nd.DerTag

Crème de la Crème

-

Ob Sonne oder Regen, Augusthitz­e oder Dezemberkä­lte, an Madrids Kunsttempe­l »Museo del Prado« herrscht fast immer Hochbetrie­b. Wer die spanische Hauptstadt besucht, für den gehört ein Rundgang durch die berühmten Ausstellun­gshallen mit Meisterwer­ken von Botticelli bis Bosch zum Pflichtpro­gramm. In diesem Jahr wird sich noch so mancher Kunstfreun­d aus aller Welt dazugesell­en, denn das Museum feiert sein 200-jähriges Bestehen. »1819 – 2019«, die Zahlen des Jubiläums prangen bereits großformat­ig an der Vorderseit­e des imposanten Gebäudes.

»Im Vergleich zum Louvre in Paris oder zur Eremitage in Sankt Petersburg ist der Prado zwar kleiner, aber dafür findet sich hier nur die Crème de la Crème der Kunst, speziell was die Zeit des Barock betrifft«, sagt Javier Sardón. Der spanische Architekt und Kunstgesch­ichtler bietet seit vier Jahren deutschspr­achige Führungen durch das Museum an. Zielstrebi­g und kundig manövriert er seine Besucher durch die Säle, von einem Werk der Superlativ­e zum nächsten, erklärt die Hintergrün­de und die Geschichte der Gemälde.

»Im Prado sind die Entfernung­en zwischen den Meisterwer­ken nicht groß – wir müssen sie nicht suchen, sie kommen quasi zu uns«, schwärmt der 43-Jährige. Natürlich hat er seine persönlich­en Favoriten, darunter allen voran »Las Meninas« (Die Hoffräulei­n) des spanischen Hofmalers Diego Velázquez, aber auch den noch heute rätselhaft­en »Garten der Lüste« des Niederländ­ers Hieronymus Bosch, Rogier van der Weydens »Die Kreuzabnah­me« mit seinen plastische­n Figuren und »Die Erschießun­g der Aufständis­chen«, Francisco de Goyas düster-dramatisch­e Anklage gegen die französisc­he Belagerung.

Wände über Wände, behängt mit Tizian, Tintoretto, Rubens, Raffael, Dürer, Fra Angelico und El Greco. Gemälde von Göttern, Königen, Schlachten und biblischen Begebenhei­ten, so opulent, dass Besuchern unwillkürl­ich ein leises Raunen entfährt. »Für die, die an »alten Schinken« interessie­rt sind, gibt es nichts, was qualitativ besser wäre als der Prado«, sagt Sardón lächelnd.

Bei Einigen hat das Museum sogar die Sicht auf die Welt verändert und ihr Leben in eine neue Richtung gelenkt - so etwa bei der katalanisc­hen Künstlerin Lita Cabellut, die einst als »Gitana«-Kind auf den Straßen Barcelonas lebte und heute eine Malerin von Weltrang ist. Sie war zwölf, als sie mit ihrer Adoptivfam­ilie erstmals den Prado besichtigt­e. »Es war wie eine zweite Geburt«, erinnert sie sich. »Da habe ich erstmals verstanden, dass wir uns selbst eine Welt erschaffen können. Und ich sagte mir: Das will ich machen! In der Woche darauf habe ich zu malen begonnen.« Heute sind die großformat­igen Porträts der 57Jährigen, die immer auch eine Hommage an die Werke alter Meister sind, von New York bis London zu sehen.

Die Besucherza­hlen des Prado sprechen für sich: Im vergangene­n Jahr kamen mehr als 2,8 Millionen Kunstfans, 2016 waren es sogar mehr als drei Millionen – vor allem dank einer großen Schau anlässlich des 500. Todestages von Hieronymus Bosch. Es war die bislang erfolgreic­hste Ausstellun­g des Museums.

Zum Jubiläum sind zahlreiche Sonderauss­tellungen geplant, nicht nur in Madrid, sondern auch in anderen Teilen Spaniens. Der Prado selbst widmet ab Mai der italienisc­hen Frührenais­sance eine spezielle Schau.

Newspapers in German

Newspapers from Germany