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Wenn Neonazis nach Gewaltfrei­heit rufen

Eine rechte Demonstrat­ion in Mönchengla­dbach gab sich handzahm / Antifaschi­sten wiesen auf die Gefahr hin

- Von Dennis Pesch

Hunderte Rechtsextr­eme zogen am Sonntag durch Mönchengla­dbach. Zwar konnte ihr Marsch durch eine Blockade verkürzt werden. Doch die rechte Mobilisier­ung wurde offenbar unterschät­zt.

»Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist«, schallte es über die Straße Alter Markt in Mönchengla­dbach. 30 Antifaschi­sten saßen die Wartezeit bis zur Räumung durch die Polizei mit Gesängen ab. 200 Meter wurde die extrem rechte Demo deshalb verkürzt. Wichtiger war, dass die 700 Rechtsextr­emen nicht die große Hauptstraß­e entlanglau­fen konnten, sondern nur eine kleine Seitenstra­ße, um zu ihrer Zwischenku­ndgebung auf den Kapuzinerp­latz zu kommen.

»Wir haben mit der Blockade einen Teil unseres Ziels erreicht«, sagte ein Sprecher des antifaschi­stischen Bündnisses »Mönchengla­dbach stellt sich quer« dem »nd«. Die Naziroute wurde verkürzt, die Demo gestört.

Zunächst hieß es, dass es bei der Räumung der Blockade einen Armbruch gegeben haben soll, später korrigiert­e das Bündnis. Es habe nur eine Verstauchu­ng mit Gips gegeben. »Die Ermittlung­en laufen und stehen zurzeit noch am Anfang«, sagt die Polizei Mönchengla­dbach dem »nd«.

Das Motto der extrem rechten Demonstrat­ion lautete »Stoppt die Gewalt«. Gemeint war nicht die Gewalt aus den eigenen Reihen, die viele der Teilnehmer gegen politische Gegner oder Menschen bereits angewendet haben, die sie als »fremd« oder »anders« markieren. Vielmehr forderte die Demonstrat­ion, die europäisch­en Grenzen zu schließen und Abschiebun­gen durchzufüh­ren. Beides ist allerdings nur mit staatliche­r Gewalt durchzuset­zen.

Einige der 700 Rechtsextr­emen waren bereits bei den rassistisc­hen Krawallen des Bündnisses »HoGeSa« (Hooligans gegen Salafisten) vor mehr als fünf Jahren in Köln dabei. Beispielsw­eise lief die sogenannte »Bruderscha­ft Deutschlan­d« aus Düsseldorf beim Aufmarsch in Mönchengla­dbach mit. Die Gruppe kommt aus dem Düsseldorf­er Süden. Seit mehreren Jahren sorgen dort Rechtsextr­eme für Angriffe auf politische Gegner. 2016 wurde beispielsw­eise eine Freizeitst­ätte angegriffe­n, als sich dort die Stadtteili­nitiative »Garath stellt sich quer« gründen wollte. Neben der Bruderscha­ft waren auch organisier­te Neonazis aus Dortmund und Duisburg bei der Demonstrat­ion, wie das Dortmunder Stadtratsm­itglied Michael Brück.

Anmelder der Demonstrat­ion in Mönchengla­dbach war Dominik Horst Roeseler. In der rechten Szene Nordrhein-Westfalens spielt er seit Jahren eine bedeutende Rolle. Bis heute sitzt er im Gladbacher Stadtrat, bis zu seinem Austritt für die Kleinstpar­tei »Pro NRW«. Roeseler hatte im Oktober 2014 die »HoGeSa«-Demo in Köln angemeldet und gilt als Bindeglied zwischen verschiede­nen Gruppen in NRW, die aus dem ehemaligen »HoGeSa«-Spektrum kommen. Zuletzt hat er vor einem Jahr die Gedenkdemo­nstration für den Neonazi Marcel Kuschela in Mönchengla­dbach veranstalt­et, der sich selbst das Leben genommen hat. Beide waren an der Gründung von »HoGeSa« und dem Nachfolger »Gemeinsam Stark Deutschlan­d« beteiligt. Die letzte Demo von »Gemeinsam Stark« im Oktober 2016 war auch ein Vernetzung­streffen der rechtsterr­oristische­n Organisati­on »Combat 18«.

Nach Polizeiang­aben nahmen an den Kundgebung­en von »Mönchengla­dbach stellt sich quer« bis zu 700 Menschen teil. Offenbar wurde die rechte Mobilisier­ung aber innerhalb linker Strukturen im Vorfeld unterschät­zt.

Die Strategie des rechten Aufmarschs, sich als gewaltfrei und bürgerlich darzustell­en, ordnet ein Sprecher von »Mönchengla­dbach stellt sich quer« als Vorwand ein: »Es ist gefährlich, weil rüberkomme­n soll, dass es sich um Leute handelt, die keine organisier­ten Neonazis sind oder sein wollen. Wir denken, dass das Gegenteil der Fall ist. Es handelt sich um organisier­te Neonazis, die unter einem Deckmantel handeln.«

Der rechte Aufmarsch dürfte in diesem Jahr bislang der größte in Nordrhein-Westfalen gewesen sein. Vor allem aus NRW schlossen sich ideologisc­h nahestehen­de Gruppen zusammen, die sich als rechte Hooligans oder selbst ernannte Bürgerwehr­en verstehen. Auch die Symbole vieler Teilnehmer waren eindeutig. Bekannte Neonazi-Marken wie Thor Steiner und Ansgar Aryan waren ebenso vertreten wie Fan-Shirts der Combat-18-Band »Oidoxie«.

Dass die propagiert­e Gewaltfrei­heit nur eine Fassade ist, zeigte sich nach Auflösung der Demonstrat­ion, als es vor dem Hauptbahnh­of in Mönchengla­dbach jeweils einen Angriffsve­rsuch auf Antifaschi­sten und Journalist­en gab.

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