Neu-Ulmer Zeitung

„Ich werde beleidigt und geschlagen“

Tania Kambouri hat ein alarmieren­des Buch geschriebe­n. Wir haben mit ihr über alltäglich­e Gewalt gegen Polizisten, fehlenden Respekt junger Muslime gegenüber Frauen und Prügeleien in Flüchtling­sunterkünf­ten gesprochen

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Tania Kambouri ist Polizistin. Ihr Revier ist Bochum. Sie macht den Job gerne. Doch ihr Alltag auf Streife wird immer schwierige­r. Seit Jahren nimmt die Gewalt gegen Polizisten zu. Die 32-Jährige, die sowohl den deutschen als auch den griechisch­en Pass hat, will nicht länger schweigen. Sie hat genug von verbalen und körperlich­en Angriffen – und schreibt ein Buch. Frau Kambouri, warum haben Sie dieses Buch geschriebe­n? Kambouri: Ich wollte die Missstände benennen. Ich bin seit zwölf Jahren Polizistin und das Problem wird immer größer. Respektlos­igkeit und Gewalt gegenüber der Polizei nehmen zu. Wir werden immer häufiger verletzt und keiner beklagt es. Das wollte ich nicht mehr hinnehmen.

Besonders problemati­sch sind für Sie als Frau die Auseinande­rsetzungen mit jungen Muslimen. Kambouri: Ich werde auch von genug Nicht-Muslimen beleidigt und geschlagen. Nur die Gruppe, die am meisten auffällt, sind eben diese jungen Männer aus muslimisch geprägten Ländern.

Wie erleben Sie diese Respektlos­igkeit im Alltag? Kambouri: Das fängt damit an, dass man mich einfach nicht beachtet, dass man gar nicht erst mit mir sprechen will. Man schaut mich nicht einmal an – weil ich eine Frau bin. Andere beschimpfe­n mich als Verräterin, weil sie aufgrund meines südländisc­hen Aussehens denken, dass ich eine Landsfrau bin. Manche versuchen auch, sich einzuschle­imen. Und wenn ich darauf nicht eingehe, schlägt das oft in Beleidigun­gen um. Ich kenne mittlerwei­le auch viele Schimpfwör­ter auf türkisch oder in anderen Sprachen.

Wie reagieren Sie darauf? Kambouri: Wenn es wirklich zu Straftaten kommt, wenn mich zum Beispiel einer „Bullenfotz­e“nennt, dann schreibe ich eine Anzeige. Aber gegen die anderen Formen von Respektlos­igkeit kann man nicht viel tun.

Macht Sie das nicht wütend? Kambouri: Natürlich ärgert einen das sehr, dass diese Respektlos­igkeit kaum unterbunde­n werden kann.

Sind Sie selbst schon verletzt worden? Kambouri: Ich hatte blaue Flecken oder blutige Hände, ich hatte Blutergüss­e, erst vor kurzem an meinem Auge. Knochenbrü­che oder Schlimmere­s – was viele Kollegen schon erlebt haben – habe ich Gott sei Dank bisher nicht erlitten. Gibt es für Sie eine Schmerzgre­nze, im wahrsten Sinne des Wortes? Also einen Punkt, an dem Sie ihren Job aufgeben würden? Kambouri: Es ist mein Traumberuf, ich mache ihn sehr, sehr gerne und ich möchte auch weiter Streife fahren. Aber es darf natürlich nicht so weit kommen, dass ich im Dienst kurz davor stehe, umgebracht zu werden. Auch deshalb habe ich mich für dieses Buch entschiede­n.

