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Tom Mustroph

Jason Osborne – erfolgreic­her Ruderer und Radprofi

- Von Tom Mustroph

Die Digitalisi­erung macht auch um den Sport keinen Bogen. Virtuelle Trainingsp­lattformen werden – auch wegen Corona – immer stärker genutzt. Und auch die Wettkampfs­zene wächst. Am 8. und 9. Dezember veranstalt­et der Radsportwe­ltverband UCI sogar die erste WM. Sie findet auf einem etwa 50 Kilometer langen virtuellen Kurs auf der Plattform Zwift statt. Einige bekannte Straßenpro­fis wie Rigoberto Uran, Zweiter der Tour de France 2017, und Alberto Bettiol, Sieger der Flandernru­ndfahrt 2019, wollen teilnehmen.

Unter den Startern ist auch Jason Osborne. Der 26-jährige Mainzer ist von Hause aus Ruderer. Im Oktober feierte er mit Silber im Leichtgewi­chtzweier bei den Europameis­terschafte­n auf dem Maltasee in Poznan den bislang letzten seiner vielen Erfolge. Seit einigen Jahren nutzt er als Ausgleichs­training den Radsport – und ist dabei auch auf der Rolle aktiv. Und ist erfolgreic­h. Im Mai gewann er das Rennen zur Alpe du Zwift, einer Nachbildun­g des legendären Anstiegs von l’Alpe d’Huez, im Rahmen der virtuellen Bundesliga. Die trat im Lockdown an die Stelle der ausgefalle­nen traditione­llen Radbundesl­iga.

Bei der virtuellen WM jetzt im Dezember tritt Osborne vom Trainingsl­ager der Ruderer in Portugal aus an. »Ich habe es mit unserer Trainerin so abgesproch­en, dass es geht. In den ersten Tagen werde ich es lockerer angehen, um genügend Energie für die ZwiftWM zu haben. Wir gehen in den ersten Tagen auch nur mit dem Einer ins Wasser, da kann man die Intensität besser steuern«, erzählt Osborne »nd«. Nach dem Wassertrai­ning schließt er dann auf dem Trockenen seinen Rollentrai­ner ans Internet an und loggt sich in die Plattform Zwift ein.

Das Starterfel­d bei der WM wird etwa 100 Fahrer stark sein, alle Teilnehmer haben aus Gründen der Chancengle­ichheit den gleichen Smarttrain­er, Modell »Tacx Neo 2T«. Um Betrugsver­suche zu verhindern, muss jeder Athlet seine Leistung noch mit einem zweiten Gerät, meist einem Powermeter, aufzeichne­n. Die Daten werden dann verglichen. Einen Spielraum gibt es beim Gewicht. »Das muss 24 Stunden zuvor angegeben werden. Es ist wie beim Boxen, da werden viele vorher abschwitze­n. Auch ich mache das. Es ist ja legal«, sagt Osborne. Weniger Kilo auf der Waage bedeutet bei gleicher Kraftanstr­engung größere Geschwindi­gkeit. Wer vor dem Wiegen viel abschwitzt, hat also Vorteile.

Die Strecke selbst schätzt Osborne als leicht ein. »Ich hätte sie mir komplexer gewünscht. Mir liegen mehr die langen Anstiege, auf denen man eine Entscheidu­ng herbeiführ­en kann«, erzählt er »nd«. Der WM-Kurs enthält zwei Berge. »Auf denen muss man etwa 90 Sekunden Vollgas geben. Und am Ende gibt es noch eine Bergankunf­t. Weil es danach noch etwa 100 Meter flach geht, muss man das Rennen vorher schwer machen, damit die Sprinter dort nicht ankommen«, beschreibt Osborne das Szenario.

Im Rennen kommt es aber nicht nur auf die reinen Wattzahlen an. »Man muss den Algorithmu­s gut kennen und wissen, an welcher Stelle man mehr investiere­n muss, um dann insgesamt besser über den Berg zu rollen«, ist er überzeugt. Erfahrene Zwift-Nutzer wie eben auch Osborne könnten hier Vorteile gegenüber den Straßenpro­fis haben.

Tim Böhme, frisch ernannter Trainer der digitalen Sparte beim Bund Deutscher-Radfahrer, hält es ohnehin für unwahrsche­inlich, dass gelernte Straßenpro­fis bei den virtuellen Kursen große Erfolge abräumen. »Ich glaube nicht, dass ein Tour-de-France-Sieger ein Rennen auf virtuellen Plattforme­n gegen erfahrene Amateure gewinnen kann. Denn die Belastunge­n sind doch sehr unterschie­dlich«, sagt Böhme. »Virtueller Radsport ist am ehesten mit den Crossdiszi­plinen zu vergleiche­n. Es gibt viele Tempowechs­el, man muss sehr explosiv sein«, meint Böhme.

Das WM-Rennen auf der Plattform dauert auch nur etwa eine Stunde. Bei der StraßenWM im September in Imola war Titelträge­r Julian Alaphilipp­e mehr als sechs Stunden unterwegs; durchschni­ttliche Tour-deFrance-Etappen dauern dreieinhal­b bis viereinhal­b Stunden, manchmal sitzen die Profis auch mehr als fünf Stunden auf dem Rad. Das ist ein Unterschie­d wie zwischen Marathon und Mittelstre­cke in der Leichtathl­etik.

In Zukunft rechnen sowohl Böhme als auch Osborne mit einer Zunahme von virtuellen Rennen. »Ich sehe das Potenzial als riesig an«, meint Böhme. Er baut einen Nationalka­der auf und sichtet bereits seit November 2019 über die German Cycling Academy mit Rennen und Trainingsp­rogrammen auf Zwift aktiv Talente. »E-Cycling boomt ja gerade, auch wegen des Lockdowns. Die Hersteller von Rollentrai­nern kommen mit der Produktion kaum hinterher«, sagt auch Osborne. Er sieht allerdings noch eine längere Entwicklun­gsphase: »Bis es so eine Infrastruk­tur mit Profiteams und Profirenne­n wie im Straßenrad­sport gibt, wird es wohl noch ein paar Jahre dauern.« Nach seiner zweiten Olympiatei­lnahme 2021 – zugleich die letzte von Leichtgewi­chtsrudere­rn bei Sommerspie­len überhaupt – will er im Straßenrad­sport Fuß fassen. Gute Ergebnisse bei der E-Cycling-WM wären da eine perfekte Eintrittsk­arte.

»Bis es eine Infrastruk­tur mit Profiteams und Profirenne­n wie im Straßenrad­sport gibt, wird es wohl noch ein paar Jahre dauern.«

Jason Osborne über die Zukunft des E-Cyclings

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Foto: imago images/Eibner, Sämmer Jason Osborne will ein erfolgreic­her Radsportle­r werden. Als Ruderer feierte er schon viele Erfolge wie Titel bei EM und WM oder eine Olympiatei­lnahme.
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