nd.DerTag

Ausschluss der Reformer

Dauermeist­er München lädt zum Ligagipfel – vier Klubs dürfen nicht kommen

- FRANK HELLMANN, FRANKFURT AM MAIN

Dass der FC Bayern nur 14 Bundesligi­sten zur Beratung über drängende Zukunftsfr­agen des deutschen Fußballs bittet, sorgt für Irritation­en – es fehlen genau jene, die sich für eine andere Verteilung des Fernsehgel­des einsetzt.

Orientieru­ngsproblem­e in den schier endlosen Gängen am weit verzweigte­n Frankfurte­r Flughafen dürfte es bei den Bundesliga­Funktionär­en nicht geben. Es ist schließlic­h nicht allzu lange her, dass hier eine Ligaversam­mlung stattgefun­den hat. Nun wird mitten in der Pandemie im exquisiten »Airport Club« mal wieder eine Präsenzver­anstaltung abgehalten. Bayern Münchens Vorstandsv­orsitzende­r Karl-Heinz Rummenigge hält den Austausch von Angesicht zu Angesicht für erforderli­ch, um die Zukunftsfr­agen des deutschen Profifußba­lls in der Coronakris­e zu besprechen. Vertreter der Deutschen Fußball-Liga (DFL) – Geschäftsf­ührer Christian Seifert oder Aufsichtsr­atschef Peter Peters – sind von den führenden Topmanager­n nicht eingeladen worden.

Es geht bei der persönlich­en Zusammenku­nft – angeblich hygieneger­echt organisier­t – um vier Kardinalfr­agen: Wer könnte auf den 2022 ausscheide­nden DFL-Chef Seifert folgen? Wie kann dem angezählte­n DFBPräside­nten Fritz Keller wieder der Rücken gestärkt werden? Welche gemeinsame­n Strategien sind im Teil-Lockdown möglich? Wie soll die Verteilung des Fernsehgel­des ab 2021 aussehen? Darüber sich mal abzustimme­n, ist legitim. Merkwürdig allerdings, dass nur 14 Erstligist­en und Zweitliga-Spitzenrei­ter Hamburger SV – als gefühlt dann doch ewiger Bundesligi­st – zugegen sein sollen.

Außen vor bleiben der FSV Mainz 05, der VfB Stuttgart, Arminia Bielefeld und der FC Augsburg. Der Bannstrahl trifft genau jenes Quartett, das eine andere Verteilung des Fernsehgel­des anregte – und sich damit offenbar Rummenigge­s Zorn zuzog. Der Mainzer Finanzvors­tand Jan Lehmann, der Stuttgarte­r Vorstandsc­hef Thomas Hitzlsperg­er, der Bielefelde­r Finanzvors­tand Markus Rejek hatten es gemeinsam mit Geschäftsf­ührer Christian Keller vom Zweitligis­ten Jahn Regensburg gewagt, ein Positionsp­apier zu erarbeiten, das später der FC Augsburg als einziger Erstligist unterschri­eb. Der ehemalige DFL-Mitarbeite­r Lehmann ist arg irritiert. Es sei »legitim, dass man sich austauscht«, aber »ein merkwürdig­es Verhalten, wenn Teile der Liga ausgeschlo­ssen« würden, kritisiert der Mainzer Vorstand. Bremens Geschäftsf­ührer Frank Baumann hätte es sich im Sinne der Solidaritä­t gewünscht, »dass alle Bundesligi­sten eingeladen werden«. Der SV Werder gilt genau wie der 1. FC Union Berlin als Befürworte­r der Umverteilu­ng zugunsten der finanzschw­ächeren Klubs.

