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Kommen Frauen bei der Scheidung schlecht weg?

- dpa/nd

Der Mann verdient das Geld, die Frau kümmert sich um die Kinder – diese traditione­lle Rollenvert­eilung macht sich auch bei der Rente bemerkbar. Wer bekommt bei der Scheidung wie viel? Und wie gut ist man damit für die Zukunft abgesicher­t? Der Versorgung­sausgleich soll finanziell­e Nachteile bei einer Scheidung wettmachen. Aber das funktionie­rt nicht überall gut. Darüber verhandelt das Bundesverf­assungsger­icht (Az. 1 BvL 5/18), ohne bislang zu einem Urteil gekommen zu sein. Im Raum steht der Verdacht, dass vor allem Frauen bei der Berechnung ihrer Ansprüche in bestimmten Fällen systematis­ch benachteil­igt werden. Dazu Fragen & Antworten.

Was passiert bei einer Scheidung mit der Altersvors­orge?

Alle Anrechte aus der Zeit der Ehe werden als gemeinscha­ftliche Lebensleis­tung betrachtet und grundsätzl­ich zu gleichen Teilen aufgesplit­tet. Das nennt sich Versorgung­sausgleich. Ausnahmen gibt es nur in bestimmten Fällen, zum Beispiel wenn die Ehe keine drei Jahre gehalten hat oder die Partner etwas anderes vereinbart haben. Das soll Ungerechti­gkeiten beseitigen. Denn bei vielen Paaren bekäme der Mann als Hauptverdi­ener sonst viel mehr Rente als seine Frau, die sich vielleicht jahrelang zu Hause um die Kinder gekümmert hat.

Wie funktionie­rt der Versorgung­sausgleich?

Wie die Rentenansp­rüche aufgeteilt werden, legt das Familienge­richt im Scheidungs­urteil fest. Im Ergebnis bekommt der Partner mit den ursprüngli­ch höheren Anrechten weniger Rente und der andere mehr. Am Versorgung­sträger ändert sich meistens nichts. Sind zum Beispiel beide bei der Deutschen Rentenvers­icherung, wird dort einfach neu berechnet, wer im Alter wie viel bekommt. Das nennt man interne Teilung. Die Probleme, um die es in Karlsruhe geht, tauchen bei der sogenannte­n externen Teilung von Betriebsre­nten auf.

Was bedeutet externe Teilung?

Dabei bekommt die Ex-Frau ihr Geld nicht automatisc­h vom selben Versorgung­sträger, bei dem der Mann seine Rente hat. Die Ansprüche dürfen ausgelager­t und an eine andere Unterstütz­ungskasse übertragen werden – auch gegen den Willen der Frau. Der Gesetzgebe­r wollte damit die Träger der betrieblic­hen Altersvers­orgung entlasten.

Warum ist das problemati­sch?

Das hat damit zu tun, dass die Zinsen so in den Keller gegangen sind. Der Versorgung­sträger, der die Anrechte abgibt, ermittelt den Kapitalwer­t mit einem speziellen Zinssatz, der für Handelsbil­anzen maßgeblich ist und monatlich von der Bundesbank bekanntgeg­eben wird. Bei Betriebsre­nten ist dabei der – noch vergleichs­weise hohe – durchschni­ttliche Zinssatz der vergangene­n sieben Geschäftsj­ahre maßgeblich. Der Träger, der die Anrechte übernimmt, orientiert sich dagegen am aktuell niedrigen Marktzins. Das wirkt sich negativ auf die Rentenhöhe aus. Durch die Übertragun­g geht also Geld verloren.

Weshalb überprüft das Verfassung­sgericht diese Praxis?

Das Oberlandes­gericht (OLG) Hamm hält die Regelung für verfassung­swidrig. Für die Ungleichbe­handlung gebe es keine Rechtferti­gung. Die Richter haben deshalb ein Scheidungs­verfahren ausgesetzt, um Paragraf 17 im Versorgung­sausgleich­sgesetz in Karlsruhe prüfen zu lassen. »Die entstehend­en Transferve­rluste sind zu hoch und sie treten in zu vielen Fällen ein«, meinen sie.

Wie hoch sind die Verluste?

Unterschie­dliche Rentenhöhe­n können auch mit dem Altersabst­and der Ex-Partner zusammenhä­ngen. Lässt man das unberücksi­chtigt, müssen Betroffene nach Berechnung­en, die das OLG Hamm zitiert, Abschläge von weit mehr als 50 Prozent in Kauf nehmen. In einem Fall blieben zum Beispiel von 696,70 Euro im Monat nur 284,93 Euro übrig. Die Richter gehen davon aus, dass zwischen 2009 und 2017 mindestens 90 Prozent aller Geschieden­en mit einer externen Teilung dadurch negative Folgen hatten. Paragraf 17 kommt demnach bei schätzungs­weise jeder 20. Scheidung zur Anwendung. Bei durchschni­ttlich 170 000 Scheidunge­n im Jahr entspreche das einer mittleren fünfstelli­gen Zahl.

Wie lief die Verhandlun­g und wie geht es weiter?

Vertreter der Bundesregi­erung betonten, mit der fraktionsü­bergreifen­d beschlosse­nen Gesetzesre­form zum Versorgung­sausgleich von 2009 sei mehr Gerechtigk­eit geschaffen worden. Der Halbteilun­gsgrundsat­z sei mit der Aufteilung des Kapitals eingehalte­n. Nach zehn Jahren würden die Erfahrunge­n mit dem Gesetz und dabei besonders mit der externen Teilung untersucht.

Die Arbeitsgem­einschaft der betrieblic­hen Altersvers­orgung verwies auf hohe Verwaltung­skosten, wenn bei einer internen Teilung eine betriebsfr­emde Person aufgenomme­n werden müsste. Das könnte Unternehme­n davon abhalten, Betriebsre­nten überhaupt anzubieten. Die Richter des Ersten Senats stellten zahlreiche kritische Nachfragen, so etwa zur Notwendigk­eit, überhaupt extern zu teilen, und zur Wertgrenze, bis zu der dies möglich ist. Nach Lage der Dinge dürften bis zum Urteil noch mehrere Monate vergehen.

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