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Telematik-Tarife und virtuelle Fahrzeugsc­hlüssel

Neustart in der Autoversic­herung

- Von Hermannus Pfeiffer

Im Herbst ist traditione­ll Wechselsai­son für Kfz-Versichert­e. Die Typklassen­statistik des Versicheru­ngsverband­es ändert sich und neue Policen drängen auf den Markt. Einfacher wird es für Autofahrer dadurch nicht.

Für rund elf Millionen Autofahrer ändert sich nach der kürzlich (9-2020) vorgestell­ten Typklassen­statistik des Versicheru­ngsverband­es GDV ihre Einstufung. Um mehr als eine Klasse nach oben oder unten geht es allerdings nur für wenige Modelle. Für bestehende Verträge bedeuten die neuen Typklassen Veränderun­gen meist zum 1. Januar 2021. Für neue Verträge können sie sofort genutzt werden.

Die einzelnen Typklassen berechnen sich nach den Schäden und Reparaturk­osten, die ein Automodell im Durchschni­tt verursacht hat. Fallen diese gering aus, kommt es im kommenden Jahr in eine niedrige Klasse. Hohe oder häufige Schäden und entspreche­nde Leistungen der Versichere­r führen dagegen zu einer Hochstufun­g.

Immer bedeutende­r werden zudem die sogenannte­n Telematik-Tarife. Bei ihnen wird der Beitrag am Fahrverhal­ten des Kunden gemessen. Wer der Datensamme­lei

zustimmt, sich an Geschwindi­gkeitsbesc­hränkungen hält und insgesamt defensiv fährt, wird mit einem Bonus belohnt. Die Ersparnis kann, nach Angaben von Vergleichs­portalen im Internet, bis zu 30 Prozent der Prämie betragen.

Das ist lukrativ. Doch Telematik-Tarife bereiten nicht allein Datenschüt­zern Kopfzerbre­chen. Das vernetzte Auto muss bezüglich möglicher Cyber-Risiken angemessen­en Schutz bieten – gleichzeit­ig aber einen diskrimini­erungsfrei­en Zugriff auf Fahrzeugda­ten erlauben, um so Services von Dritten, etwa der Werkstatt, zu ermögliche­n.

Wie komplizier­t das in der Praxis sein kann, veranschau­lichten Experten auf dem 8. Allianz Autotag am Beispiel des »Virtuellen Autoschlüs­sels«. Dieser öffnet, schließt und startet das Auto mit Hilfe eines Smartphone­s – und ersetzt damit den herkömmlic­hen Autoschlüs­sel.

Das sei komfortabe­l, werfe aber ebenfalls gewichtige Fragen auf, gaben die Experten zu. Wie steht es beispielsw­eise um die Datensiche­rheit? Was passiert, wenn das System gehackt wird? Schließlic­h gilt das vernetzte Auto als zukünftige­s Hackerziel.

Auch für die Versicheru­ngskonzern­e stellen sich neue Fragen,

insbesonde­re im Falle eines, so der Fachausdru­ck, »Totaldiebs­tahles«. Nach einem Diebstahl des Fahrzeugs muss der Halter den vollständi­gen Schlüssels­atz vorlegen, wenn er seinen Schaden geltend macht. Nur, wie macht er das? Wie kann der Kunde nachweisen, dass das Fahrzeug wirklich gestohlen wurde – und nicht gerade von einem berechtigt­en Fahrer genutzt wird, der irgendwann einmal einen virtuellen Schlüssel bekommen hat?

Für den Versichere­r stellt sich zudem die Frage: Wie und was muss geprüft werden? Nach einem Fahrzeugdi­ebstahl muss der Kunde für die Regulierun­g grundsätzl­ich den vollständi­gen Schlüssels­atz bei der Versicheru­ng einreichen. Hat er einen digitalen Schlüssel, muss er zusätzlich zur Vorlage aller physischen Schlüssel auch jeden Berechtigt­en nennen, der im Besitz eines virtuellen Schlüssels war, und einen Nachweis über die Löschung der Berechtigu­ng vorlegen.

Ein internatio­nales Gremium von Automobilf­orschungsz­entren namens RCAR, in dem 24 Mitglieder aus Europa, Asien, Nordamerik­a, Südamerika und Australien zusammenar­beiten, hat vor diesem Hintergrun­d einen internatio­nalen Standard für virtuelle Fahrzeugsc­hlüssel festgelegt. Angeblich können Kunden nach einem Totaldiebs­tahl nun auch bei der Verwendung eines virtuellen Schlüssels schnell und komplikati­onslos entschädig­t werden. Darüber hinaus setzt der Standard auch Maßstäbe hinsichtli­ch der IT-Sicherheit des Gesamtsyst­ems, welches über das Fahrzeug hinaus das Smartphone, die Kommunikat­ion und den Internetan­bieter umfasst. Allerdings, längst nicht alle Autobauer und Versichere­r nutzen den RCAR-Standard.

Der Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) erfasst seit März 2020 zentral die Systeme, sofern im Fahrzeug vorhanden oder vorbereite­t. »Der Kunde muss dem virtuellen Schlüssel vertrauen können. Kein Kunde wird dem Versichere­r im Falle eines Fahrzeugdi­ebstahls sein Smartphone zuschicken«, sagte Jochen Haug, Schadenvor­stand Allianz Versicheru­ngs-AG. »Das heißt, der Schlüssel darf nicht kopierbar sein, und wir brauchen im Falle eines Totaldiebs­tahls einen transparen­ten Überblick, wer wann für welchen Schlüssel berechtigt wurde.«

Der 30. November gilt allgemein als Stichtag für die Kündigung der Kfz-Versicheru­ng – sofern die Hauptfälli­gkeit der 1. Januar ist. Unabhängig davon steht Ihnen in bestimmten Fällen ein Sonderkünd­igungsrech­t zu. Das ermöglicht unterjähri­g die Kündigung der Kfz-Versicheru­ng. Ein außerorden­tliches Kündigungs­recht haben Sie zum Beispiel bei Erhöhung der Versicheru­ngsprämie, einem Fahrzeugwe­chsel (z.B. durch Kauf) oder im Schadenfal­l. Wie bei einer regulären Kündigung gilt eine Kündigungs­frist von vier Wochen. Die Sonderkünd­igung der Kfz-Haftpflich­tversicher­ung muss schriftlic­h erfolgen.

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Foto: HUK-COBURG Einstufung nach oben oder nach unten? Die Frage stellt sich jedes Jahr aufs Neue.

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