»Steinmeier-Formel« für den Donbass
Kontaktgruppe diskutiert Vorschlag des ehemaligen Bundesaußenministers zur Lösung des Ukraine-Konfliktes
Seit Monaten diskutieren Kiew und Moskau über eine Lösung des Donbass-Krieges. Doch die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Konfliktparteien bleiben immens.
Im belarussischen Minsk ging es am Mittwoch heiß her. Denn die Sitzung der aus Vertretern der Ukraine, Russlands und der OSZE bestehenden Kontaktgruppe zur Lösung des Krieges im ostukrainischen Donbass, an deren Arbeit auch prorussische Separatisten mitwirken, war bedeutender als sonst. Nach dem Gefangenenaustausch zwischen der Ukraine und Russland ist die Lösung des Konflikts wahrscheinlicher geworden. Genauso wie das erste Treffen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin im Rahmen des NormandieFormats, zu dem mit Deutschland und Frankreich zwei weitere Garantiemächte des Minsker Friedensabkommens gehören.
Als Bedingung für den Gipfel nannte Russland die offizielle Verabschiedung der »Steinmeier-Formel«. Dabei handelt es sich um einen vom damaligen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im Herbst 2016 formulierten Implementierungsvorschlag für das Minsker Abkommen. »Wir sind bereits am 2. September beim Treffen der außenpolitischen Berater in Berlin wegen der ›Steinmeier-Formel‹ einig geworden«, betonte der ukrainische Außenminister Wadym Prystajko am Mittwoch. Doch Kiew und Moskau streiten nach wie vor darüber, in welcher Reihenfolge die Punkte aus dem Friedensabkommen umgesetzt werden sollen. Die Ukraine würde gerne vor den vorgeschriebenen Lokalwahlen die Kontrolle über die ukrainischrussische Grenze im Donbass übernehmen, erst dann soll der umkämpften Region der Autonomiestatus verliehen werden.
Russland besteht auf die genau umgekehrte Vorgehensweise: erst Lokalwahlen und Sonderrechte für den Donbass, dann die Übergabe der Grenzkontrollen an die Ukraine. Der Kompromissvorschlag von Steinmeier lautet dagegen, dass der Sonderstatus für den Donbass nach der Austragung der freien demokratischen Wahlen gemäß den Vorschriften der OSZE verliehen wird. Konkret würde das bedeuten, dass das Sonderstatusgesetz für die umkämpfte Region nach den Lokalwahlen vorläufig und nach der Anerkennung durch die OSZE endgültig in Kraft tritt. Ukrainische Regierung
Die Position Moskaus widerspricht nicht dem Minsker Abkommen, die Ukraine fürchtet aber nicht ganz zu Unrecht, dass dadurch de facto die selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk im Rahmen des ukrainischen Staates legitimiert werden.
»Die Ukraine hat keine prinzipiellen Einwände gegen die ›SteinmeierFormel‹ in Sachen Lokalwahlen«, hieß es in einem offiziellen Statement Kiews nach der Sitzung der Kontaktgruppe. Dennoch hat die Ukraine sechs Bedingungen für die Umsetzung genannt, darunter die Übergabe der Grenzkontrollen sowie der Abzug ausländischer Truppen und Militärtechnik.
Moskau spekuliert derweil offen mit der angeblichen Verhandlungsunfähigkeit der Ukraine. Hart kritisiert wird auch der Einwurf des ukrainischen Außenministers Prystajko, im Falle eines Scheiterns des Minsker Abkommens zum möglichen Einsatz der UN-Friedenstruppen zurückzukehren. Damit hat Kiew zum ersten Mal die Möglichkeit eines Scheiterns von Minsk laut angesprochen. Dass beide Seiten zumindest wegen der Verabschiedung des Sonderstatusgesetzes für den Donbass einig sind, ist positiv. Allerdings sollte nach dem gegenseitigen Truppenabzug an der sogenannten Kontaktlinie im Ort Stanitza Luhanska die gleiche Prozedur an zwei weiteren Orten in Minsk konkret beschlossen werden. Das Datum wurde jedoch nicht vereinbart – und das ist ein klarer Rückschlag für die Umsetzung eines stabilen Waffenstillstandes an der Frontlinie.
»Die Ukraine hat keine prinzipiellen Einwände gegen die ›Steinmeier-Formel‹.«