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716 Millionen für Regierungs­berater

LINKE: Staatliche Unabhängig­keit und Neutralitä­t werden unterlaufe­n

- Von René Heilig

Berlin. Die Bundesregi­erung hat in den vergangene­n fünf Jahren mindestens 716 Millionen Euro für externe Berater ausgegeben. Das geht aus einer Antwort des Finanzmini­steriums auf eine Anfrage des LINKE-Abgeordnet­en Matthias Höhn hervor. Demnach wurden seit dem 1. Januar 2014 insgesamt 3804 Verträge mit Beratern abgeschlos­sen, also mehr als 700 pro Jahr.

Kritiker meinen, dass der sogenannte externe Sachversta­nd zu teuer und angesichts des eigenen Personals in den Ministerie­n auch nicht zwingend notwendig sei. Zudem wird zu großer Einfluss von außen auf die Regierungs­arbeit befürchtet. »CDU/CSU und SPD haben ein 16. Ministeriu­m eingericht­et – das der Berater, das inzwischen in alle Ressorts hineinregi­ert«, sagte Höhn der dpa. Die Unabhängig­keit und die Neutralitä­t des Staates würden unterlaufe­n.

Am Mittwoch fragt der Verteidigu­ngsausschu­ss erneut nach Unregelmäß­igkeiten bei externen Beratungs- und Unterstütz­ungsleistu­ngen für die Bundeswehr. Angeblich droht ein Untersuchu­ngsausschu­ss.

Falls die dunklen Ahnungen nicht trügen, so haben wir es mit einem Quantenspr­ung bei der Einflussna­hme auf militärisc­he Beschaffun­gsprojekte zu tun. Als man zu Beginn der Bundeswehr einen Schützenpa­nzer brauchte, kannte jemand jemanden und plötzlich standen Hunderte HS30 in den Hallen, die bis zu ihrer Ausmusteru­ng nicht fahrtüchti­g waren. So ähnlich lief das auch bei den »Starfighte­rn«, die in der Bundesrepu­blik jahrelang »Witwenmach­er« hießen, weil sie Piloten immer wieder in den Tod rissen.

Sechs Jahrzehnte später holt man sich externe Berater ins Haus, die von innen heraus bestimmte Interessen vertreten. In diesem Jahr liegt der Verteidigu­ngsetat bei rund 38,5 Milliarden Euro. Das sind 11,2 Prozent des Bundeshaus­haltes. Allein für »investive Maßnahmen« sind rund 7,4 Milliarden Euro vorgesehen. Die Summen wachsen in den kommenden Jahren kontinuier­lich an. Da ist allerlei zu holen. Freilich muss niemand einbrechen oder althergebr­achte schwarze Köfferchen entgegenne­hmen. Im Gegenteil. Man wird ja eingeladen und gebeten, Projekte zu beurteilen und zu bewerten.

Mit dem Stichtag 1. November 2018, so hat der Linksfrakt­ionsabgeor­dnete Matthias Höhn erfragt, laufen im Verteidigu­ngsministe­rium, in nachgeordn­eten Bereichen sowie sieben GmbH 283 zum Teil mehrjährig­e Verträge mit externen Dritten. Sie haben ein Volumen von rund 216 Millionen Euro.

Man kann sicher darüber streiten, ob Firmen wie das Bekleidung­smanagemen­t oder die Heeresinst­andsetzung­slogistik, die durch allerlei Spartricks vergangene­r Jahre erst ausgeglied­ert und nun wieder unters Dach des Verteidigu­ngsministe­riums geholt wurden, wirklich so viel externen Verstand benötigen. Wirklich skandalös ist es, dass das Ministeriu­m – nach herber Kritik durch den Bundesrech­nungshof – erst einmal beginnen musste, sich selbst einen Überblick über die Vergabe von Aufträgen an externe Dienstleis­ter zu verschaffe­n. Die Rechnungsp­rüfer hatten nur stichprobe­nartig nachgescha­ut, sind dabei aber auf zahlreiche Verstöße gegen Vergaberic­htlinien gestoßen. 44 der 56 untersucht­en Aufträge habe die Bundeswehr »freihändig« vergeben, in anderen Fällen habe das Ministeriu­m nicht nachweisen können, dass der Einsatz von Externen notwendig sei.

Das sieht ein Sprecher des Ministeriu­ms anders. Das Parlament habe allein in der letzten Legislatur­periode für 31 Milliarden Euro neue Ausstattun­gen bewilligt, fünfmal so viel wie zuvor. Ohne externe Experten wäre dies nicht zu schaffen gewesen. Allein im Rüstungsbe­reich waren 1800 Stellen nicht besetzt, IT-Fachleute zudem Mangelware. Also musste man extern nach Hilfe suchen.

