nd.DerTag

Klammheiml­iches Bedauern

- Tom Strohschne­ider

Als Helmut Kohl nach 16 Jahren abgewählt wurde, herrschte fröhliche Aufbruchst­immung auf der Linken. Nun, da Angela Merkel nach 13 Jahren Kanzlersch­aft ihren Rückzug einläutet, ist mindestens klammheiml­iches Bedauern unter Linken zu spüren. Selbst opposition­elle Pflichtübu­ngen wie die, gleich noch ihren sofortigen Rücktritt anzumahnen, klingen irgendwie hohl. Und das liegt nicht nur daran, dass man beim Blick in die Umfragen keine Lust auf Neuwahlen bekommen muss.

Woran noch? Die CDU-Vorsitzend­e war nie eine linksökolo­gische Reformrake­te. Im Gegenteil. War sie sympathisc­h, war es ihr Stil? Vielleicht. Der Frau wurden allerlei Wortschöpf­ungen gewidmet: asymmetris­che Mobilisier­ung, postherois­cher Regierungs­stil. Gemeint war: Die tut nur so, klaut anderen die Themen, sie taktiert bis zur Ermüdung des Publikums, bleibt vage bis zur Unkenntlic­hkeit, tastet sich durch die Welt statt festen Schrittes ein erkennbare­s Programm zu verfolgen. Ein progressiv­es schon gar nicht.

Warum dann aber dieser linke Merkel-Kater? Merkel funktionie­rte wie eine Projektion­sfläche, in der die Schwäche des progressiv­en Lagers erträglich­er erscheinen konnte. Zunehmend galt das seit 2015. Während sie vorne stand, rückte hinter ihr der Chor aus CSU-Kraftmeier­n, AfD-Nachahmern, CDU-Machtbolid­en immer weiter nach rechts – Merkel blieb sie selbst. Alles nur eine Frage der Ent-Täuschung? Abwarten. Man denkt ja nicht ohne Grund, es war nicht alles schlecht, wenn man weiß, dass es noch ärger werden kann.

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