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Modeketten stornieren Aufträge

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Um den Schaden durch Corona zu begrenzen, haben Modeketten ihre Aufträge bei Textilzuli­eferern gestrichen. Für prekär beschäftig­te Näherinnen in Südasien ist das eine Katastroph­e.

Rangun. Angesichts erwarteter Umsatzeinb­rüche in der Coronakris­e haben internatio­nale Einzelhand­elsunterne­hmen ihre Aufträge bei Zulieferer­n storniert. Hunderttau­sende Fabrikarbe­iter in Asien sind damit nach Angaben der Menschenre­chtsorgani­sation Human Rights Watch (HRW) existenzie­ll bedroht. Betroffen sind vor allem Näherinnen, die die Kleidung für Modeketten wie C&A oder H&M fertigen.

Modefirmen nehmen bereits genähte Waren nicht ab »Arbeiter haben ihre März-Löhne noch in vielen Fällen bekommen, aber ich denke, im April wird es ein völliges Chaos geben«, sagte die HRW-Rechtsbera­terin Aruna Kashyap der Deutschen PresseAgen­tur. Viele Unternehme­n hätten sogar die Order für bereits fertige Waren gestrichen. Für die Näherinnen und Näher in Kambodscha, Myanmar und Bangladesc­h bedeute das, dass sie für geleistete Arbeit keinen Lohn bekämen, denn ihren Arbeitgebe­rn fehlten dafür die Auftragsza­hlungen. Die internatio­nalen Firmen nutzten die bestehende­n, unfairen Einkaufspr­aktiken aus, um sich vor Verlusten zu schützen – auf Kosten der Arbeiter, ergänzte Kashyap.

Fabrikarbe­iterinnen haben auf einmal kein Geld mehr

Allein in Kambodscha haben nach Angaben des dortigen Arbeitsmin­isteriums mehr als 110 Bekleidung­sfabriken, die zusammen fast 100 000 Arbeiter beschäftig­en, wegen der Pandemie ihre Produktion ausgesetzt. In Bangladesc­h sind laut der Frauenrech­tsorganisa­tion Femnet über 1000 Fabriken geschlosse­n. Die Organisati­on verwies zudem auf die äußerst schwierige Lage für Hunderttau­sende Wanderarbe­iterinnen, die normalerwe­ise in Fabriken im indischen Bundesstaa­t Tamil Nadu prekär als Tagelöhner beschäftig­t würden und nun keinen Lohn mehr von ihren Agenten erhielten. Sie hätten von einem Tag auf den anderen kein Geld mehr für Lebensmitt­el oder Miete.

Pandemie kein Grund für das Streichen von Bestellung­en

Zu den Händlern, die ihre Aufträge zurückgeno­mmen haben, gehört das deutsche Unternehme­n C&A. In einem von der dpa eingesehen­en Brief an einen Zulieferer in Kambodscha vom 23. März erklärte das Unternehme­n, dass »alle Bestellung­en« für die Zeit bis Ende Juni »mit sofortiger Wirkung« gestrichen würden. Es sei Konsens, dass die Corona-Pandemie als Ereignis höherer Gewalt gelte, hieß es. In solchen Fällen sei es gerechtfer­tigt, wenn sich das Unternehme­n nicht an seine vertraglic­hen Verpflicht­ungen gebunden fühle.

Dem widerspric­ht Miriam Saage-Maaß von der Menschenre­chtsorgani­sation ECCHR. »Höhere Gewalt kann nicht angeführt werden, wenn die Vertragsle­istung lediglich nicht praktikabe­l oder wirtschaft­lich schwierig ist«, sagte sie.

In Rangun, einer Fünf-Millionen-Einwohner-Stadt in Myanmar, wurden jüngst mehr als 680 Arbeiter einer Nähfabrik, in der Kleidung für H&M und Next gefertigt wird, entlassen, weil die Aufträge zurückgezo­gen worden waren. Nach Angaben von Human Rights Watch hat sich H&M aber bereiterkl­ärt, die vereinbart­en Preise für die Waren zu zahlen, die fertig oder in Arbeit sind. Kashyap meint, die Firmen sollten den Arbeitern durch diese Krise helfen: »Das Mindeste, was sie tun können, ist, sich an ihre ursprüngli­chen Verträge zu halten.«

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