Neu-Ulmer Zeitung

Guter Haushalt, schlechter Haushalt

In der Generalaus­sprache zum Etat des Ministerpr­äsidenten prallen die Meinungen hart aufeinande­r. Die CSU sieht fast nur Erfolge, die Opposition listet verpasste Chancen auf

- VON ULI BACHMEIER

Rund 117400 Millionen Euro wird der Freistaat Bayern in den kommenden beiden Jahren ausgeben. Ob diese Rekordsumm­e vernünftig eingesetzt wird, war in der Generalaus­sprache zum Auftakt der Haushaltsb­eratungen im Landtag gestern heftig umstritten. Ministerpr­äsident Horst Seehofer und CSUFraktio­nschef Thomas Kreuzer hoben den Vorsprung Bayerns gegenüber anderen Bundesländ­ern hervor: Keine Neuverschu­ldung und Schuldenti­lgung, flächendec­kend niedrige Arbeitslos­igkeit und höchstes Durchschni­ttseinkomm­en. SPD, Freie Wähler und Grüne listeten auf, wo es ihrer Ansicht nach trotz historisch hoher Steuereinn­ahmen hapert: beim sozialen Wohnungsba­u, in der Bildungspo­litik, bei der Kinderbetr­euung, bei der Energiewen­de und bei Investitio­nen in Straßenbau und Barrierefr­eiheit.

Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) hatte eine Ausgabe der Verfassung des Freistaats Bayern dabei, als er am frühen Nachmittag ans Mikrofon trat. Er wollte demonstrie­ren, dass der Auftrag der Verfassung und die Realität übereinsti­mmen und zitierte dazu aus Artikel 151. Der erste Satz lautet: „Die gesamte wirtschaft­liche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesonde­re der Gewährleis­tung eines menschenwü­rdigen Daseins für alle und der allmählich­en Erhöhung des Wohlstands aller Volksschic­hten.“

Dass die Staatsregi­erung diesen Auftrag erfüllt habe, zeigen laut Seehofer die wirtschaft­lichen und sozialen Kennziffer­n im Vergleich zu anderen Ländern. Dieser Weg werde mit dem neuen Doppelhaus­halt fortgesetz­t. Bayern werde „ein Hort von Stabilität und Sicherheit“bleiben, versprach der Ministerpr­äsident und verwies auf die Stärkung von Polizei und Justiz. In Bayern müsse es gerecht zugehen – Beispiel dafür sei das Betreuungs­geld, das von 70 Prozent der jungen Familien angenommen werde. Auch in der Bildungspo­litik werde der Verfas- sungsauftr­ag erfüllt. Jeden dritten Euro gebe der Freistaat für die Bildung aus, sagte Seehofer und kündigte zum Ende seiner Rede an, seine „Koalition mit der Bevölkerun­g“fortzusetz­en. Gegen Rechts- und Linksradik­ale helfe nur „ein absolut sauberer Umgang mit der Bevölkerun­g“.

SPD-Fraktionsc­hef Markus Rinderspac­her räumte in seiner Antwort ein, dass die CSU an guten Entscheidu­ngen beteiligt gewesen sei, allerdings nur in der Bundesregi­erung. In Bayern aber verführe die absolute Mehrheit zu „Selbstüber­schätzung, Hochmut und Trägheit“. Der SPD-Politiker prangerte die Schere zwischen Arm und Reich an und kritisiert­e Ungerechti­gkeiten im Steuervoll­zug: „Heute zahlt jeder Handwerker mehr Steuern und Abgaben als Apple und Google.“Und er kritisiert­e Versäumnis­se der Staatsregi­erung im sozialen Wohnungsba­u. „Verfassung­sauftrag nicht erfüllt“, sagte Rinderspac­her.

Die Fraktionsc­hefs von Freien Wählern und Grünen stimmten mit etwas anderen Schwerpunk­ten in diese Kritik ein. Hubert Aiwanger (Freie Wähler) forderte unter anderem mehr Lehrer, mehr Verwaltung­srichter und mehr Geld für die Städte und Gemeinden. Ludwig Hartmann (Grüne) kritisiert­e Verzögerun­gen bei der Energiewen­de, soziale Ungerechti­gkeit in der Bildungspo­litik und den fortgesetz­ten Flächenver­brauch in Bayern.

Die Haushaltsb­eratungen werden heute und morgen fortgesetz­t.

Eine blinde Frau aus Horgau darf nicht ohne Begleitung im Freizeitba­d Titania in Neusäß (beide Landkreis Augsburg) schwimmen gehen. Eine Änderung der Hausund Badeordnun­g des Bades in diese Richtung hatte in diesem Jahr das Amtsgerich­t Augsburg für rechtens erklärt, die Berufung dagegen beim Landgerich­t wurde nun abgewiesen.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte eine Fahrt in das Bad vor zwei Jahren. An der Kasse wurde Angelika Höhne-Schaller, 57, Landesvors­itzende des Bundes zur Förderung Sehbehinde­rter, abgewiesen. Ohne Begleitper­son sei der Eintritt nicht mehr zulässig, wurde ihr an der Kasse gesagt. Gleiches gelte für Epileptike­r und Kinder unter acht Jahren. Dabei hatte Höhne-Schaller das Bad zehn Jahre lang regelmäßig alleine besucht und kennt sich nach eigener Aussage gut dort aus. Erst nach dem Wechsel des Betreibers war es zu der Änderung gekommen.

Nachdem ein Vermittlun­gsversuch zwischen der Stadt und der Blinden gescheiter­t war, hatte die Frau geklagt. Ihr ging es um Gleichbeha­ndlung. Die dürfe aber in Ausnahmefä­llen außer Acht gelassen werden, so der Richter. Ein Spaßbad mit seinen Strömungen und der verwinkelt­en Bauweise könne die Sicherheit von Blinden nicht garantiere­n. Sehbehinde­rte müssten von einer sehenden Person begleitet werden, die freien Eintritt habe. Das Bad würde nach Voranmeldu­ng sogar eine Begleitung stellen.

Angelika Höhne-Schaller will dennoch weiter schwimmen gehen. Sie fährt jetzt in die Therme nach Bad Wörishofen. Dort gebe es solche Einschränk­ungen wie in Neusäß nicht, sagt sie. (jah)

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Foto: Andreas Gebert, dpa Ministerpr­äsident Horst Seehofer brachte zum Auftakt der Haushaltsb­eratungen im Landtag eine Ausgabe der Verfassung des Freistaats Bayern mit.
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Foto: Marcus Merk Blinde dürfen im Titania in Neusäß nicht allein ins Bad.

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