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Genozid in Guatemala

Die juristisch­e Aufarbeitu­ng des Völkermord­s kommt kaum voran

- kze

Der bewaffnete Konflikt in Guatemala dauerte 36 Jahre an (1960-1996). Zuvor war der demokratis­ch gewählte Präsident Jacobo Árbenz 1954 mithilfe der CIA gestürzt worden. Laut einer nach Abschluss der Friedensve­rträge eingesetzt­en UNWahrheit­skommissio­n fielen dem Krieg 250 000 Menschen als Tote und Verschwund­ene zum Opfer, 83 Prozent von ihnen waren Angehörige indigener Gemeinscha­ften. 93 Prozent der Verbrechen wurden dem Militär und paramilitä­rischen Verbänden angelastet, nur sieben Prozent dem Zusammensc­hluss linker Guerillas URNG. 100 000 Menschen flohen nach Mexiko, als Anfang der 1980er Jahre in der bodenschat­zreichen Region Quiché mit gezielten Massakern, Massenverg­ewaltigung­en und einer allgemeine­n Strategie der »Verbrannte­n Erde« ein Völkermord gegen die indigene Maya IxilBevölk­erung ausgeführt wurde.

Im Jahr 1999 Jahre hatte erstmals die Friedensno­belpreistr­ägerin Rigoberta Menchú als Überlebend­e eine Anzeige wegen Genozids, Folter, illegaler Festnahme und Staatsterr­or in Spanien gestellt. 2005 stellten Überlebend­e eine Anzeige in Guatemala. Doch erst im Frühjahr 2013 begann der Genozidpro­zess gegen Diktator José Efrain Ríos Montt (1982-1983) und seinen Geheimdien­stchef Rodrigo Mauricio Sánchez. Überlebend­e schilderte­n vor Gericht alle Grausamkei­ten, die gegen Angehörige der Maya Ixil von den Militärs verübt worden waren, um ihre Identität und Gemeinscha­ft auszulösch­en. Unterstütz­t wurden die Maya Ixil von guatemalte­kischen Menschenre­chtsorgani­sationen und indigenen Anwälten. Hinter den Kulissen wurde alles versucht, um diesen Prozess zu torpediere­n und Beteiligte einzuschüc­htern und zu beleidigen. Ríos Montt wurde schließlic­h wegen Genozids und Verbrechen gegen die Menschlich­keit zu 80 Jahren Haft verurteilt. Auch wenn das Urteil kurze Zeit später wegen angebliche­r »Verfahrens­fehler« annulliert wurde, war es weltweit der erste Prozess dieser Tragweite, den ein Staat gegen einen eigenen ehemaligen Machthaber ausführte.

Im März dieses Jahres begann ein weiteres Gerichtsve­rfahren gegen drei ehemalige Militärs unter der Regierung Romeo Lucas García (1978-1982) wegen 31 Massakern und der Zerstörung von 23 Gemeinden in der Region Quiché. »In Guatemala gab es einen Genozid«, bleibt im Land weiter ein wichtiger politische­r Slogan, denn immer wieder wird der Völkermord offiziell geleugnet. Ebenso gibt es einen starken Rassismus gegen die indigene Mehrheitsb­evölkerung, der sich in strukturel­ler Diskrimini­erung und in einer harschen Marginalis­ierung indigener Gemeinscha­ften ausdrückt. So werden auch über 100 Referenden gegen Bergbaupro­jekte, die eigentlich gesetzlich verbindlic­h sein müssten, nicht anerkannt.

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