Der Mieter als Zitrone
»Preistreiberei« bei Großvermieter Vonovia in Dresden: LINKE will Prüfung durch die Stadtverwaltung
Der Vermieter Vonovia wird vielerorts für stark steigende Betriebskosten und Mieten kritisiert. Unter Hinweis auf eine Sonderregelung in der Stadt drängt die LINKE nun das Dresdner Rathaus zum Eingreifen.
Der Winter 2016/17 war im Dresdner Stadtteil Hellerau nicht wesentlich strenger als in der Großsiedlung Prohlis auf der anderen Elbseite. Der Winderdienst aber arbeitete in Hellerau offenbar Tag und Nacht durch. Den Eindruck jedenfalls legen die Abrechnungen für Betriebskosten nahe, die Anwohner der Straße »An den Ruschewiesen« erhielten. Mieter des Vonovia-Konzerns, die im Jahr davor noch mit 30 Euro zur Kasse gebeten worden waren, sollten nun über 470 Euro zahlen – 40 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche und Monat, rechnet der Mieterverein Dresden vor. In Prohlis zahlten die Vonovia-Mieter im gleichen Winter nur fünf Cent.
Die wundersame Winterdienstverteuerung ist nur ein Beispiel für ein Vorgehen, dass den Mieterverein in der Landeshauptstadt vom »Verdacht der systematischen Preistreiberei« sprechen ließ. Dem schließt sich jetzt auch die Dresdner LINKE an. Die Vonovia »presst die Mieter aus wie Zitronen«, sagt André Schollbach, deren Fraktionschef im Stadtrat. Er fordert die Stadtverwaltung auf, dagegen vorzugehen. Sie solle das Agieren des Vermieters einer »vertieften Prüfung« unterziehen und, falls sich dieses als rechtswidrig erweist, auf dessen Unterlassung hinwirken oder »Vertragsstrafen geltend machen«.
Mieter der Vonovia stöhnen bundesweit über teils kräftig angehobe- ne Mieten und aus ihrer Sicht unerklärliche Steigerungen von Betriebskosten. Wollen sie diese nicht hinnehmen, müssen sie indes individuell gegen den Vermieter klagen, was viele wegen des finanziellen Risikos scheuen. Dresden aber befindet sich in einer besonderen Lage. Die 38 000 Wohnungen, die Vonovia dort bewirtschaftet, gehörten einst der Stadt. Diese hat ihre Wohnungsgesellschaft im Jahr 2006 verkauft; heutiger Eigentümer ist nach einigen Besitzerwechseln die Vonovia. Beim Verkauf wurde eine Sozialcharta zwischen Käufer und Stadt vereinbart. Deren Einhaltung kann die Stadt einklagen. Einmal hat sie bereits eine solche Klage angestrengt; es ging um eine Vertragsstrafe in Höhe von immerhin einer Milliarde Euro. 2012 einigte man sich auf einen Vergleich; der Vermieter zahlt über neun Jahre hinweg jeweils vier Millionen Euro.
Mit diesem Instrument soll nun erneut gedroht werden, wenn es nach der LINKEN geht. Tilo Wirtz, deren Wohnungsexperte im Stadtrat, zitiert eine Klausel aus der Sozialcharta, der zufolge sich der Erwerber verpflichtete, »alle zugunsten der Mieter im geltenden Recht sowie in den Mietverträgen vorgesehenen Regeln strikt einzuhalten«. Das geschieht nach Ansicht der LINKEN nicht. Sie verweist beispielsweise auf Mieterhöhungen, die mit einer besseren Lage der jeweiligen Wohnung begründet wurden. Der Mieterverein hat 223 solche Fälle geprüft und festgestellt, dass nur bei 47 die korrekte Wohnlagenkarte angewendet wurde. Klagen von Mie- tern seien zu 94 Prozent erfolgreich gewesen. Nach Ansicht Schollbachs verstößt das Vorgehen gegen geltendes Recht – und damit auch gegen die Sozialcharta.
In anderen Fällen dürfte es mehr Probleme bereiten, die Grenze zwischen anstößigem Geschäftsgebaren und Rechtsverstößen zu belegen. So beobachtet Schollbach ein »perfides Geschäftsmodell« bei der Vonovia, das darin bestehe, Leistungen wie den Winterdienst oder Hausmeistertätigkeiten nicht möglichst preisgünstig an andere Unternehmen zu vergeben, sondern sie von konzerneigenen Firmen erledigen zu lassen und dabei »extensiv Leistungen zu exorbitanten Preisen« zu veranschlagen. Die Rechnungen zahlen die Mieter, die Gewinne kommen dem Konzern zugute. Ob es der Stadt gelänge, das unter Berufung auf die Sozialcharta zu ändern, ist offen.
Deren Einhaltung soll die Verwaltung regelmäßig prüfen. Nach Ansicht der Dresdner LINKEN geschieht das jedoch allenfalls halbherzig. »Es wird formal kontrolliert«, sagt Wirtz, »aber faktisch gilt die Devise: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.« Mit dem Antrag wolle man nun »die Motivation erhöhen« – auch angesichts eines wachsenden Unmuts in der Bürgerschaft über steigende Mieten und den Wohnungsmangel in der Stadt, der ein wichtiges Thema bei der Stadtratswahl im Mai werden dürfte. Der Bericht, den der Antrag der LINKEN verlangt, müsste erst einen Monat später vorgelegt werden – wenn der Vorstoß vom Stadtrat beschlossen wird. Dort hat das bisherige rotgrün-rote Bündnis aber nach Seitenwechseln von vier Abgeordneten von SPD und LINKE keine Mehrheit mehr.