Der Dauerstreit ums Gymnasium beginnt jetzt wieder von vorn
Es war ein kluger Plan von Seehofer, ein Jahr vor der Landtagswahl dem Willen der Eltern und Schüler zu folgen und zum G9 zurückzukehren. Doch die CSU zog nicht mit
Wie man es macht, ist es verkehrt. Der frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber fällte dereinst ganz allein die Entscheidung, in Bayern das achtjährige Gymnasium einzuführen, und scheiterte. Das G 8 wird bis heute von der Mehrheit der Lehrer, Schüler und Eltern nicht akzeptiert. Der aktuelle Ministerpräsident Horst Seehofer wollte es besser machen und alle einbeziehen in die Entscheidung über ein besseres G8 oder eine mögliche Rückkehr zu einem runderneuerten G 9 – und droht nun ebenfalls zu scheitern.
Der Plan, das Gymnasium zu befrieden und die nervige Dauerdebatte über „G 8 plus“oder „G 9 mit Überholspur“ein Jahr vor der Landtagswahl zu beenden, war zwar klug ausgedacht: Nachdem klar war, dass rund zwei Drittel der Eltern und Schüler ein neunjähriges Gymnasium bevorzugen, sollten in einem „Dialogprozess“noch einmal alle Argumente ermittelt und dann zügig entschieden werden. Doch plötzlich steht wieder alles auf Anfang. Auf den „Dialogprozess“mit allen Interessengruppen soll nun ein „Entscheidungsprozess“in Staatsregierung und CSU-Landtagsfraktion folgen. Der Ausgang, so hieß es gestern, sei „völlig offen“.
Wer es gut meint mit der allein regierenden CSU, der könnte jetzt mit einigem Recht auf den bildungspolitischen Murks in einigen anderen Bundesländern verweisen. Das aber hilft Eltern und Schülern in Bayern auch nicht weiter. Und überhaupt: Will die CSU nicht immer besser sein als alle anderen? Bessere Bildung kostet mehr Geld. Bayern gibt schon jetzt mehr Geld aus als andere und hat auch die Kraft, noch etwas draufzulegen. Trotzdem dreht sich die Debatte im Kreis.
Das blamable Nicht-Ergebnis des Spitzentreffens der maßgeblichen CSU-Politiker in der Staatskanzlei offenbart tief sitzende Interessengegensätze in der Partei. Viele Bildungspolitiker wollen endlich ein neues G 9 mit pädagogischen Verbesserungen. Einigen Haushaltspolitikern ist das Gymnasium schon jetzt zu teuer. Bayern brauche nicht noch mehr Abiturienten, sondern auch Facharbeiter und Handwerker, sagen sie und warnen vor einem „Schlafwandlergymnasium“ohne Anspruch auf echte gymnasiale Bildung. Wieder andere sehen die Notwendigkeit, erst einmal für andere Schularten etwas zu tun. An den Förder-, Grund- und Berufsschulen sei der Mangel an Personal und Ausstattung weitaus größer.
Zu diesen nicht wirklich neuen Pro- und Contra-Argumenten kommt allerdings noch etwas anderes hinzu. Da ist zum einen die Sorge, dass eine weitere Reform des Gymnasiums auch keinen Frieden an den Schulen schafft und auch keine zusätzlichen Wählerstimmen bringt. Unter G 9, so lautet das Argument, verstehe doch jeder etwas anderes. Zum anderen gibt es insbesondere in der CSU-Landtagsfraktion ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Kultusministerium. Das gipfelt in der Forderung der Fraktion, das Ministerium solle erst einmal die vielen offenen Fragen zu den Kosten und Folgewirkungen einer möglichen Rückkehr zu einem neuen G 9 beantworten – am besten schriftlich.
Den Vorwurf, man habe sich dereinst der überstürzten Einführung des G 8 gebeugt, will sich die CSUFraktion nicht noch einmal machen lassen. Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit, heißt es. Dass damit nebenbei auch der ambitionierte Zeitplan Seehofers über den Haufen geworfen werden könnte, wird offenbar als Nebeneffekt hingenommen. Den Reformunwilligen in der CSU kommt das gerade recht.
Seehofer, der selbst ausdrücklich darauf bestanden hat, dass alle Fakten auf den Tisch kommen, wird nun alle Hände voll zu tun haben, dass ihm die Sache nicht entgleitet. Zum selben Thema: Man wähnt sich im falschen Film angesichts des Sperrfeuers, das die „demokratische“Türkei momentan auf das „faschistische“Deutschland loslässt. Was die Herren dort zwar sehr genau wissen, aber geflissentlich übergehen: Mehr als drei Millionen Türken wohnen in unserem Lande, davon wohl die Hälfte Erdogan-Anhänger. Nun sind aber dessen Gegner bei uns nicht eingesperrt. Schon deshalb kann es wohl kaum in deutschem Interesse liegen, mit Wahlkampfmunition gegenläufige Stimmungen aufzuheizen und Unruhen auf unserem Boden zu provozieren. Der Toleranz ist Genüge getan, wenn wir die von Ankara entsandten Imame, zwar mit leichten Bauchschmerzen, gewähren lassen. Ob andere Länder auch derart großzügig sind?
Augsburg Zur Karikatur „Ich bin so frei“(Meinung & Dialog) vom 3. März: Ein Bild kann mehr als tausend Worte sagen. Wieder einmal zeigt die Zeichnung ein vorherrschendes Problem, genau auf den Punkt gebracht. Großes Lob!
Donauwörth Zu „Er ist wieder da“(Wochenend Journal) vom 4. März: Man sollte Wolfgang Schütz für seinen verständlichen und besonnenen Artikel über Karl Marx dankbar sein. Denn er lenkt unseren Blick auf das Entscheidende bei Marx und für uns. Dabei ist erleichternd, wie ideologiefrei hier argumentiert wird. Es geht um das Verstehen der Funktionsweise des kapitalistischen Wirtschaftens. Darum bemüht sich Marx in „Das Kapital“. Was beschreibt er? Dass der nationale Reichtum zwar gesellschaftlich produziert, aber privat angeeignet, also privat reinvestiert oder verteilt wird. Wenn das stimmt, ist Skepsis angebracht gegenüber einer möglichen Union von Kapitalismus und Gerechtigkeit. Trotzdem. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Denn die Sehnsucht nach einer sozial gerechten Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums ist unwiderlegbar. Man kann sie nur denunzieren. Verstehen wollen aber fördert die Hoffnung. Augsburg Zu „Was im Wasser alles lauert“(Seite 1) vom 4. März: Die erste Seite ist das Aushängeschild der Zeitung. Sie sollte der Redaktion gutes Nachdenken wert sein und wichtige Themen kurz darstellen. Daher bitte nicht einfach zum Füllen aus Reader’s Digest abschreiben. Wenn Sie nichts Besseres finden, als die Gefahr der Vergiftung durch das Glas Wasser auf dem Nachtkästchen heraufzubeschwören, dann setzt lieber eine Karikatur dahin. Das hat viel mehr wert!
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