Einfach mal genießen
Viktoria Rebensburg gewinnt in ihrem vielleicht letzten alpinen WM-Rennen Silber.
Es war schon spät, für Viktoria Rebensburg an ihrem letzten Abend in Are eigentlich zu spät. Ihre Abreise aus Schweden war für kurz nach 7 Uhr am nächsten Morgen geplant, aber »ein kleines Bierchen« musste noch sein, wie sie nach dem Riesenslalom der alpinen Ski-WM in Are angekündigte hatte. Der Ärger über das knapp verpasste Gold war schnell verflogen. »Es ist definitiv eine gewonnene Silbermedaille«, sagte die 29-jährige Kreutherin, als sie zwei Stunden nach der Siegerehrung gut gelaunt in der Bar eintraf.
So viel sei gesagt, Rebensburg gönnte sich nach ihrem vierten Edelmetall bei Großereignissen noch ein zweites Bierchen und ein Stefan Horngacher (l.) »Schnapserl«, wie der Wirt sagte, als er mit der Flasche Hochprozentigem an den Tisch kam. Zu der kleinen Silberparty waren alle Trainer und Betreuer gekommen, dazu auch die Slalomkolleginnen, die an diesem Sonnabend ihr letztes WM-Rennen in Are bestreiten werden. Auch Felix Neureuther gönnte sich mit der Familie drei Tage vor seinem wohl letzten großen Rennen überhaupt noch einen gemütlichen Abend. Es gab eine herzliche Umarmung jener beiden Skirennläufer, die seit Maria Höfl-Rieschs Rücktritt die Medaillenbürde des Deutschen Skiverbands (DSV) fast allein zu schultern haben.
2017 in St. Moritz war Rebensburg leer ausgegangen, damals blieb alles an Neu- reuther hängen, und er lieferte im letzten Rennen zuverlässig ab. Nun hat die Olympiasiegerin von 2010 vorgelegt und sorgte nach zehn medaillenlosen Tagen nicht nur beim DSV für Erleichterung, sondern sicher auch bei Neureuther, der nun die Sorge los ist, wieder mal den DSV retten zu müssen.
Wie Neureuther fehlte auch Rebensburg in diesem Winter die Leichtigkeit. Nicht mal in ihrer Lieblingsdisziplin Riesenslalom hatte sie zu den »allergrößten Favoritinnen« gezählt. Aber vor ihrer letzten Chance bei diesen Titelkämpfen, die als Vierte im Super-G mit sieben Hundertstelsekunden Rückstand auf die Siegerin so unglücklich für Rebensburg begonnen hatten, war die Souveränität zurück. »Mental gut aufgestellt« sei sie für das Rennen gewesen, sagte Rebensburg. »Ich war null nervös und habe die schöne, coole Atmosphäre genossen.« In Are hatte ihre WM-Karriere 2007 begonnen. Als 17-Jährige war sie auf Anhieb auf Platz acht gefahren. »Ich liebe diesen Ort«, sagt sie.
Diese WM könnten ihre letzte gewesen sein, aber noch nicht das Karriereende. Cheftrainer Jürgen Graller will noch die beste Super-G-Athletin aus ihr machen, selbst wenn sie nur noch ein Jahr fahren sollte. Die zweitschnellste Disziplin sei Rebensburg auf den Leib geschneidert: »Wenn sie im Kopf so weit ist, sehe ich hier nicht so viele, die ihr den Platz an der Sonne streitig machen können.«