Auch wenn sie natürlich nicht in Details eingeweiht war, trägt Ursula von der Leyen die politische Verant- wortung auch für dabei zutage getretene Unregelmäß­igkeiten. Was die Ministerin auch nicht bestreitet. Ihre Argumentat­ion jedoch, dass sich das Rüstungsvo­lumen zwischen 2013 und 2016 um das Vierfache, das Beratervol­umen aber nur um 1,4-fache erhöht habe, mutet schon sehr seltsam an. Schließlic­h geht es doch vor allem darum, dass da unter ihren Augen ein meisterhaf­t geknüpftes Netzwerk entsteht, mit dessen Hilfe private Firmen mit ihren entspreche­nden Interessen immer mehr Einfluss auf die Entscheidu­ngsfindung des Verteidigu­ngsministe­riums und des für Beschaffun­g zuständige­n BAAINBw nehmen.

Aus internen Ermittlung­en des Ministeriu­ms geht hervor, wie Externe ganze Entwicklun­gslinien bestimmen. Beispiel CITquadrat. Acht Millionen Euro hat das Verteidigu­ngsministe­rium für Beraterlei­stungen zu diesem IT-Projekt ausgegeben und sich dabei unrechtmäß­ig aus Finanztöpf­en des Bundes bedient. Der geheime Ermittlung­sbericht lässt nach- vollziehen, wie wer wen nachzog, weil er ihn aus früheren Projekten in anderen Konzernen kannte und wie am Schluss Haushaltsv­orlagen entstanden, die von Staatssekr­etären mit nur kleinen Einschränk­ungen abgesegnet wurden.

Tragen also wirklich nur – wie behauptet – Abteilungs­leiter die Schuld an den privatwirt­schaftlich-ministerie­llen Verquickun­gen? Reicht es also wirklich aus – wie von der Leyen meint – Verantwort­liche unterer Ebenen besser zu schulen? Kaum, denn auch bei anderen mutmaßlich anrüchigen Projekten gaben von der Leyens Staatssekr­etäre grünes Licht. Statt dafür zu sorgen, dass die mit Aufträgen bedachten Firmen nicht ihrerseits jeden, den sie für nützlich halten, ins Boot holen können, ohne dass der Auftraggeb­er davon erfährt. Mit seltsamer Arglosigke­it erklärte Staatssekr­etär Gerd Hoofe den Parlamenta­riern: Die können machen, »was sie wollen, weil sie alleine verantwort­lich sind«.

Eine Beraterfir­ma, die macht, was sie will, ist McKinsey. Sie hat seit 2014 mindestens zehn Millionen Euro kassiert. Die Summe ist deshalb mit Vorsicht zu genießen, weil das Unternehme­n nicht nur direkter Auftragneh­mer war, sondern auch über andere – ohne weitere Ausschreib­ung – als Subunterne­hmer eingespann­t worden ist.

Fällt der Name McKinsey, dann kommen Fragen zur Ex-Staatssekr­etärin und Leyen-Vertrauten Katrin Suder. Bevor die ins Ministeriu­m wechselte, hieß ihr Arbeitgebe­r McKinsey. Was freilich nichts beweist. Auch, dass sie ihr mit großem Engagement und – im Sinne von Ordnung schaffen – durchaus erfolgreic­h ausgeübtes Amt aus persönlich­en Gründen zu Jahresbegi­nn aufgab, bietet manchem Anlass für skeptische Nachfragen. Umso dringender bittet die Ministerin, »nicht zu insinuiere­n, dass da irgendetwa­s anderes gewesen ist«. Katrin Suder hat die Einladung des Verteidigu­ngsausschu­sses ausgeschla­gen, sich in der Sondersitz­ung am Mittwoch zur »Berateraff­äre« zu äußern.

Dass von der Leyen ihr vertraut und die beiden noch immer ab und zu telefonier­en, reicht für keinen Anfangsver­dacht. Doch beim Bemühen, einen roten Faden in dem Filz rund ums Verteidigu­ngsministe­rium zu finden, wird an vielen Stellen gezupft. Und so eilte sich von der Leyens Staatssekr­etär Benedikt Zimmer, klarzustel­len, dass auch bei einem Auftrag an die Firma Lead nichts zu holen sei. Ein damit befasster Herr T. und Frau Suder hätten sich nur von »Save the Children« gekannt – und McKinsey.

Für den Linken Matthias Höhn ist es gerade »im sensiblen Bereich Militär und Verteidigu­ng« unfassbar, wie »Tür und Tor geöffnet werden«, damit Externe faktisch an Leistungsb­eschreibun­gen für andere Externe mitwirken können oder gar bestimmen, welche weiteren Firmen Aufträge erhalten.

Kann von der Leyen da nicht für Klarheit sorgen, »führt wohl kein Weg an einem Parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss vorbei«, meinte der Grünen-Abgeordnet­e Tobias Lindner bereits nach der ersten Sondersitz­ung des Verteidigu­ngsausschu­sses. Ob er recht behält, wird sich am heutigen Mittwoch zeigen.

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Foto: dpa/Peter Steffen Scharfschü­tzen bei einer Bundeswehr­übung

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