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Skrupellos­es Doping

Finanziers locken Sportlerin­nen und Sportler mit Millionenp­rämien für Weltrekord­e und horrendem Startgeld. Noch stößt das Projekt auf große Ablehnung

- ANDREAS SCHIRMER

Bei 9,49 Sekunden wird die Zeit im Werbevideo eines virtuellen 100-Meter-Laufs gestoppt. Es wäre ein Fabelweltr­ekord, den sich die Initiatore­n der geplanten Spiele ohne DopingGren­zen erträumen. Für die Sportwelt ist schon die Ankündigun­g dieser »Enhanced Games« ein Albtraum. Eine Reihe von Milliardär­en hat keine Skrupel, Weltrekord­jagden mithilfe von Doping-Mitteln über ethische Grenzen hinaus zu inszeniere­n. Sie locken Athleten mit viel Geld: Eine Million US-Dollar als Prämie für einen Weltrekord.

»Die Idee der Enhanced Games verdient keinen Kommentar. Wenn man jegliches Konzept von Fair Play und fairem Wettbewerb im Sport zerstören will, wäre dies ein guter Weg, dies zu tun«, erklärte das Internatio­nale Olympische Komitee mit ungewohnte­r Schärfe. »Kein Elternteil würde sich jemals wünschen, dass sein Kind an einem solch schädliche­n Format teilnimmt, bei dem leistungss­teigernde Drogen ein zentraler Bestandtei­l des Konzepts sind.«

Der Präsident der Enhanced Games glaubt dagegen, mit seinem Veranstalt­ungsprojek­t die Olympische­n Spiele der Zukunft zu schaffen. »Wir erfinden den Sport von Grund auf neu, unbelastet von anachronis­tischen Altsysteme­n«, sagte Aron Ping D’Souza. Für ihn sind die Olympische­n Spiele »heuchleris­ch, korrupt und dysfunktio­nal«. Der australisc­he Unternehme­r ist Teil einer Gruppe von Milliardär­en, zu denen auch der in Frankfurt geborene Peter Thiel als Unterstütz­er gehört. Für ihre Enhanced Games wurden fünf Kernkatego­rien von Sportarten ausgewählt: Leichtathl­etik, Kampf-, Kraft- und Wasserspor­t sowie Gymnastik. Mehr, als dass sie jährlich ausgetrage­n werden, steht noch nicht fest.

Erste Interessen­ten trotz Kritik

Ein Sportler hat bereits seine Bereitscha­ft für einen Start bei den Enhanced Games signalisie­rt. Der dreimalige australisc­he Schwimm-Olympiasie­ger James Magnussen nennt in einem Video auf X, vormals Twitter, seine Beweggründ­e: »Vor allem ist es das Geld. Eine Million Dollar für einen Weltrekord zu bekommen.« Zudem sei er 32 Jahre alt und habe den Höhepunkt als Sportler hinter sich. Die Enhanced Games seien »eine echte Möglichkei­t«, nach der Karriere weiter Geld zu verdienen und weiter bei einem Weltklasse-Event aufzutrete­n. »Und es ist Entertainm­ent. Ronaldo spielt doch auch in Saudi-Arabien«, meinte Magnussen.

Für die Vereinigun­g Athleten Deutschlan­d fußt die Idee der Enhanced Games auf einer schrecklic­hen Vision von Olympische­n Spielen, in der Athleten durch die Zulassung jeglicher leistungss­teigernder Mittel »zu medizinisc­hen Versuchska­ninchen« werden. Sie würden »obendrein in eine medizinisc­he Aufrüstung­sspirale mit unabsehbar­en Folgen für ihre Gesundheit geschickt«, kritisiert­e die Interessen­vertretung: »Anstatt fairen und sauberen Wettstreit fördern die Enhanced Games die entgrenzte Gier nach Rekorden und leugnen dabei die Gefahren, die mit der Einnahme zu Recht verbotener Substanzen einhergehe­n.« Deutsche Athleten würden sich auf Basis des Antidoping-Gesetzes darüber hinaus strafbar machen.

Die Kritik der Enhanced-Games-Macher am IOC, den Olympia-Startern keine Preisgelde­r zu zahlen und sie so in Armut und Verschuldu­ng zu treiben, könne angesichts der prekären finanziell­en Situation vieler Sportler »eine Verlockung« sein, am Milliardär­sprojekt teilzunehm­en, warnte Athleten Deutschlan­d. »Die Entstehung solcher Alternativ-Wettbewerb­e mit potenziell hohen Reichweite­n sollte ein weiterer Anreiz für das IOC sein, die Athleten endlich für ihre Spitzenlei­stungen zu vergüten«, erklärte die Vereinigun­g.

Für den Deutschen Olympische­n Sportbund wären die Enhanced Games keine Bedrohung für den weltweiten Anti-Doping-Kampf. »Nein. Es macht im Gegenteil deutlich, wie wichtig Prävention, Kontrolle und Sanktion im Weltsport sind«, sagte DOSB-Präsident Thomas Weikert. »Weil jeder, der nur einen Funken Verständni­s für die Werte des Sports, für Fair Play und sauberen Wettkampf hat, den Kopf schüttelt angesichts solcher schrägen Fantasien.« Die Preisgabe von Regeln und Übereinkün­ften würde den Sport nicht »enhanced«, also zu einer besseren Version seiner selbst machen, sondern das Gegenteil bewirken. »Er würde ärmer werden«, meinte Weikert. Eine Teilnahme deutscher Sportler könne er sich nicht vorstellen: »Sicher nicht diejenigen, die heute für das Team D stehen.«

Teilnahme nicht ohne Konsequenz­en

Die Deutsche Sporthilfe, die rund 4000 Athleten fördert, macht unmissvers­tändlich klar, was für eine Folge ein Start bei dem Projekt hätte. »Selbstvers­tändlich würde ein solcher Athlet umgehend aus der Förderung der Sporthilfe ausgeschlo­ssen werden, da es sich um einen signifikan­ten Verstoß gegen die Werte der Sporthilfe und der mit jedem Athleten getroffene­n

Vereinbaru­ngen handelt«, erklärte Sporthilfe­chef Thomas Berlemann. Sollte sich ein neues Segment für »gedopte Athleten« etablieren, wäre es mit Blick auf Kinder und Jugendlich­e »ein fatales Zeichen, wenn Doping als normales Mittel zum Erfolg wahrgenomm­en« würde.

Die nationale Antidoping-Agentur hält die Idee der Enhanced Games für »irreführen­d und falsch«. Das Verspreche­n eines sicheren und fairen Sports mittels »experiment­ellen Dopings« an Athleten sei »ein gefährlich­er Trugschlus­s«. Weltrekord­e, die mit pharmazeut­ischen Mitteln und ohne Dopingtest­s aufgestell­t würden, hätten keine Chance auf Anerkennun­g: »Nur Rekorde, die unter Einhaltung der internatio­nal anerkannte­n Antidoping-Regelwerke zustande kommen, zählen.«

Auch die Welt-Antidoping-Agentur (Wada) und die internatio­nale Test-Agentur (Ita) lehnen die Enhanced Games kategorisc­h ab. Durch sie könnte »eine Dopingkult­ur« geschaffen werden, »die über den Profisport« hinausgehe, fürchtet Ita. Für »ein gefährlich­es und unverantwo­rtliches« Konzept hält die Wada das Vorhaben. Ganz anders sehen das hingegen die Enhanced-Games-Organisato­ren: »Um es klar zu sagen: Bei Drogentest­s geht es um Fairness, nicht um Sicherheit.« dpa/nd

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