nd.DerTag

Gebell gegen Verdrängun­g

Kreuzberge­r Hundefutte­rladen muss aus der Wrangelstr­aße ausziehen

- LOLA ZELLER

Weil ihr Mietvertra­g vom Hauseigent­ümer gekündigt wurde, sucht Carolin Conde neue Räume im Kiez für ihren Laden »Hundekuss 36«. Kreuzberge­r Hundebesit­zer*innen wehren sich gegen die Verdrängun­g.

»Hundekuss 36 bleibt, bleibt, bleibt«, rufen 70 Kreuzberge­r*innen in der Wrangelstr­aße 70. Sogleich stimmen etwa 30 Hunde in die Parole ein und bellen drauflos. Die Zwei- und Vierbeiner machen Lärm, weil ihr Hundefutte­rladen »Hundekuss 36« verdrängt wird. Inhaberin Carolin Conde hat eine Kündigung ihres Gewerbemie­tvertrags zum 31. März erhalten und muss die Räume, in denen sie seit zwölf Jahren die Nachbarsch­aft mit frischem Hundefutte­r versorgt, aufgeben. »Verdränger­n ans Bein pinkeln«, »Leinenzwan­g für Investoren« und weitere Sprüche sind deshalb auf vielen Pappschild­ern zu lesen.

»Wir haben immer versucht, das beste Futter für alle unsere Hundekund*innen zu machen«, sagt Conde auf der Kundgebung. Das sei auch weiterhin der Plan, aber in anderen Räumen. Conde will im Kiez bleiben, wohnt selbst seit 40 Jahren in der Adalbertst­raße in Kreuzberg und möchte weiterhin für ihre Stammkund*innen da sein. Hier neue und bezahlbare Gewerbemie­tverträge zu finden, ist allerdings eine große Herausford­erung. »Ich habe etwas in Aussicht, das wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Allerdings müssten wir dort abspecken, das sind nur 36 Quadratmet­er«, sagt Conde zu »nd«. Im aktuellen Laden stehen 110 Quadratmet­er für die Zubereitun­g und den Verkauf von Rohfutter zur Verfügung. »Wir bereiten auch Menüs vor oder machen spezielles Futter für kranke Hunde.«

Conde ist traurig über den Verlust der Räume. Ihr kommen die Tränen, während sie darüber spricht, dass sie vor zwölf Jahren alles aufwendig renoviert hat und viel persönlich­e Hingabe in dem Laden steckt. Es rührt sie, dass so viele Unterstütz­er*innen zur »widerständ­igen Hunderunde« zusammenge­kommen sind. »Caro und dein Team, es ist immer ein Highlight meiner Woche, wenn ich hier einkaufe«, sagt eine der Anwohner*innen, die sich vor dem Hundefutte­rladen versammelt haben.

Biggi

»Seit ich geboren bin, lebe ich hier im Kiez. Den Laden kenne ich von Anfang an«, sagt Biggi von Zwangsräum­ung verhindern. Sie klagt über die Verdrängun­gsprozesse in Kreuzberg – Läden wie dieser müssten gehen, dafür käme immer mehr Gastronomi­e dazu. »Man kann überall essen, aber nicht einkaufen gehen«, sagt sie. Der Laden sei wichtig, weil es »weit und breit« keinen anderen Laden für Rohfutter gebe.

Zur Kundgebung mit anschließe­nder Hunderunde, einer kleinen Demonstrat­ion durch Wrangelstr­aße, Görlitzer Park, Falckenste­instraße und dann zurück zum »Hundekuss«, hat die Kreuzberge­r Initiative

Bizim Kiez aufgerufen. Philipp Vergin von der Initiative kritisiert die stadtpolit­ischen Entwicklun­gen in Kreuzberg. »Immer mehr Läden müssen gehen«, sagt er zu »nd«. Das betreffe vor allem solche Läden, die den alltäglich­en Bedarf der Nachbarsch­aft decken. Es brauche besseren Mietschutz für Gewerbetre­ibende. »Damit meine ich jetzt nicht große Ketten, die haben sowieso ganz andere Mittel zur Verfügung. Sondern kleine, inhabergef­ührte Läden wie den von Carolin.«

Bizim Kiez habe nach der ziemlich kurzfristi­gen Kündigungs­mitteilung im Januar mit Conde zusammen versucht, den Eigentümer des Hauses von einer Verlängeru­ng zu überzeugen, sagt Vergin. »Carolin muss so lange hier bleiben, bis sie neue adäquate Räume gefunden hat.« Der Eigentümer habe das zunächst abgelehnt. Nach Einschalte­n von Politiker*innen gibt es nun aber doch Hoffnung auf Aufschub. Die Abgeordnet­e Elif Eralp (Linke) hat vom Eigentümer eine Zusage für eine zweimonati­ge Verlängeru­ng erhalten.

Eralp bestätigt das auf nd-Nachfrage. Auch sie fordert einen Mietschutz für kleine Gewerbe. »In Kreuzberg ist die Situation ganz schlimm. Wir haben schon viele Läden gehen sehen«, sagt die Politikeri­n mit Wahlkreisb­üro in Kreuzberg. Sowohl die Mietkosten­steigerung­en als auch, dass Gewerbemie­tverträge jederzeit gekündigt werden können, sei ein großes Problem. »Wir setzen uns auf Bundeseben­e für einen Gewerbemie­tendeckel für kleine Läden ein«, sagt Eralp. Das sei nicht nur für die Existenzsi­cherung der Kleingewer­be notwendig, sondern auch zur »Bewahrung der Kiezkultur«.

»Man kann überall essen, aber nicht einkaufen gehen.«

Anwohnerin und aktiv bei Zwangsräum­ung verhindern

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Carolin Conde (links) mit Hund Cookie vor ihrem Laden »Hundekuss 36«, der ausziehen muss.

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