tafeln mit einer Größe von zwei mal viereinhal­b Meter installier­t werden. Thema: „Genesis – 7 Tage des Herrn“; die Schöpfungs­geschichte verdichtet auf sieben Haltestell­en. Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde – und Lüpertz für die neue Karlsruher U-Bahn die Kunst. Der frühere Düsseldorf­er

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Inzwischen 43 Jahre alt, von 70 000 Menschen bejubelt und untenrum im Rock: Robbie Williams am Samstagabe­nd im Münchner Olympiasta­dion.
Foto: Ralf Lienert Inzwischen 43 Jahre alt, von 70 000 Menschen bejubelt und untenrum im Rock: Robbie Williams am Samstagabe­nd im Münchner Olympiasta­dion.

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