nd.DerTag

Kein Raum für Kritik

Trotz Auslandsei­nsätzen legt Daniel Lücking keinen Wert aufs Veteranent­um.

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Die Definition des Begriffs »Veteran« ist seit Jahren strittig und fällt aktuell teils unerträgli­ch umfassend, teils diffamiere­nd abgrenzend aus. Veteranen sind derzeit nur Soldat*innen der Bundeswehr. Bürgerinne­n und Bürger, die »nur« in der Nationalen Volksarmee dienten, gehören nicht dazu. Dabei dürfte sich das Ausharren in den Kasernen des Kalten Krieges hüben wie drüben kaum grundlegen­d unterschie­den haben. Vom ehemaligen Wehrpflich­tigen, der bis 2011 für neun Monate Dienstzeit für Abenteueru­rlaub und Stiefelsau­fen eingerückt war, bis zum schwerverl­etzten Einsatzsol­daten wird auf Antrag das Veteranena­bzeichen zuerkannt. Einfach per Formular den Wunsch ans Personalam­t der Bundeswehr melden – zack – das Abzeichen wird übersandt.

Nicht allen scheint das zu genügen. Im Antrag, der »nd« noch ohne finale Unterschri­ft der Fraktionsg­remien von Ampel und Union am Dienstag dieser Woche vorlag, geht es um mehr: »Der Veteranent­ag soll öffentlich und sichtbar in der Mitte der Gesellscha­ft sowie zentral in Berlin« meist am 15. Juni stattfinde­n. Dem Datum, an dem 2019 das Veteranena­bzeichen zum ersten Mal verliehen worden ist. Sofern der Tag auf einen Werktag falle, sei er am Wochenende davor oder danach zu zelebriere­n. Beantragt wird auch, »Bildungs- und Informatio­nsangebote für die breite Öffentlich­keit« bereitzust­ellen sowie den Tag mit einer »geeigneten Kampagne in der breiten Öffentlich­keit bekannt zu machen und zu fördern«. Wer also bislang die Debatte um den nationalen Veteranent­ag nicht mitbekomme­n hat, dem soll Tag nun also auf gar keinen Fall entgehen.

Doppelt so lang wie der Antrags-Abschnitt, der das Brimborium einfordert, fällt die Liste an Verbesseru­ngen im Rahmen der Nachsorge und Versorgung von einsatzges­chädigten Veteranen*innen und deren Familien aus. Sie liest sich allerdings wie eine Liste von Mängeln, die spätestens nach dem Vietnam-Desaster des Bündnispar­tners USA in keiner Natoarmee mehr existieren dürften. Die Folgen der Kriege sind internatio­nal bekannt und treffen Militärper­sonal seit Generation­en gleicherma­ßen. Dass seit dem ersten Out-of-Areaeinsat­z der Bundeswehr in Kambodscha über 30 Jahre vergangene­n sind, sagt viel über den Stellenwer­t aus, den die Nachsorge bislang in der Bundeswehr hatte. Zahlen darüber, wie viele Veteran*innen an den Kriegserle­bnissen oder den Folgen der Dienstzeit zerbrachen, erhebt die Bundeswehr bis heute nicht.

Überdeutli­ch spiegelt der Antrag wider, was die unübersehb­ar rechtslast­ige Veteranenb­ewegung seit Jahren fordert. Dort darf man maximal Vorwürfe hinsichtli­ch einer mangelhaft­en Versorgung erheben. Wer hingegen die politische­n Aufträge oder das militärisc­he Handeln kritisiert, wird ausgegrenz­t und diffamiert. Sowohl innerhalb der Bundeswehr als auch in der Politik scheint beispielsw­eise die Frage danach unerwünsch­t zu sein, was ein in weiten Teilen rechtsradi­kales Kommando Spezialkrä­fte 20 Jahre in Afghanista­n getrieben hat.

Unvorstell­bar scheint es auch zu sein, die im Antrag geplanten Aufmerksam­keits- und Versorgung­sprivilegi­en für lokale Angestellt­e, sogenannte Ortskräfte, einzuforde­rn. Insbesonde­re in Afghanista­n waren sie integraler Bestandtei­l des militärisc­hen Handelns und nicht wenige mussten dann das Land mit ihren Familien verlassen. Die Folgen dieser Flucht sind nicht minder traumatisi­erend und behandlung­sbedürftig.

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FOTO: ND Daniel Lücking war zwischen 2005 und 2008 mehrfach als Offizier in Afghanista­n.

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