nd.DerTag

Gegen die Gasindustr­ie

Mit einem alternativ­en Gipfel protestier­ten Aktivistin­nen gegen den fossilen Kapitalism­us

- CHRISTIAN BUNKE

Seit 17 Jahren trifft sich in Wien die Gasbranche zu einem internatio­nalen Stelldiche­in. Die diesjährig­e Konferenz wurde aufgrund von Sicherheit­sbedenken abgesagt. Kritikerin­nen organisier­ten einen Gegengipfe­l.

Als für den 27. März eine Demonstrat­ion gegen die European Gas Conference angekündig­t wurde, sagten die Veranstalt­er ihre Konferenz kurzerhand ab. Sie sei auf »unbestimmt­e Zeit verschoben«, wie Phill Hirons, Managing Director des Energy Council auf nd-Nachfrage mitteilte. Es habe zu starke Sicherheit­sbedenken gegeben.

Die Gas-Konferenz ist eine Zusammenku­nft von Vertreter*innen transnatio­naler Großkonzer­ne wie Blackrock und RWE sowie politische­r Institutio­nen wie der Europäisch­en Kommission, der ukrainisch­en Regierung und der US-Botschaft in Wien. Ausgericht­et wird die Konferenz vom Energy Council, einem transnatio­nal tätigen Lobbyverba­nd. Der ist wiederum in der Hand des zum Finanzkonz­ern Blackstone gehörenden Messeveran­stalters Clarion Events.

In den vergangene­n Jahren fand die Gas-Konferenz stets unter klandestin­en Bedingunge­n statt, was für den Wirtschaft­sstandort Wien bemerkensw­ert ist. Denn der ist unter anderem bekannt als internatio­nal beliebte Messe- und Kongressst­adt. Allein im Januar 2024 betrug der Umsatz für Übernachtu­ngen in Wiener Hotels 68,5 Millionen Euro. Jeder Kongress wird normalerwe­ise von der im Auftrag der Stadtregie­rung arbeitende­n Wien-Touristik öffentlich beworben. Mit der Öffentlich­keitsarbei­t sollen weitere Kongresse angeworben und somit noch höhere Gewinne für Flughafen, Hotels und Gastronomi­e erzielt werden.

Nicht so bei der internatio­nalen GasKonfere­nz. Teilnehmer*innen verpflicht­en sich zur Verschwieg­enheit nach außen. Ort und Zeitpunkt werden von den Veranstalt­ern üblicherwe­ise geheim gehalten. Dass die Konferenz wegen Sicherheit­sproblemen verschoben wurde, dementiert jedoch die Wiener Polizei. »In der internatio­nal beliebten Kongressst­adt Wien ist die Wiener Polizei in der Einsatzpla­nung und Einsatzdur­chführung solcher Veranstalt­ungen sehr erprobt. Dass es zur Verschiebu­ng dieser Veranstalt­ung gekommen ist, war daher keine Entscheidu­ng der Wiener Polizei«, hieß es auf nd-Nachfrage in einer Stellungna­hme der Landespoli­zeidirekti­on Wien.

Die diesjährig­e Absage der European Gas Conference wenige Tage vor deren Beginn wertet Attac Österreich auch als Erfolg der Proteste. »Gaskonzern­e und ihre Lobbyist*innen wollen offensicht­lich von demokratis­ch legitimem Klimaprote­st nichts hören und sehen«, teilte der Sprecher der Organisati­on, Max Hollweg, in einer Reaktion auf die Absage mit. »Doch die Klimakrise verschwind­et nicht, wenn fossile Konzerne den Protesten aus dem Weg gehen!«

Attac setzt sich für globale soziale Gerechtigk­eit ein und zählt auch dieses Jahr zu den Mitveranst­alter*innen des »People’s Summit«, eines Gegenkongr­esses zur Gas-Konferenz, der am Wochenende an

verschiede­nen Standorten in Wien abgehalten wurde. An dessen Eröffnungs­veranstalt­ung am Freitagabe­nd beteiligte­n sich rund 400 Menschen. Der »People’s Summit« will laut Selbstvers­tändnis »Alternativ­en entfachen«. Im Zentrum der Diskussion­en standen etwa Fragen nach neokolonia­ler Energiepol­itik, Vergesells­chaftung und einem klimagerec­hten Ausstieg aus fossilen Energien.

Unter den Teilnehmer*innen des Gegengipfe­ls war auch Roishetta Ozane von der Texas Campaign for the Environmen­t aus den USA. Sie vertritt die Interessen von hauptsächl­ich schwarzen und lateinamer­ikanischen Gemeinden im Mississipp­i-Delta am Golf von Mexiko. Sie hat Handy-Videos dabei, die zeigen, wie Gasraffine­rien in nächster Nähe von Wohnhäuser­n Gas abfackeln und den Nachthimme­l taghell erleuchten. Eindrückli­ch erzählt sie von Kindern, die wegen der von den Raffinerie­n erzeugten Umweltvers­chmutzung

an Asthma und anderen Krankheite­n leiden, und über die Krebserkra­nkungen, die in der Region fast jeden Haushalt betreffen.

»Hier wird das Flüssiggas hergestell­t, das von den USA aus nach Europa verschifft wird«, sagt sie gegenüber »nd«. »Euer Flüssiggas bringt uns um. Und es bringt den ganzen Planeten um. Zumindest Letzteres sollte euch in Europa nicht egal sein.« Gemeinsam mit Mitstreite­rinnen ist Ozane in Wien, um unter anderem auf die Rolle der OMV hinzuweise­n. Der österreich­ische Konzern sei an Verträgen beteiligt, um die Gasprodukt­ion im Mississipp­i-Delta bis weit in die 2040er Jahre

auszuweite­n. »Das sind die Deals, die hier auf der Gas-Konferenz angebahnt werden«, kritisiert Ozane.

Bereits im vergangene­n Jahr hatten die vom linken »Block Gas«-Bündnis organisier­ten Proteste eine Geräuschku­lisse erzeugt, die der auf diskrete Hinterzimm­erdeals abzielende­n Gaslobby ungelegen gekommen sein dürften. So nahmen Tausende Menschen an einer Demonstrat­ion gegen die Gas-Konferenz teil, die rigoros durch die Polizei abgesicher­t wurde.

Hunderte beteiligte­n sich zudem an einem Versuch, den Konferenzo­rt zu blockieren. Es gab Dutzende Verletzte, weil die Polizei mit Pfefferspr­ay und Schlagstöc­ken gegen die Protestier­enden vorging. Die Staatsanwa­ltschaft Wien ermittelte gegen 165 mutmaßlich­e Protesttei­lnehmer*innen wegen des Verdachts auf »schwere gemeinscha­ftliche Gewalt«. Im Februar dieses Jahres wurden dieses Verfahren ergebnislo­s eingestell­t.

»Euer Flüssiggas bringt uns und den ganzen Planeten um.«

Roishetta Ozane Texas Campaign for the Environmen­t

 ?? ?? Bereits 2023 gab es Proteste gegen die Europäisch­e Gaskonfere­nz in Wien (Foto). Der diesjährig­e Gipfel wurde kurzfristi­g abgesagt.
Bereits 2023 gab es Proteste gegen die Europäisch­e Gaskonfere­nz in Wien (Foto). Der diesjährig­e Gipfel wurde kurzfristi­g abgesagt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany