Straffrei, aber nicht geregelt
Abgeordnete von FDP, SPD und Linke haben am Freitag einen Gesetzesentwurf zur Suizidhilfe vorgestellt
Das Bundesverfassungsgericht kippte im vergangenen Jahr das Verbot kommerzieller Sterbehilfe. Bundestagsabgeordnete haben nun einen Gesetzentwurf zur Suizidhilfe vorgestellt.
Die Bundestagsabgeordneten Katrin HellingPlahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD) und Petra Sitte (Linke) haben einen gemeinsamen Gesetzesentwurf zur Suizidhilfe vorgestellt. Damit reagierten sie auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), das vor einem Jahr das Verbot von geschäftsmäßiger Sterbehilfe gekippt hatte. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben, entschied das Gericht. »Das hat uns in eine schwierige Position gebracht«, erklärte der Gesundheitsexperte der Sozialdemokraten, Karl Lauterbach: »Die Sterbehilfe ist völlig straffrei, aber nicht geregelt«. Der interfraktionelle Gesetzesentwurf soll das Recht auf einen selbstbestimmten Tod legislativ absichern. Es sei ein »Gebot der Menschlichkeit, Betroffene nicht auf unsichere oder schmerzhafte Methoden
zu verweisen«, sagte Helling-Plahr.
Der Entwurf sieht vor, dass Ärzt*innen das Medikament zur Selbsttötung verschreiben dürfen, nachdem Suizidwillige sich in einer unabhängigen Beratungsstelle vorgestellt haben. Dazu soll das Betäubungsmittelgesetz geändert werden. Sitte stellte klar, dass Mediziner*innen nicht gezwungen würden, Suizidhilfe zu leisten. Lauterbach hätte die Begrenzung der Suizidhilfe auf Schwerstkranke und Sterbende bevorzugt, erklärt er. Dies sehe das Karlsruher Urteil aber nicht vor.
Durch die obligatorische unentgeltliche Beratung, die mindestens zehn Tage zurückliegen muss und höchstens acht Wochen vor der Medikamentverschreibung gelegen haben soll, wird nach Einschätzung der Abgeordneten sichergestellt, dass die Entscheidung dem freien Willen der Betroffenen entspreche. Auch Alternativen sollten besprochen werden. Minderjährige sieht Lauterbach davon ausgeschlossen. Helling-Plath ergänzte, in Einzelfällen könnte dies aber auch anders beurteilt werden. Durch diese gesetzliche Regelung solle auch kommerziellen Anbietern das Geschäftsmodell entzogen werden, sagte Sitte gegenüber »nd«. Lauterbach hätte die kommerzielle Sterbehilfe am liebsten direkt verboten. Das sei aber nach geltender Rechtslage nicht möglich.
Der Verein Sterbehilfe des früheren Hamburger Senators Roger Kusch kritisierte den Vorschlag als unverhältnismäßig. Ein staatlicher Beratungszwang setze Sterbewillige einem Rechtfertigungsdruck aus. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hält dagegen die Beratung für unzureichend.
Ein Alternativentwurf kommt von den Grünen-Abgeordneten Renate Künast und Katja Keul. Dieser unterscheidet, ob Betroffene den Tod wegen schwerer Krankheit anstreben oder aus anderen Gründen.Bei letzteren sollen besonders hohe Anforderungen gelten. Auch in den Kirchen wird über das Thema debattiert. Die evangelische Theologin Isolde Karle warnte vor Stigmatisierung von Menschen, die sterben wollen. Der Vorstandsvorsitzende der Diakonie, Mathias Hartmann, lehnt »ein Regelangebot für assistierten Suizid« in Kircheneinrichtungen ab.
Im Kontext der Corona-Pandemie mag sich die Frage stellen, ob der Zeitpunkt für eine Debatte der Suizidhilfe gut gewählt ist. Sitte sagt dazu: »Auf den Umgang mit Covid werden Regelungen zur Suizidhilfe keinerlei Auswirkungen haben.« Es seien vor allem Menschen, die an unheilbaren Krankheiten leiden und ohne Aussicht auf Heilung oder Besserung unter schweren Schmerzen zu leiden haben, die sich entschlossen und dauerhaft ein Ende ihres Lebens wünschen.
Bislang ist Sterbehilfe zwar straffrei, es gibt aber weder eine gesetzliche Regelung noch staatliche Beratungsstellen. Ärzt*innen ist es durch die Berufsordnung verboten, Hilfe zur Selbsttötung zu leisten. Zudem hält Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an seiner Anweisung an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte fest, Anträge von Suizidwilligen auf Aushändigung einer tödlichen Dosis des Betäubungsmittels NatriumPentobarbital abzulehnen. Helling-Plahr kritisiert, damit sei Spahn über das hinausgegangen, was er als Minister eigentlich dürfe. Die Abgeordneten betonten, es gehe nicht um persönliche Moralvorstellungen, sondern darum, dem Urteil zu entsprechen und den Bürger*innen ihre Grundrechte zu garantieren.