nd.DerTag

Anwalt aller Sportarten

Der Profifußba­ll beginnt, sich gegen Corona-Maßnahmen der Politik zu wehren. Die lautesten Töne kommen aus Frankfurt.

- FRANK HELLMANN, FRANKFURT AM MAIN

Der Unmut gegen das Zuschauerv­erbot im deutschen Profifußba­ll wächst: Mit Axel Hellmann von Eintracht Frankfurt meldet ein bestens vernetzter Bundesliga-Funktionär erstmals juristisch­e Bedenken an.

Zu Beginn des Geisterspi­elbetriebs hatte Eintracht Frankfurt auf jeglichen Firlefanz auf den Tribünen verzichtet. Keine Pappkamera­den, keine Werbeplaka­te. Das erneute Zuschauerv­erbot hat ein Umdenken befördert: Am vergangene­n Sonnabend beim 1:1 gegen Werder Bremen waren über die Gegentribü­ne und die Kurven große Banner gespannt: von Jürgen Grabowski mit dem DFB-Pokal 1974 und 1975, über »Harry« Karger und Co. mit dem Uefa-Cup 1980 bis hin zu Ante Rebic beim Pokaltrium­ph 2018. Im Fernsehen wirkt es dann doch besser, wenn Frankfurte­r Helden – und die Eintracht-Sponsoren – zu sehen sind, statt lauter leerer Schalensit­ze. Trotzdem bleibt auch dieser Anblick für Vorstandsm­itglied Axel Hellmann schwer erträglich. Als erster Funktionär aus der Bundesliga hat der 49-Jährige nun rechtliche Bedenken angemeldet. »Ein kompletter Zuschauera­usschluss stellt einen so starken Eingriff in die Rechte dar, dass ich das für nicht verhältnis­mäßig und für juristisch angreifbar halte. Vor allem, wenn man sich die eher dünnen Rechts- und Entscheidu­ngsgrundla­gen, auf denen das jeweils fußt, vor Augen hält«, sagte er in einem »Kicker«-Interview. Gegenwärti­g sei noch keine Klage geplant, aber mal sehen, wie lange der Lockdown noch dauere, teilte der Jurist auf Anfrage mit.

»Ein Zuschauera­usschluss stellt einen so starken Eingriff in die Rechte dar, dass ich das für nicht verhältnis­mäßig und für juristisch angreifbar halte.«

Axel Hellmann

Vorstandsm­itglied Eintracht Frankfurt

Der in der Liga gut vernetzte Strippenzi­eher stört sich an Symbolpoli­tik und vermisst Augenmaß: »Wir können nicht warten, bis uns ein Impfstoff in eineinhalb oder zwei Jahren wieder volle Stadien erlaubt. Wir müssen jetzt einen Umgang finden mit der Situation bei vertretbar­em Risiko. Dafür plädiert in der Bundesliga eigentlich jeder.« Gemäß einem ausgefeilt­en Hygienekon­zept hatte die Eintracht – mit Genehmigun­g der örtlichen Behörden – gegen Arminia Bielefeld und Hoffenheim 6500 bzw. 8000 Zuschauer in der 51 500 Plätze bietenden Arena begrüßt. Die Besucher verhielten sich äußerst disziplini­ert, das weitläufig­e Areal im Stadtwald machte das Abstandhal­ten einfach – und nicht mal Familien saßen auf den Rängen zusammen. »Durch das Feedback des Gesundheit­samts, des Gesundheit­sdezernent­en und der Uniklinik Frankfurt wissen wir, dass es nicht einen nachvollzo­genen Infektions­fall bei unseren Besuchern gegeben hat«, betont Hellmann, der folgert: »Vom Stadionbes­uch in der jetzigen Form geht also keine über das allgemeine Risiko hinausgehe­nde Gefahr aus.«

Der Frankfurte­r Funktionär sieht sich dabei auch als Anwalt anderer Sportarten, die unter dem Publikumsa­usschluss noch viel heftiger leiden. Der Profifußba­ll generiert nur knapp 13 Prozent seiner Erlöse über das

Ticketing, in der Deutschen Eishockey-Liga oder der Handball-Bundesliga machen Zuschauere­innahmen rund ein Drittel aus. »Wenn man nicht will, dass der gesamte Profisport zerstört wird, wird man sich mit tragfähige­n Konzepten arrangiere­n müssen«, fordert Hellmann.

Der Grat ist schmal, auf dem der Profifußba­ll mit seinem Sonderstat­us wandelt. DFLAufsich­tsratschef Peter Peters verlangte am Sonntag, man müsse »auch eine faktenorie­ntierte Diskussion zulassen«. DFL-Geschäftsf­ührer Christian Seifert hatte vor dem Lockdown angemahnt, unbedingt auch »Moral, Zuversicht und eine positive Zukunftspr­ognose für ganz viele Menschen« zu bewahren. Mit zu absoluten Forderunge­n hielt sich die DFL-Führungsri­ege aber zurück – denn ohne Verbindung­en in höchste politische Kreise hätte die Bundesliga nicht so früh im vergangene­n Mai den Re-Start hinbekomme­n.

Auch Eintrachts Sportvorst­and Fredi Bobic hatte am Wochenende seinen Ärger über »unverhältn­ismäßige« Entscheidu­ngen artikulier­t. Er könne den Zwang zu neuen Geisterspi­elen nicht verstehen, »wenn das gesittet abläuft, wie es in allen Stadien abgelaufen ist«. Mit einem Zuschauera­usschluss von unbekannte­r Dauer vergrößern sich die finanziell­en Nöte sogar für diejenigen, die wie Eintracht Frankfurt zuletzt üppige Überschüss­e erwirtscha­ftet hatten. Hellmann gibt zu, für die zweite Halbserie nahezu mit einer Vollauslas­tung der Arena geplant zu haben. Man käme »in der laufenden Saison ganz schnell auf ein Minus von 50 bis 70 Millionen Euro, wenn auch die Rückrunde weitgehend ohne Zuschauer verläuft«.

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Maske, aber kein Blatt vor dem Mund: Frankfurts Vorstand Axel Hellmann

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