nd.DerTag

Gute PR ist alles

Netzwoche

- Von Jürgen Amendt

Die Debatte um ein Qualitätsg­esetz für Kitas wird schon seit einigen Jahren geführt. Als Manuela Schwesig (SPD) noch Bundesfami­lienminist­erin war, ging es in der Diskussion auch in erster Linie darum, wie durch ein Bundesgese­tz einheitlic­he Qualitätss­tandards für die frühkindli­che Bildung gewährleis­tet werden – zum Beispiel um den Fachkraft-Kind-Schlüssel, um Arbeitszei­tregelunge­n oder um Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche Standards bei der Ausbildung. Und weil der Bereich die Kompetenze­n der Länder berührt, gab es darüber natürlich Streit. Es wurde eine BundLänder-Arbeitsgru­ppe gebildet, die sogenannte Eckpunkte für ein »Kitaqualit­ätsentwick­lungsgeset­z« erarbeiten sollte.

Bildungspo­litik ist in einem föderalen Staat eine sehr komplexe und komplizier­te Materie. Doch Politik braucht heute eine gute Performanc­e – das dachten sich wohl die Berater, die vom Ministeriu­m engagiert wurden. Als Mitte Oktober die Nachfolger­in von Schwesig, Franziska Giffey (SPD), das »Kitaqualit­ätsentwick­lungsgeset­z« der Öffentlich­keit vorstellte, tat sie das mit einer euphemisti­schen Wortschöpf­ung. Sie sprach vom »Gute-Kita-Gesetz«. Gleichzeit­ig wurden auf der Webseite zahlreiche Hintergrun­dmateriali­en veröffentl­icht – und auch diese waren mit dem entspreche­nden Schlagwort versehen.

Dass Regierunge­n politische PR betreiben, ist eine Sache; allerdings zwingt niemand Journalist­en dazu, die Sprachrege­lungen zu übernehmen. Zumal, wie im vorliegend­en Fall, das Gesetz nicht nur von der Opposition, sondern auch von Fachleuten kritisiert wird. Neun von zehn Sachverstä­ndigen sprachen sich bei einer Anhörung im Familienau­sschuss gegen das Gesetz aus. Sie bemängelte­n vor allem, dass keine rechtsverb­indlichen Standards formuliert werden. Doch in der Berichters­tattung ist die PR-Formulieru­ng des Ministeriu­ms ebenfalls Standard. Auf welt.de taucht diese in einem kritischen Bericht über das Gesetz allein acht Mal auf.

Der Journalist Udo Stiehl, der u. a. für die ARD, die Deutsche Welle und den Deutschlan­dfunk tätig war bzw. ist, kritisiert das in seinem Blog udostiehl.wordpress.com scharf. »Verblüffen­d ist, dass trotz aller Bekundunge­n zu Objektivit­ät und journalist­ischer Distanz die ›Schöne-Worte-Politik‹ kritiklos ihren Weg findet. Gerade in Zeiten, da Medienhäus­er neue Investigat­ivredaktio­nen bilden, ein US-Präsident das Thema Schönfärbe­rei täglich auf dem Silbertabl­ett serviert und über den Umgang mit den Kampagnen der AfD diskutiert wird, müsste doch die Sensibilit­ät für politische PR inzwischen sehr hoch sein.«

Stiehl findet das deshalb problemati­sch, weil Giffey ihre Vernebelun­gsabsicht nicht einmal verschweig­e. So habe sie auf einem Kommunikat­ionskongre­ss Ende September in Berlin ihre Pläne erläutert, schreibt Stiehl unter Berufung auf das Magazin pressespre­cher.com. Dort heißt es: »Den verklausul­ierten Begriff ›Kitaqualit­ätsentwick­lungsgeset­z‹ etwa lehnte sie ab und formuliert­e ihn kurzerhand um in ›Gute-Kita-Gesetz‹ – inklusive Würfel für den Schreibtis­ch, auf dem die Kerngedank­en des Gesetzes in prägnanten Sätzen abgebildet sind. Schließlic­h sollen sich die Menschen ja daran erinnern.«

Die Strategie ist aufgegange­n.

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