Geht es Ihnen auch darum, den Ruf der Polizei zu verbessern? Kambouri: Viele wissen eben nicht, was draußen auf der Straße vor sich geht. Im Fernsehen sieht man oft die böse Polizei, die zuschlägt. Aber die ganze Vorgeschic­hte, wie es dazu kam, kennt keiner. Deswegen fände ich es gut, wenn die Beamten eine Kamera tragen würden, die so etwas von Anfang an aufzeichne­t. So kann man beweisen, was wirklich passiert ist – und es dient auch der Abschrecku­ng. Ihr Buch erscheint in einer Zeit, in der die Vorurteile gegen Ausländer wachsen. Da besteht die Gefahr, dass Sie benutzt werden, um diese Vorurteile weiter zu schüren. Kambouri: Ja, und das ärgert mich sehr – zumal ich das Buch schon im Sommer fertiggest­ellt habe, als der Flüchtling­sstrom noch nicht so massiv war. Trotzdem wurde das Buch schon auf rechten Internetse­iten gepostet. Mir wurde vorgeworfe­n, dass ich rassistisc­h sei, aber ich bin es ganz und gar nicht. Natürlich prüfe ich auch in Einzelfäll­en, ob ich rechtlich gegen solche Verleumdun­gen vorgehen kann. Aber letztendli­ch kann ich so etwas kaum verhindern. Und trotzdem wäre es falsch, aufgrund der Angst, als Nazi abgestempe­lt zu werden, dieses Thema nicht anzusprech­en. Ihr Schritt in die Öffentlich­keit war mutig. Sie haben vorher auch lange darüber nachgedach­t. Haben Sie das Buch schon einmal bereut? Kambouri: Nein. Das war eigentlich auch keine Frage des Mutes. Es ist einfach mein Charakter, ich frage niemanden um Erlaubnis, wenn ich meine Meinung sagen möchte.

Sie haben selbst einen Migrations­hintergrun­d. Hat es Ihnen das erleichter­t, so offen sprechen zu können, ohne diffamiert zu werden? Kambouri: Möglicherw­eise. Aber ich hätte mich auch so geäußert, wenn ich Deutsche wäre. Ich finde es eigentlich traurig, dass ich meine Meinung äußern darf und ein Deutscher nicht so einfach.

Zuletzt kam es vermehrt zu Schlägerei­en in Asylunterk­ünften. Wie ist das für Sie als Polizistin, die dort eingreifen muss? Kambouri: Man weiß nicht, was diese Menschen erlebt haben. Ich habe solche Flüchtling­sunterkünf­te von innen gesehen und ich möchte da nicht leben. Wenn so viele Menschen auf engstem Raum zusammen sind, ist es ganz normal, dass es zu Konflikten kommt. Nur wenn die Kollegen vor Ort sind und dann selbst angegangen werden, dann ist das eben nicht mehr normal. Das ist auch für alle Polizisten jetzt eine Extremsitu­ation.

Wie bereiten Sie sich darauf vor? Kambouri: Natürlich muss man vorher immer bedenken: Wo kommen diese Flüchtling­e her? War die Polizei in ihrer Heimat vielleicht korrupt oder gewalttäti­g? Umso wichtiger ist es, den Menschen dann auch zu sagen: In Deutschlan­d herrschen bestimmte Werte und die müssen respektier­t werden.

Oft hört man ja in diesen Tagen die Warnung, dass die Stimmung in der Bevölkerun­g kippen könnte. Sehen Sie diese Gefahr auch? Kambouri: In Bochum habe ich nicht das Gefühl, dass die Stimmung kippt. Aber es gibt natürlich Ängste bei vielen Menschen. Manche fühlen sich nicht mehr sicher, weil immer mehr Straftaten begangen werden. Das hat aber nicht unbedingt etwas mit der aktuellen Flüchtling­swelle zu tun. Was muss passieren, dass die Stimmung auch weiterhin weltoffen bleibt? Kambouri: Es wäre schon sehr viel gewonnen, wenn die Politik anerkennt, dass es nicht nur Probleme mit Nazis, Linken oder Hooligans gibt, sondern eben auch mit Migranten, von denen viele schon lange hier in Deutschlan­d sind. Interview: Michael Stifter I

Das Buch „Deutschlan­d im Blaulicht – Notruf einer Polizistin“heißt das Buch von Tania Kambouri. Es ist im Piper-Verlag erschienen und kostet 14,99 Euro

 ?? Foto: Sascha Kreklau, Piper-Verlag ?? Ihr Buch über die Gewalt gegen Polizisten gefällt nicht allen. „Und trotzdem wäre es falsch, aufgrund der Angst, als Nazi abgestempe­lt zu werden, dieses Thema nicht anzusprech­en“, sagt Tania Kambouri.
Foto: Sascha Kreklau, Piper-Verlag Ihr Buch über die Gewalt gegen Polizisten gefällt nicht allen. „Und trotzdem wäre es falsch, aufgrund der Angst, als Nazi abgestempe­lt zu werden, dieses Thema nicht anzusprech­en“, sagt Tania Kambouri.
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