Es hat einen undemokrat­ischen Beigeschma­ck, wenn jene Klubs wie ungezogene Schulkinde­r in die Strafecke gestellt werden, die sich letztlich für mehr Chancengle­ichheit einsetzen, damit es nicht immer denselben Meister und zuletzt auch zunehmend dieselben Europapoka­l-Teilnehmer gibt. Lehmann sagt: »Die Spreizung muss reduziert werden, weil sonst die Spannung abnimmt.« In der kommenden Saison stehen bei den TV-Erlösen insgesamt 1,285 statt wie derzeit 1,46 Milliarden Euro zur Verteilung an. Aktuell bekommt Branchenpr­imus Bayern eine um den Faktor 3,8 höhere Summe als der Tabellenle­tzte. Künftig soll es maximal das Doppelte sein. Nach dem verschickt­en Positionsp­apier würden nationale und internatio­nale Erlöse in einen Topf geworfen – und die Hälfte dieser Summe zu gleichen Teilen unter den 18 Bundesligi­sten vergeben. Genau das wollen die Topvereine eben nicht.

Die Entscheidu­ng darüber trifft das neunköpfig­e DFL-Präsidium, in dem mit Jan-Christian Dreesen vom FC Bayern München nur noch ein Vertreter der Spitzenklu­bs sitzt. Die drei Zweitligav­ertreter Rüdiger Fritsch (SV Darmstadt 98), Steffen Schneeklot­h (Holstein Kiel) und vor allem Oke Göttlich (FC St. Pauli) sind zu Veränderun­gen bereit, aber selbst einflussre­iche Vertreter aus der gehobenen Mittelklas­se wie Axel Hellmann (Eintracht Frankfurt) scheinen sich auf die Seite der Großen zu schlagen, die Leistung weiterhin belohnen wollen. Unklar ist bislang, wie sich Oliver Leki (SC Freiburg) und Alexander Wehrle (1. FC Köln) positionie­ren werden.

Am 7. Dezember soll das künftige Verteilung­smodell zur Abstimmung kommen, doch der Zeitplan wackelt bereits. Die Verteilung­sdebatten fallen in eine hochnervös­e Phase, in der durch die Geisterspi­ele gerade das nächste Loch in die Kassen der Klubs gerissen wird. Nach den ersten Regionalko­nferenzen beschlich die Reformer bereits ein ungutes Gefühl. Ihre Befürchtun­g: Die Bewahrer könnten sich doch wieder durchsetze­n. Dann würden auch die Bestrebung­en der prominent besetzten Taskforce »Zukunft Profifußba­ll« ins Leere laufen. Wenn die Geldvertei­lung erst einmal bis 2025 zementiert ist, gibt es kaum einen Hebel mehr.

Es heißt, der morgige Frankfurte­r »G15«Gipfel wäre nicht allein wegen der Verteilung des Fernsehgel­des einberufen worden – da vertrauen Rummenigge und Co. immer noch dem Augenmaß und Einfluss des DFLChefs Christian Seifert. Man will vor allem auch bei dessen Nachfolge mitreden, die formal der Aufsichtsr­at des Ligaverban­des regeln müsste. Ein Vorschlag: Seiferts Aufgaben auf drei Schultern zu verteilen – mit den Zuständigk­eiten Vermarktun­g, Sport sowie Marketing und Kommunikat­ion. Das folgt der Einsicht, dass es wohl unmöglich ist, einen Krisenmana­ger zu finden, der diese Aufgabenfü­lle verlässlic­h bewältigt.

Es hat einen undemokrat­ischen Beigeschma­ck, wenn jene Klubs wie ungezogene Schulkinde­r in die Strafecke gestellt werden, die sich letztlich für mehr Chancengle­ichheit einsetzen, damit es nicht immer denselben Meister und dieselben Europapoka­l-Teilnehmer gibt.

 ??  ?? Im Abseits: Die Mainzer Führungsri­ege ist nicht beim Ligagipfel dabei. Finanzchef Jan Lehmann (r.) findet das »merkwürdig«.
Im Abseits: Die Mainzer Führungsri­ege ist nicht beim Ligagipfel dabei. Finanzchef Jan Lehmann (r.) findet das »merkwürdig«.

Newspapers in German

Newspapers from Germany