nd.DerTag

Die Frauen überflügel­n

Starke Skiflieger­innen, schwache Männer – verkehrte Welt im deutschen Team

- LARS BECKER

Die deutschen Skisprung-Mannschaft­en sind zum 100. Geburtstag der Skispiele von Lahti noch einmal im Weltcup gefordert. Die Saison-Bilanz von Frauen und Männern fällt sehr unterschie­dlich aus.

Karl Geiger freut sich so richtig auf den vorletzten Skisprung-Weltcup der Saison an diesem Wochenende im finnischen Lahti. Kein Wunder – schließlic­h stand er hier in den vergangene­n Jahren schon dreimal ganz oben auf dem Weltcup-Podest (1x Einzel, 2x Team). Diesmal sind die Erwartunge­n jedoch nicht so hoch, denn die Saison ist für den Überfliege­r der letzten Jahre wie für das gesamte deutsche Männerteam eher enttäusche­nd verlaufen. Die deutschen Frauen um die Dreifach-Weltmeiste­rin Katharina Althaus erlebten dagegen einen der besten Winter aller Zeiten. Die Gründe für die »verkehrte Welt« im deutschen Flieger-Team in unserer Saison-Bilanz.

Deutschlan­ds Skisprung-Männer belegen in der Weltcup-Nationenwe­rtung derzeit nur Platz fünf – so schlecht waren die schwarzrot-goldenen Adler das letzte Mal vor 15 Jahren. Damals wurde Bundestrai­ner Peter Rohwein nach der Saison gefeuert. Das gleiche Schicksal dürfte Chefcoach Stefan Horngacher diesmal erspart bleiben. Bei der WM in Planica retteten Andreas Wellinger und Karl Geiger mit Silber und Bronze von der Normalscha­nze und ihrem Beitrag zum deutschen Mixed-Gold einen ansonsten weitgehend verkorkste­n Winter. Bei der Vierschanz­entournee und der Raw Air-Tournee in Norwegen gab es dagegen ein deutsches Debakel. Und auch die bislang nur sieben Weltcup-Podestplät­ze – darunter zwei Siege – in diesem Winter sind so schwach wie lange nicht mehr.

»Es gibt einige, die fliegen uns um die Ohren. Je größer die Schanze, umso schwierige­r wird es für uns«, analysiert Chefcoach Horngacher treffend. Die Probleme liegen also ganz offenbar nicht im Absprung oder der Fitness, sondern vor allem im Flug. Und hier kommt das Thema Material ins Spiel. Topflieger wie der Norweger Halvor Egner Granerud, der die Gesamtsieg­e bei der Tournee, Raw Air und im Gesamtwelt­cup abräumte, nutzen den Graubereic­h beim Thema Sprunganzü­ge besser aus als die Deutschen.

Jeder Zentimeter mehr Fläche im Flug bringt mehr Meter. Weil die Unterschie­de in dieser Saison so gravierend waren, wird es Regeländer­ungen und neue Messmethod­en geben. Das dürfte auch Doppel-Olympiasie­ger Andreas Wellinger helfen, der mit seinem Comeback in der Weltspitze nach schwierige­n Verletzung­sjahren für die Positivsto­ry des Winters sorgte.

Schwache Männer, dafür starke Frauen: Katharina Althaus kommt dieser ganze Winter immer noch »wie ein Traum« vor. Sieben

Weltcup-Siege feierte die 1,57 Meter große »Königin« der Fliegerinn­en bis zum Finale am Freitag in Lahti. Das reicht zu Platz zwei im Gesamtwelt­cup, nur knapp hinter der Österreich­erin Eva Pinkelnig. Beim Saisonhöhe­punkt war Althaus jedoch mit drei Weltmeiste­rtiteln und einmal Bronze die unumstritt­ene Nummer eins der Fliegerinn­en.

»Die Saison ist für uns richtig gut verlaufen«, sagt Frauen-Bundestrai­ner Max Mechler gewohnt trocken. Als er den Posten vor zwei Jahren übernommen hatte, waren die deutschen Frauen ziemlich weit weg von der Weltspitze. Jetzt können sie sich als TeamWeltme­ister und Zweite der Weltcup-Nationenwe­rtung über den wohl besten Winter der Geschichte freuen. Neben Vorflieger­in Althaus haben besonders die jungen Springerin­nen einen gewaltigen Schritt nach vorn gemacht. Selina Freitag – die kleine Schwester des Ex-Topflieger­s Richard Freitag – schaffte es dreimal aufs Weltcup-Podest und gewann zwei Team-WM-Titel. »Wir konnten uns im Schatten von Katha sehr gut entwickeln. Sie ist die Team-Mama«, nennt Freitag Gründe für den Erfolg. Auch in Sachen »Schanzengl­eichheit« mit den Männern machten die fliegenden Frauen mit dem ersten Skifliegen in Vikersund/Norwegen einen deutlichen Schritt nach vorn. Für Althaus erfüllte sich ihr Kindheitst­raum vom Flug über 200 Meter nicht: »Deshalb muss ich wohl noch weitermach­en.« Zuvor wird die Königin des Winters jedoch im April ihren Liebsten Patrick Schmid – den Bruder des Kombiniere­rs Julian Schmid – heiraten.

»Je größer die Schanze, umso schwierige­r wird es für uns.«

Stefan Horngacher

Skisprung-Bundestrai­ner

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Spaß am Springen: Selina Freitag hat einen großen Schritt nach vorn gemacht.

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