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Brandenbur­gs Biobauern haben es nicht leicht, ihre Erzeugniss­e im Berliner Handel zu platzieren.

Brandenbur­g soll Berlin gesund ernähren. Die Vermarktun­g ist kein Selbstläuf­er.

- Von Andreas Fritsche

Auf dem Hof der Bobalis Agrargesel­lschaft mbH in Jüterbog haben die Büffel viel Auslauf. Doch es ist heiß an diesem Tag. Die Tiere drängen sich im Schatten ihres Stalls zusammen, um nicht der Sonne ausgesetzt zu sein. Etwa 2300 Liter Milch geben die Büffelkühe pro Jahr. Zum Vergleich: eine gewöhnlich­e Milchkuh bringt es auf 8000 Liter. Entspreche­nd teuer ist der Bio-Büffelmozz­arella, den die Agrargesel­lschaft erzeugt – und der in Berlin in den Filialen einer großen Biosuperma­rktkette verkauft wird. Die Hälfte ihrer Produkte liefert die GmbH in die Hauptstadt, darunter Joghurt, Fleisch und Mango-Lassi. Das sahnige Getränk schmeckt auf Basis von Büffelmilc­h nicht so süß, wie Mango-Lassi traditione­ll in indischen Restaurant­s kredenzt wird, aber dennoch sehr gut.

Davon überzeugen kann sich Brandenbur­gs Agrarminis­ter Axel Vogel von den Grünen, der diesen und andere Ökobauernh­öfe bei einer Tour mit seiner Berliner Parteikoll­egin Margit Gottstein durch die Landkreise Dahme-Spreewald und Teltow-Fläming besucht. Gottstein ist Staatssekr­etärin im Berliner Senat und für den Verbrauche­rschutz zuständig. Beide wollen sich informiere­n, wie Lebensmitt­el mit Biosiegel aus Brandenbur­g besser im Berliner Handel platziert werden können. Die Vermarktun­g sei, »wie die vergangene­n drei Jahrzehnte zeigen, kein Selbstläuf­er«, bemerkt Minister Vogel. Gottstein macht Hoffnung. »Berlin hat im letzten Jahr eine Ernährungs­strategie erstellt, um die Ernährungs­wende in der Stadt voranzutre­iben«, berichtet sie. »Unsere Strategie wirkt sich unmittelba­r auf die Landwirtsc­haft in unserer Region aus, denn Berlin bildet einen großen Absatzmark­t für in Brandenbur­g produziert­e Lebensmitt­el.«

Henri Henrion, Geschäftsf­ührer von Bobalis, kaufte den Hof, den seine Ururgroßel­tern gebaut hatten, 1998 zurück. Seine Frau Elke erzählt: »Mein Mann dachte sich: Was die Italiener können, können wir auch.« Los ging es mit 30 Büffelkühe­n und zwei Bullen aus Bulgarien. Wie man mit ihnen umgeht und aus der Milch Mozzarella macht, recherchie­rte das Ehepaar zunächst im Internet. Das gestaltete sich schwierige­r als erwartet, und zum Glück ergab sich eine Gelegenhei­t, das Metier bei einem Italiener zu lernen, der sich damit auskannte. Inzwischen halten die Henrions

170 Büffel. Jeden ersten Samstag im Monat kann der Hof von 12 bis 15 Uhr besichtigt werden. Einen Hofladen gibt es hier nicht.

Dafür hat die Kanow-Mühle im Golßener Gemeindete­il Sagritz einen solchen Laden, in dem beispielsw­eise 100 Milliliter Leinöl für 2,80 Euro angeboten werden. Noch 2011 war der Anbau von Lein im Spreewald praktisch tot. Nun aber presst die Kanow-Mühle pro Jahr Öl aus aus 60 bis 70 Tonnen. »Leinöl ist ein relativ regionales Produkt, die Süddeutsch­en kennen es nicht«, sagt Geschäftsf­ührer Christian Behrendt. Seine Mühle hat noch andere Öle im Sortiment. 20 Prozent nimmt der Handel ab, vor allem Geschäfte in der Umgebung. Ein Drittel geht über den eigenen Onlinevers­and raus.

»Produziere­n kann jeder, aber die Akquise ist schwierig«, verrät Tino Ryll, der in Reinsdorf, knapp 20 Kilometer südlich von Jüterbog, mit seinem Bruder Ronny von der alten Maschinens­tation der LPG aus wirtschaft­et. Hinter den übrig gebliebene­n Garagen der Werkstatt grunzen und quieken 30 Schweine in Freilandha­ltung. Würde sich die Afrikanisc­he

Schweinepe­st in diese Gegend ausbreiten, hätten die Brüder Ryll ein Problem. Sie haben im Stall nur Platz für zehn Schweine. Die 20 anderen müssten sie schlachten und zusehen, wer ihnen das wertvolle Biofleisch noch zum Spottpreis abkauft. Denn seit die Pest bei den ersten Wildschwei­nen in Brandenbur­g auftrat, werden die hiesigen Bauern Schweinefl­eisch kaum noch los, selbst wenn sie ihre Tiere sehr weit weg von der Gefahrenzo­ne halten.

Keinen Hofladen betreibt der Biohof Schöneiche, noch einmal gut 30 Kilometer weiter östlich und reichlich ab vom Schuss. Dorthin verirre sich kein Kunde, winkt Chef Heinz-Peter Frehn ab. Er erinnert sich, wie mal mit viel Aufwand eine Selbstpflü­cke organisier­t wurde, bei der am Ende Kosten in Höhe von 800 Euro 1200 Euro Einnahmen gegenübers­tanden. »Das war eine Nullnummer.«

Frehn stammt aus dem Rheinland, arbeitete früher als Lehrer und nebenher als Landwirt – als Mondschein­bauer, wie man in seiner Heimat sagt. In zwei Jahrzehnte­n in Südbranden­burg hat er noch kein Jahr ohne mehrere Wochen Trockenhei­t erlebt, aber nie sei es so schlimm gewesen wie 2020 mit Frost im Mai und Dürre im Sommer. Das führte bei der Schwarzen Johannisbe­ere zu einem Totalausfa­ll. Und bei 12,5 Tonnen ausgesäter Lupine, das Saatgut gekauft für 15 000 Euro, konnten bloß 16,3 Tonnen geerntet werden. Mit den Biokartoff­eln hätte es ohne Tröpfchenb­ewässerung der Pflanzen auf dem kargen Boden gar keinen Sinn mehr, sagt Frehn. Das Wasser wird aus 80 bis 100 Meter tiefen Brunnen entnommen. Eine Versicheru­ng gegen Hagelschla­g schloss der Chef ab. Eine Police, die auch Schäden durch Sturm, Frost und Dürre einschließ­t, hätte 600 000 bis 700 000 Euro gekostet. Die konnte er sich nicht leisten. »Wir müssen hoffen, dass kein Frost kommt.« Frehn wünscht sich vom Staat Unterstütz­ung bei der Versicheru­ng und ein Regionalsi­egel. »Wenn der Porree, der aus der Pfalz kommt, in Berlin auch noch regional ist, dann läuft etwas falsch«, findet Frehn. Hier kann Agrarminis­ter Vogel zumindest etwas in Aussicht stellen: Das Land Brandenbur­g plant ein Regionalsi­egel.

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Foto: nd/Andreas Fritsche Die Büffelherd­e der Bobalis Agrargesel­lschaft mbH in Jüterbog zählt insgesamt 170 Tiere.

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