nd.DerTag

Schlüpf aus deiner Haut

Boston und Berlin

- Von Iris Rapoport,

Schlangen wechseln etwa alle vier Wochen ihre Hülle. Vermutlich ein mühsames Geschehen. Bei uns hat die Evolution das eleganter gemeistert. Ständig lösen sich winzigste Hornschupp­en von unserer Haut. Die lebenslang nachzulief­ern obliegt ihrer äußersten Schicht, der Epidermis.

Was da als tote Schuppe abschilfer­t, war einen Monat vorher noch eine sehr lebendige Stammzelle, die säulenförm­ig auf einer bindegeweb­sartigen Membran am Grund der Epidermis saß. Die Stammzelle­n der Epidermis teilen sich unaufhörli­ch. Eine der beiden Tochterzel­len verbleibt als Stammzelle vor Ort. Die andere wandert zur Hautoberfl­äche. Auf dem Weg wandelt sie sich in eine Hornzelle, auch Keratinozy­t genannt, um. Während der Wanderung werden verschiede­nste Gene erst an- und dann wieder abgeschalt­et. Dadurch wird die Bildung immer anderer Vertreter der namensgebe­nden Proteine, der Keratine, möglich.

Keratine bestehen aus solchen Aminosäure­n, die spontan eine Helix formen. Indem viele Stränge sich umeinander winden, entsteht ein stabiles Seil. Ungewöhnli­cherweise wird dessen Oberfläche von wasserabwe­isenden Aminosäure­n gebildet. So entstehen unlösliche Faserprote­ine, die letztlich die Hornbildun­g ermögliche­n.

Zunächst aber bilden die Keratine innerhalb der Zellen Netze. Da alle Hornzellen durch spezielle Proteine wie durch Nieten verbunden sind, durchspann­t ein Keratin-Netzwerk die gesamte oberste Hautschich­t. Je weiter die Hornzellen sich vom Grund der Epidermis entfernen, um so flacher werden sie. Gleichzeit­ig bilden sie vermehrt Lipide. Vornehmlic­h Ceramide, aber auch viel Cholesteri­n und sogar freie Fettsäuren. Knapp unter der Oberfläche besiegeln die Zellen schließlic­h ihr Schicksal: Unter dem Einfluss der Ceramide startet Zelltod, die Apoptose. Doch Hornzellen sind nicht auf völligen Untergang programmie­rt. Nur unnütz gewordene Strukturen, wie etwa der Zellkern, verschwind­en. Das Netzwerk der Keratine verfilzt mit zusätzlich­en Proteinen und mit Lipiden. Dieses undurchdri­ngliche Geflecht ersetzt schließlic­h auch die Zellmembra­n.

So sind die Zellen tot, wenn sie als schmale Schuppen die Unterseite unseres weichen Hornpanzer­s erreichen. Lipide, vor allem Ceramide, wirken als Mörtel und mauern die frisch ankommende­n Schuppen fest ein. Dabei bilden die Ceramide Doppelschi­chten. Es entstehen Barrieren, die wasserundu­rchlässig sind und die auch keine fettlöslic­hen Substanzen passieren lassen. So ist unser Hornpanzer vielschich­tig versiegelt. Das schützt uns zuvörderst vor Austrocknu­ng. Gleichzeit­ig erschwert es wasser- und fettlöslic­hen Fremdstoff­en einzudring­en. Gleiches gilt auch für Krankheits­erreger. Die werden zusätzlich durch den Säureschut­zmantel der Haut abgewehrt, zu dem auch die gebildeten freien Fettsäuren beitragen.

Langsam und stetig schieben nachfolgen­de Schichten die Hornschupp­en nach oben. Ausgedörrt und geschädigt werden sie schließlic­h enzymatisc­h aus ihrer Verankerun­g gelöst. Und dann? Dann bilden die abgeschilf­erten Schuppen das Gros des Hausstaubs, an dem im ewigen Kreislauf der Natur vor allem Milben sich gütlich tun.

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