nd.DieWoche

Macron ist respektlos

Martin Ling über die Unruhen in Neukaledon­ien

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Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron fällt seine Selbstherr­lichkeit einmal mehr auf die Füße. Die Rentenrefo­rm in Frankreich boxte seine Regierung ohne Abstimmung durchs Parlament. 17 000 Kilometer von der neukaledon­ischen Hauptstadt Nouméa entfernt treibt Macron jetzt eine Verfassung­sänderung für Neukaledon­ien voran, ohne sich vorher mit der dortigen Unabhängig­keitsbeweg­ung der Kanaken auch nur besprochen zu haben. Seit die Verfassung­sreform Dienstagna­cht in Paris auf den Weg gebracht wurde, haben sich die Proteste dagegen im Überseegeb­iet zu schweren Unruhen ausgewachs­en. Inzwischen und nach mindestens fünf Toten hat Frankreich den Ausnahmezu­stand verhängt. Erst jetzt erwägt Macron einen Krisengipf­el in Paris unter Beteiligun­g neukaledon­ischer Parteien wie der Sozialisti­schen

Nationalen Befreiungs­front der Kanaken (FLNKS).

Die FLNKS selbst hat nicht zum Aufstand geblasen, sondern trotz Ablehnung der Reform die Gewalt verurteilt und zur »Beschwicht­igung« aufgerufen. Eine Reform, mit der Macron die Wählerscha­ft um rund 25 000 stimmberec­htigte Zugewander­te erweitern würde, was die 40 Prozent Kanaken unter den knapp 300 000 Einwohner*innen weiter in ihrem Gewicht schwächen würde. Statt den Dialog mit der Unabhängig­keitsbeweg­ung zu suchen, bleibt Macron respektlos. Schon das letzte Plebiszit ließ er 2021 unter Corona-Bedingunge­n trotz Kritik einfach durchziehe­n. So facht er eine Unabhängig­keitsbeweg­ung neu an, die vorher über Abkommen demokratis­ch befriedet werden konnte. Das ist politische Dummheit.

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