nd.DerTag

Visionär für den Frieden

Armeniens Premiermin­ister Nikol Paschinja braucht mehr Unterstütz­ung, findet Bernhard Clasen

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Eigentlich müssten Präsidente­n weltweit neidisch auf Armeniens Premier Nikol Paschinjan sein. Es kommt nicht oft vor, dass Politiker gewagte Schritte unternehme­n, die von so unterschie­dlichen Ländern und Bündnissen in Ost und West und sogar vom Erzfeind Aserbaidsc­han begrüßt werden. Paschinjan will Frieden mit seinem Nachbarlan­d Aserbaidsc­han. Beide Länder haben 30 000 Tote aus Kriegen der letzten 30 Jahre zu beklagen. Und deswegen führen sie einen Verhandlun­gsmarathon, an dessen Ende ein Friedensve­rtrag stehen soll.

Es ist eine Sensation, dass nun eine offizielle aserbaidsc­hanisch-armenische Kommission eingericht­et wurde, um den Grenzverla­uf zu regeln. Bei seinen Verhandlun­gen geht Paschinjan in Vorleistun­g, um des Friedens willen. Vier Dörfer, die seit 30 Jahren von Armenier*innen bewohnt werden, wurden diese Tage an Aserbaidsc­han zurückgege­ben, ohne dass Aserbaidsc­han es gleichgeta­n hat. Paschinjan hat Visionen. Eines Tages, so sagte er bei einem jüngsten Besuch in einem Grenzdorf, würden die Dorfbewohn­er sagen: »Wow, gut, dass es nur 50 Meter nach Aserbaidsc­han sind, dann können wir mit denen handeln.«

Trotz aller internatio­naler Unterstütz­ung: Zu Hause hagelt es Kritik an seiner Bereitscha­ft, auf Aserbaidsc­han zuzugehen. Und so gilt es, Paschinjan gerade jetzt zu unterstütz­en, mit Projektgel­dern, Besuchen hochrangig­er Politiker und dem Vorschlag, ihm den diesjährig­en Friedensno­belpreis zu verleihen. Ein Rücktritt oder Sturz von Paschinjan würde die gesamte Region in eine blutige Krise stürzen.

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